Steven Karger

Der Verlag S.Karger AG: Entwicklung und Perspektiven


Sehr geehrter Herr Stadler, verehrte Damen und Herren

Zuerst möchte ich mich herzlich beim Vorstand der AGMB bedanken, dass mir die Gelegenheit geboten wird, heute zu Ihnen zu sprechen. Den Organisatoren der Jahrestagung, Herrn Dr. Wolf und Herrn Wehrmüller, möchte ich meine Gratulation aussprechen für die perfekte Durchführung dieser Tagung, die wir mit unserem Stand und der Finanzierung der Kaffeepausen auch gerne unterstützt haben.

Auch wenn wir, die Familien Karger, Vollblutbasler und die Firmen Karger als in der Schweiz grösster medizinischer Verlag einerseits und grösste internationale Zeitschriftenagentur andererseits heute in Basel voll und ganz verankert sind, war das nicht immer so, wie Sie vielleicht schon wissen. Ich gehöre der ersten Generation an, die in der Schweiz geboren wurde, während mein Vater noch in Berlin zur Welt gekommen ist.

Aber schön der Reihe nach:

Am 21. Mai 1863 wurde in Obornik in Polen Siegbert Samuel Karger geboren. Er erlernte den Beruf des Buchhändlers in Posen, dem heutigen Poznan. Zwei Gegebenheiten aus seiner Lehrzeit sollten nachhaltig auf ihn einwirken: Als er, wie so oft, eine Lieferung Bücher auspacken musste, fiel ihm eines besonders auf, worauf er seinem Lehrmeister sagte: "Ein aussergewöhnlich schönes Buch!” Dieser erwiderte: "Schön ist ein Buch, mein lieber Karger, wenn es verkauft ist!” Das hat sich mein Urgrossvater ganz offensichtlich zu Herzen genommen, denn in seinem Abschlusszeugnis stand geschrieben: "Wenn jemand in den Laden kam, um beim Lehrling Karger ein preiswertes Taschenbuch zu kaufen, ging er meistens mit einer Enzyklopädie wieder.”

Samuel Karger war einige Jahre in seinem Beruf tätig, zuletzt bei der Buchhandlung Stuhr in Berlin. Dort fand er im sich zu Ende neigenden 19. Jahrhundert den idealen Nährboden, seine Vision zu verwirklichen und Verleger zu werden. Von Deutschland, und insbesondere von Berlin, gingen damals die entscheidenden Impulse zu einem neuen Zeitalter medizinischen Fortschritts aus. Mein Urgrossvater wusste dies zu nutzen. Mit der ihm eigenen Dynamik, seinem ausgeprägten Geschäftssinn und einem ausserordentlichen Talent, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen, wagte er es, den "Verlag von S. Karger” an der Rathenowerstrasse 95 zu gründen. Das war am 1. April 1890.

Das Wagnis hat sich gelohnt. Die eben genannten Charakterzüge hat Samuel Karger an seinen Sohn Heinz und an seinen Enkel Thomas weitervererbt, die sein Geschäft über hundert Jahre erfolgreich weitergeführt haben. Heute sind meine Geschwister und ich bereits die vierte Generation, die sich dieser Tradition verpflichtet fühlen. Aber zurück zu Samuel!

Ich zitiere ihn: "Ich hatte den Plan, eine Sammlung von Kompendien zu schaffen, die das Gesamtgebiet der Medizin in einzelnen Abteilungen darstellt.” Das erste dieser Kompendien, das "Geburtshülfliche Vademecum”, realisierte er 1890 zusammen mit Dr. A. Dührssen, einem erfahrenen Geburtshelfer und Gynäkologen. Das Büchlein war ein voller Erfolg. Nach sechs Monaten war es bereits vergriffen und erlebte in der Folge viele Auflagen. Ebenso erfolgreiche Kompendien folgten, aber schnell auch grössere Werke, Lehrbücher und 1893 schon das erste Periodikum, die "Dermatologische Zeitschrift”, die auch heute noch erscheint.

