Der diesjährige Österreichische Hygienepreis wird an Mag. Carina Pretzer, unsere ehemalige Diplomandin am Interuniversitären Kooperationszentrum Wasser und Gesundheit (ICC Water & Health) in der Abteilung für Wasserhygiene, Arbeitsgruppe Prof. Alexander Kirschner verliehen. Die ausgezeichnete Arbeit trägt den Titel "High genetic diversity of Vibrio cholerae in the European lake Neusiedler See is associated with intensive recombination in the reed habitat and the long-distance transfer of strains” und wurde im Jänner 2017 im Top-Journal „Environmental Microbiology“ veröffentlicht*.
Unter großer internationaler Beteiligung und in Kooperation mit einem Spezialisten für Molekulare Ökologie (Prof. Andreas Farnleitner) und einer Spezialistin für molekulare Evolution (Prof. Irina Druzhinina) der TU Wien untersuchte Carina die Diversität der Vibrio cholerae Stämme im Neusiedler See. Die Vibrio cholerae Stämme im Neusiedler See gehören allesamt zur Gruppe der Nicht-Cholera Vibrionen (NCV), da sie aufgrund ihrer genetischen Ausstattung nicht in der Lage sind, Cholera auslösen zu können. Allerdings sind sie jedes Jahr für mehrere Fälle von Wund- und Ohrinfektionen bei Badegästen verantwortlich, wobei es auch bereits einmal zu einer tödlich verlaufenden Sepsis bei einem Chemotherapiepatienten gekommen ist. Zunehmende Brisanz enthält dieses Thema derzeit, da europaweit aufgrund der Klimaerwärmung und der damit verursachten Erhöhung der Gewässertemperaturen stark ansteigende Zahlen an NCV Infektionen in Badegewässern berichtet werden. In der Studie konnte nun gezeigt werden, dass im Neusiedler See eine hoch diverse Population unterschiedlicher V. cholerae Stämme vorkommt, die im Schilfgürtel des Sees eine besonders reiche genetische Diversität besitzt. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Neusiedler See aufgrund seiner besonderen chemischen Beschaffenheit (leicht salin, hoher pH Wert, hohe Nährstoffkonzentrationen, hohe Temperaturen) einen Hot-spot des V. cholerae Vorkommens in Mitteleuropa darstellt. Durch Vergleiche mit Stämmen aus mehreren europäischen Ländern zeigte sich, dass diese hohe Diversität einerseits auf die Präsenz einer sich endemisch durch intensive Rekombinationsvorgänge entwickelnden V. cholerae Population zurückzuführen ist, andererseits aber auch auf den Eintrag von Stämmen aus den verschiedensten europäischen Ländern. Im konkreten Fall konnte nachgewiesen werden, dass Stämme aus Schweden, den Niederlanden, Frankreich und Rumänien eine hohe genetische Verwandtschaft mit den einheimischen Stämmen besitzen, welche nur durch den Transport zwischen den verschiedenen europäischen Gewässern zu erklären ist. Aufgrund der Tatsache, dass der Neusieder See - und insbesondere der Schilfgürtel - ein bedeutendes Habitat für eine große Anzahl von Zugvögeln ist, kann davon ausgegangen werden, dass diese beim Transport von Vibrio cholerae zwischen den Ländern eine bedeutende Rolle spielen. Die Studie deckt somit erstmals die wesentlichsten Mechanismen für die Verbreitung und Evolution dieser immer häufiger auftretenden Krankheitserreger im europäischen Kontext und dem Hintergrund des Klimawandels auf. Die Studie wurde vom FWF (Projektnummer P21625-B20) finanziert.
*Pretzer C, Druzhinina IS, Amaro C, Benediktsdóttir E, Hedenström I, Hervio-Heath D, Huhulescu S, Schets FM, Farnleitner AH, Kirschner AKT (2017) High genetic diversity of Vibrio cholerae in the European lake Neusiedler See is associated with intensive recombination in the reed habitat and the long-distance transfer of strains. Environmental Microbiology 19(1): 328-344
15.05.2017
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