Spannende Herausforderung Gender Medizin
Neben sozialen und psychologischen Unterschieden liegt der Schwerpunkt der Gender-Medizin vor allem auf den biologischen Unterschieden der Geschlechter. So ist bereits bekannt, dass Frauen im Vergleich zu Männern unter anderem aufgrund einer stärkeren Immunantwort auch stärkere Entzündungsreaktionen aufweisen. Aufgabe der Gender-Medizin ist, die notwendigen Behandlungsunterschiede zwischen Frau und Mann zu erforschen, um genderspezifische Behandlungsmethoden in die moderne Medizin einfließen zu lassen.
Augenfällig wurden zum Beispiel die Symptomunterschiede zwischen den beiden Geschlechtern bei Herzerkrankungen. So zeigt sich ein Herzinfarkt bei Frauen mitunter nicht mit den typischen Symptomen wie Druckschmerzen in der Brust, die in den linken Arm ausstrahlen, sondern kann sie auch in Schmerzen im Kiefer, im Rücken oder im Bauchraum äußern. Dadurch wird ein Herzinfarkt bei Frauen sehr leicht übersehen, das Risiko an einem Herzinfarkt zu sterben ist somit für Frauen höher als für Männer. Es wurde erkannt, dass die Unterschiede zwischen den Geschlechtern enorm sind und den gesamten Körper betreffen.
Medikamente wirken anders
Die Akzeptanz von Medikamenten ist zwischen Frau und Mann nicht selten vollkommen unterschiedlich. Beispielsweise die unterschiedliche Wirkung von manchen Antibiotika. Werden sie in gleicher Dosierung, an der gleichen Stelle am Gesäßmuskel injiziert, so liegt der Wirkstoffgehalt im Blut bei Frauen oft nur bei 60 Prozent im Vergleich zu Männern. Ursache dafür ist das fettreichere Gewebe der Frauen, das Medikament muss also anders injiziert werden.
Auch durch höhere Enzym-Aktivitäten wirken manche Medikamente bei Frauen anders als bei Männern, sie verteilen sich anders und werden schneller abgebaut. Frauen riskieren auch ein 1,7fach höheres Risiko für Medikamenten-Nebenwirkungen. Starke Opioid-Schmerzmittel etwa wirken bei Frauen zwar schneller, tragen aber ein 60 Prozent höheres Risiko als bei Männern mit sich, dass es zu Übelkeit oder Erbrechen kommt.
Gender
Der englische Begriff beschreibt die gesellschaftlich und kulturell geprägten Rollen von Männern und Frauen, die die Aufgabenbereiche und Zuständigkeiten im Alltag bestimmen. Im Unterschied dazu wird das biologische Geschlecht als Sex bezeichnet.
Gender-Medizin
Wissenschaft, Forschung, Vorsorge, Diagnose, Therapie und Arzneimittelentwicklung werden unter geschlechtsspezifischen Aspekten (Gender und Sex) betrachtet. Basis ist die Erkenntnis, dass Frauen bei Erkrankungen anders krank werden als Männer und deshalb neue Behandlungsansätze notwendig sind. Die Gender-Medizin steht auf zwei Pfeilern: 1. der biologische Unterschied mit der Anatomie, (Sexual-) Hormonen, Chromosomen, 2. die psychosozialen Faktoren, wie Kultur, Umwelt, die unterschiedlichen Lebenswelten von Frau und Mann.
Gender-Mainstreaming
Ist ein politischer Begriff, der ein auf Gleichstellung ausgerichtetes Denken und Handeln in der täglichen Arbeit beinhaltet. 1998 hat die österreichische Bundesregierung Gender-Mainstreaming als Handlungsprinzip eingeführt. Nach Artikel drei des Grundgesetzes, soll damit die Chancengleichheit von Männern und Frauen verwirklicht werden.
Univ. Prof. Dr. Siegfried Meryn
Vorstand des Institutes Besondere Einrichtung für MedizinischeAus- und Weiterbildung der MedUni Wien
Univ. Prof.in Dr.in Alexandra Kautzky-Willer
Klinik für Innere Medizin III
Endokronologie, AKH, Lehrstuhl für Gender Medizin der MedUni Wien