Vor allem zwei Gründe führten von allem Anfang an zum Erfolg:

  1. Die Verpflichtung, die Verlagspublikationen mit höchster wissenschaftlicher Qualität, hervorragender typographischer Gestaltung und allen anderen Aspekten sorgfältiger Buch- und Zeitschriftenherstellung zu versehen.
  2. Den Blick für den Markt nie zu verlieren, Marktlücken zu erkennen und zu erschliessen.

Diese Strategien sind zu eigentlichen Leitbildern für nunmehr vier Generationen geworden. Ihre strikte Einhaltung haben den Verlag in über 100 Jahren zu dem gemacht, was er heute ist.

Gerade auf Spezialgebiete ausgerichtete Zeitschriften sind dazu prädestiniert, der immer anspruchsvoller werdenden medizinischen Forschung gerecht zu werden. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die 79 Zeitschriften, die momentan in unserem Verlag erscheinen, das Hauptgeschäft ausmachen. Aus diesem Grunde möchte ich mich in meinem Betrachtungen auf die Zeitschriften konzentrieren.

Von der "Dermatologischen Zeitschrift” haben wir bereits gesprochen. Sie erscheint als "Dermatology” 1997 in ihrem 104. Jahrgang und erfreut sich nach wie vor grosser Beliebtheit. Zwei andere Zeitschriften sollen uns nun bei unserem Streifzug durch das Werden und Wachsen des Karger-Verlags begleiten. Sie wurden 1895 bzw. 1896 gegründet und werden heute noch - mit geändertem Titel zwar, aber immer noch mit der gleichen Ausrichtung - publiziert.

Die "Monatsschrift für Geburtshülfe und Gynäkologie” wurde von Prof. A. Martin, Berlin, und Prof. M. Sänger, Leipzig, redigiert, von nur zwei Herren also. Beim "Archiv für Verdauungskrankheiten” war die Organisation der Schriftleitung etwas anders. Der berühmte Dr. J. Boas in Berlin war der Herausgeber. Er hatte einen Beirat, der aus zwölf Herren bestand, acht aus Deutschland, vier aus dem benachbarten deutschsprachigen Ausland. Die Publikationssprache war selbstverständlich Deutsch.

Die Zeitschriften hatten in dieser Form bis zum Zweiten Weltkrieg Bestand. Zu der Zeit wurden sie von meinem Grossvater Heinz, damals bereits in der Schweiz, internationalisiert. Was war in der Zwischenzeit geschehen?

Der Verlag entwickelte sich unter Samuels Leitung ausgezeichnet. 1915, mitten im Ersten Weltkrieg, durfte er dessen 25jähriges Bestehen feiern. Bereits neun Zeitschriften wurden publiziert und in dem Jahr allein gegen 50 Bücher. Niemand glaubte zu dieser Zeit an die verheerenden Konsequenzen dieses Kriegs. Die Wirtschaft blühte und der Verlag verzeichnete einen Erfolg nach dem anderen. Trotzdem war die Katastrophe nicht aufzuhalten, die den Lauf der Geschichte so grundlegend ändern sollte. Die Welt war nach dem Krieg eine ganz andere, mit tiefgreifenden Auswirkungen auf den Verlag, seinen Leiter und dessen Nachkommen.

Heinz Karger kam am 10. November 1895 zur Welt. Im Krieg Soldat, schloss er nach Kriegsende sein Wirtschaftsstudium ab und trat dann als Stütze seines Vaters in den Verlag ein. Das war anfangs der zwanziger Jahre.

Im Jahre 1930 war der Verlag von Samuel Karger bereits 40 Jahre alt, und der Gründer konnte über 850 publizierte Titel vorweisen. Die Geburt seines Enkels Thomas am 17. Februar aber bildete einen der Höhepunkte dieses Jahres, war doch damit die nächste Generation gesichert.

Dann kam die verheerende Nazizeit, doch Samuel Karger konnte und wollte - wie viele seiner Zeitgenossen - nicht begreifen, was auf sein Deutschland zukam, in welch kurzer Zeit sein Land zugrunde gerichtet werden sollte. Heinz Karger hatte unterdessen den Grossteil der Verantwortung für den Verlag übernommen, so dass er zu einer Vernehmung durch die Gestapo in Berlin vorgeladen wurde. Es sollte die einzige bleiben. Die Gestapo zwang den jüdischen Karger-Verlag, sämtliche jüdischen Wissenschafter aus dem Kreis der Herausgeber zu entfernen. Diese Erfahrung reichte meinem Grossvater, um zu begreifen, welche Gefahr seiner Firma - und somit auch seiner Familie - drohte und dass er nicht mehr lange in Deutschland bleiben konnte. Sein Vater aber lehnte es weiterhin ab, dies einzusehen. Man muss fast von Glück im Unglück sprechen, dass Samuel Karger nicht mehr miterleben musste, was seinem Vaterland, seiner Familie und vielen seiner Freunde an Schrecklichem noch bevorstand. Er starb unerwartet am 1. Juli 1935, in seinem 72. Lebensjahr.

Nun begann ein dramatischer Wettlauf mit der Zeit, denn es war abzusehen, was mit dem jüdischen Verlag und dessen Besitzerfamilie geschehen würde. Auf alles einzugehen, was Heinz Karger unternahm, um aus Deutschland wegzukommen, würde den Rahmen meiner Betrachtungen sprengen. Etliche Reisen wurden unternommen, unzählige Gespräche geführt, viele Orte besichtigt. Schliesslich tat sich in Basel durch die Vermittlung des früheren Ordinarius für Anatomie in Hamburg, Prof. Poll, eine einmalige Chance auf. Die Basler, allen voran die medizinische Fakultät der Universität, betrachteten es als Gewinn, den bekannten Verlag nach Basel holen zu können. Dies bedeutete die Rettung für Familie und Verlag. Der Umzug erfolgte im April 1937, in letzter Minute also.

Der Wiederaufbau des Karger-Verlags in Basel konnte in Angriff genommen werden. Der Start geschah mit den gleichen Zeitschriften und Büchern wie in Berlin. Die Probleme aber blieben nicht aus, denn der Zwang durch das Reich unterbrach die Kontakte zu deutschen Herausgebern, Autoren und Institutionen, so dass von der Beschaffungsseite wie auch umsatzmässig besorgniserregende Einbussen verzeichnet werden mussten. Dabei waren aber auch in Basel nicht alle nur positiv und freundschaftlich eingestellt. Im Umfeld der Konkurrenz gab es viele Neider, und unter den Politikern waren auch nicht alle über alle Zweifel erhaben. Von diesen wurden dem neuen Unternehmen in Basel viele Steine in den Weg gelegt, so dass Heinz Karger nicht nur gegen die Bedrohungen von aussen zu kämpfen hatte.

Der gute Ruf und der hohe Qualitätsstandard halfen aber, neue Kontakte zum Ausland zu knüpfen, und nur 18 Monate später konnten diese Lücken wieder geschlossen und die Abonnentenzahlen sogar erhöht werden. Es gelang Heinz Karger in dieser schwierigen Zeit sogar, neue Zeitschriften zu gründen. So erschien 1937 die Zeitschrift "Cardiologia” zum ersten Mal. Sie existiert noch heute unter dem Namen "Cardiology”. Ihr international ausgelegtes Konzept wurde zum Modell für viele andere Zeitschriften.

Es folgte das Zeitalter der Mehrsprachigkeit. Artikel in deutscher, französischer, englischer, mitunter sogar italienischer Sprache wurden angenommen, je nach Ursprung und Wunsch des Autors. Den Artikeln wurden Zusammenfassungen in den jeweils anderen Sprachen hintangestellt.

Um dieser Tatsache auch in den Titeln der Zeitschriften gerecht zu werden, stellte Heinz Karger deren Namen von Deutsch aufs neutrale Lateinisch um. Das "Archiv für Verdauungskrankheiten” wurde 1939 in "Gastroenterologia” umbenannt. Prof. Staehelin aus Basel war "Redactor”. Ihm zur Seite standen 16 Wissenschafter als "Editores”. Der Titel der "Monatsschrift für Geburtshülfe und Gynäkologie” wurde erst 1946 geändert und lautete von da an "Gynaecologia”. Prof. E. Anderes aus Zürich und der Basler Prof. Th. Koller waren die "Redactores”, mit einem Beirat von 23 "Editores”. Bei diesen beiden Zeitschriften tauchen zum ersten Mal Ortsnamen wie New York, Buenos Aires, London, Jerusalem, Kopenhagen, Budapest, Sofia und Stockholm auf, und das zu einer Zeit, als die Grenzen geschlossen waren und jegliche Form des Wissensaustauschs schier unmöglich worden war. Es gab keinen zuverlässigen Weg mehr, Bücher und Zeitschriften an die Kunden zu liefern. Genau so schwierig war es, Manuskripte nach Basel zu bekommen. So konnte der Verlag aus eigener Kraft nicht mehr länger überleben. Heinz Karger wandte sich an die hiesigen pharmazeutischen Unternehmen, zuerst an Dr. Emil Barell, Generaldirektor der Hoffmann-La Roche, der seinen Einfluss auch auf Ciba und Sandoz ausübte. Sie alle stellten dem Verlag Geld zur Verfügung, das nicht einmal hätte zurückbezahlt werden müssen. Der Verlag konnte weiterexistieren.

Auch wenn weiterhin Manuskripte eintrafen, war es bald nicht mehr möglich, Korrekturfahnen an die Autoren und Herausgeber zu senden, geschweige denn, einen regelmässigen Abonnementsdienst einzurichten. Die Grenzen waren dicht. Da Heinz Karger fest davon überzeugt war, dass eines Tages alles wieder anders sein würde, produzierte der Verlag wähend der Kriegsjahre weiter, sozusagen auf Halde. Und Heinz Karger sollte recht behalten. Innerhalb nur weniger Jahre nach Kriegsende waren die Lager wieder leer und das geborgte Geld zurückbezahlt, eine Tatsache, auf die mein Grossvater bis an sein Lebensende sehr stolz war.

1959 durfte mein Grossvater meine Geburt erleben und die damit verbundene Gewissheit erlangen, dass nun auch eine vierte Generation angetreten war. Vier Monate später starb Heinz Karger 64jährig an einem Herzversagen.

Mein Vater Thomas, damals 29 Jahre alt und bereits im Verlag tätig, übernahm ohne zu zögern dessen Führung. Er baute ihn weiter zu seiner heutigen internationalen Grösse und Bedeutung aus. Er pflegte und intensivierte die von seinem Vater bereits geknüpften Kontakte in der ganzen Welt und schuf sich und dem wachsenden Verlag enorm wichtige Verbindungen, die ihm nicht nur oft sehr treue Partner einbrachten, sondern auch eine direkte und zeitgerechte Anbindung an den sich so schnell verändernden Markt garantierten. Es ist eine Besonderheit, dass in unserem Verlag keine internen Fachredaktionen zu finden sind, sondern dass wir mit einem gut funktionierenden Gutachterverfahren und den erwähnten engen Kontakten unserer Meinung nach fachlich besser und kompetenter bedient sind.

Aufgrund seiner grossen Reisetätigkeit erkannte Thomas Karger, dass es unumgänglich ist, in den wichtigen Regionen der Welt selbst präsent zu sein. Innerhalb weniger Jahre baute er deshalb ein weltweites Netz von Vertretungen auf, die als Ansprechpartner für Herausgeber und Autoren, aber auch für Kunden eine wichtige Rolle eingenommen haben. Auch zielgruppengerechte Werbung wird von diesen "Aussenstellen” gemacht.

Im Zuge dieser Internationalisierung traf mein Vater die zukunftsweisende Entscheidung, Englisch zur führenden Sprache seiner Verlagspublikationen zu machen. Fast alle Zeitschriften erhielten somit auch englische Titel. Unsere beiden Begleiter wurden ebenfalls umbenannt. "Gastroenterologia” änderte ihren Namen 1968 in "Digestion”, wie sie heute noch heisst. "Gynaecologia” hiess ab 1970 "Gynecologic Investigation” und von 1978 an mit erweitertem Spektrum "Gynecologic and Obstetric Investigation”. Beide Titel begannen mit dem Zeitpunkt ihrer Umstellung auf die englische Sprache wieder bei Band 1, so dass rein äusserlich keine Verbindung mehr zu den Anfängen des Verlags festgestellt werden konnte. Gerade aus diesem Grunde führen wir auch in jeder Zeitschrift im Innentitel deren geschichtliche Entwicklung auf.

Trotz dieser Ausrichtung zum Englischen hin betont Thomas Karger seine Liebe zur deutschen Sprache immer wieder, und er misst ihr auch heute als Wissenschaftssprache durchaus noch Berechtigung zu. Ich zitiere aus einem seiner Vorträge: "Die Universitäten unseres Sprachbereichs werden immer deutschsprachige Lehrmittel benötigen; wissenschaftliche Gesellschaften unserer Gegend werden weiterhin deutschsprachige Veröffentlichungen hervorbringen; sprachgebietsorientierte Wissenszweige, wie etwa die Psychologie, werden sich auch künftig vorzugsweise in der deutschen Sprache ausdrücken. Hier haben wir als Verleger unserer Muttersprache gegenüber Verantwortung zu übernehmen.” Diese Verantwortung hat mein Vater wahrgenommen, indem er anfangs der siebziger Jahre in München eine Niederlassung gründete, die mittlerweile nach Freiburg im Breisgau verlegt wurde. Aufgabe von Karger Deutschland ist es, als eigener, aber der Karger-Gruppe eingegliederter Verlag die deutschsprachigen Titel herauszugeben. So wurden im Jahre 1995 von über 100 000 im Verlag Karger angenommenen Manuskriptseiten, etwa 10 000 oder 10% auf Deutsch publiziert.

Als Geschäftsführer der S. Karger GmbH, Freiburg, kann ich dem von meinem Vater Gesagten nur beipflichten und werde dies sicher auch weiterhin so handhaben.

Wie jedes Gewerbe ist auch der Verlag ein Spiegelbild seiner Zeit. Unerhört schnell hat modernste Technologie auch unser tägliches Tun revolutioniert und vollkommen verändert. Innerhalb von nicht viel mehr als einem Jahrzehnt mussten wir vom Bleisatzzeitalter Abschied nehmen und in jenes der Elektronik hinüberwechseln. War der Computer anfangs noch ein reines Hilfsmittel, vor dem man - weil neu und unbekannt - Respekt und Zurückhaltung, wenn nicht sogar Angst zeigte, ist seine rasante Entwicklung heute schon für ganze Generationen und Berufsgruppen zur Selbstverständlichkeit geworden. Nichts führt am Computer vorbei - überlegen Sie sich nur einmal, wie oft am Tag Sie mit einem Computer in Berührung kommen. Nun, es gehört zum Charakter echter Pioniere, zu denen ich meine Vorfahren zähle, sich auch solchen Entwicklungen nicht zu verschliessen, aber trotzdem sorgfältig damit umzugehen. Thomas Karger führte den ersten Computer im Verlag Mitte der siebziger Jahre ein; die ersten PCs wurden 1982/83 eingesetzt.

Mit dem Aufkommen des Desktop Publishing ist - zum wievielten Male? - auch vom Tod der gedruckten Publikation gesprochen worden. Dem war damals nicht so und wird es auch in Zukunft nicht sein, wie oft und immer wieder diese Meinung auch zu hören ist. Tatsache ist, dass jedes Jahr mehr Papier bedruckt wird. Ich denke, wir müssen lernen und begreifen, dass die sogenannten neuen Medien nie ein Ersatz, sondern eine willkommene und sehr nützliche Ergänzung zu den gedruckten darstellen. Unter dem Eindruck dieser Erkenntnis haben wir uns entschlossen, auch auf dem Gebiet des elektronischen Publizierens tätig zu werden und unsere Verlagsprodukte nach und nach im Internet zur Verfügung zu stellen, vorläufig noch über die Original-Papierform, später vielleicht direkt, das wird sich weisen.

Wir arbeiten dabei mit einem Partner in London zusammen, der das BioMedNet betreibt. Das ist ein Netz, das biologische und medizinische Informationen über das Internet anbietet. Über diesen Kanal stellen wir vollständige Artikel unserer Zeitschriften - Bücher folgen später - kostenpflichtig zur Verfügung. Kostenlos erhält der Anwender alle bibliographischen und inhaltlichen Informationen über die jeweilige Zeitschrift bis hin zum Inhaltsverzeichnis und den Abstracts des aktuellsten Heftes. Die so zur Verfügung gestellte Information ist natürlich viel schneller beim potentiellen Kunden, als das gedruckte Medium, sprich Zeitschriftenheft. Mit den Gebühren wollen und müssen wir natürlich auch unsere Abonnements schützen. Gegenwärtig ist das alles noch so neu, dass wir eifrig daran sind, Erfahrungen zu sammeln. Viele Vorgehensweisen sind in der Diskussion, das technische Rüstzeug ist vorhanden und wird Schritt für Schritt angewendet. Die aktuelle Diskussion dreht sich nun um Fragen der Vermarktung dieser Dienstleistungen. Wie weit wir mit unseren Arbeiten schon gekommen sind, zeigt ein letzter Blick auf unsere beiden Zeitschriften, deren wechselndes Schicksal ich Ihnen im Laufe meiner Betrachtungen zu schildern versucht habe.

Ich habe es mir zusammen mit meinen Geschwistern zur Aufgabe gemacht, unser traditionsreiches Haus ins zweite Jahrhundert seines Bestehens zu führen. Dabei werde ich weder sprachliche Änderungen einführen noch die Welt als Gesamtmarkt erweitern können. Vielmehr werden wir erleben, dass die Welt durch die in Gang gesetzte Entwicklung näher zusammenrückt und dass das bis heute noch vorwiegend als Schlagwort bekannte "Publishing on Demand” zur Tatsache wird. Vielleicht wird die fünfte Generation in der Person meines 1995 geborenen Sohnes Shay diese Entwicklungen in Ausmassen erleben und nutzen, die wir uns heute gar noch nicht vorstellen können.

Die genuine Aufgabe eines Verlags aber wird immer sein: Das Sammeln, Sichten, Auswählen, Verdichten und Verbreiten von Informationen in welcher Form und auf welchem Wege auch immer - kurz: Makler des Wissens zu sein.

Zum Schluss möchte ich Sie gerne einladen, unseren Stand zu besuchen, wo Sie neben weiteren Informationen zum Verlag auch etwas über die vom Verlag initiierten und zu ihm gehörenden Firmen erfahren können: die Buchhandlung Karger Libri, die 1960 gegründet, und das KargerMediaCenter, das letztes Jahr ins Leben gerufen wurde.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Quellen:

Archiv des Karger-Verlags, Basel

Schmeck HM: Karger - Turning Medical Progress Into Print. A Mirror of a

Century of Medical and Scientific Publishing. Basel, Karger, 1990.

Karger Th: Englisch als Wissenschaftssprache im Spiegel der

Publikationsgeschichte; in Kalverkämper H, Weinrich H

(Hrsg): Deutsch als Wissenschaftssprache. 25. Konstanzer

Literaturgespräch. Tübingen, Gunter Narr, 1986.


Zurück zur Tagung | Zurück zur Homepage der AgMB