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Events

18. October 2018
16:00 PM - 18:00 PM

Hörsaalzentrum der MedUni Wien im AKH
Wien, Hörsaal 5.

1. Einheit:
Epidemiologie des Suizids, Terminologie, Internationaler Vergleich
Nestor Kapusta, Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie, MedUni Wien
Leiter des Zertifikatskurses Krisenintervention und Suizidprävention

Die Epidemiologie des Suizids beschäftigt sich mit den Häufigkeiten und Risikofaktoren für Suizid, aber auch mit suizidprotektiven Aspekten und dient der allgemeinen Beantwortung der Frage nach den Ursachen für einen Suizid. Obwohl die Ursachen für einen Suizid interindividuell sehr unterschiedlich sein können oder auf zum Teil unterschiedlichen Ursachenkomplexen beruhen, folgen Suizidversuche und Suizide keinem bloßen erratischen Muster, sondern tragen einige wesentliche (international gültige) Merkmale die zur Früherkennung und Prävention von Suiziden genutzt werden können. Eng an die Suche nach ätiologischen Faktoren geknüpft, ist die Frage nach der genauen terminologischen Unterscheidung suizidverwandter Phänomene, welche letztlich aufgrund unterschiedlicher Ursachen und Mechanismen auch über die Wahl der Behandlung entscheiden.

Christliche Seelsorge am AKH:
Ernestine Radlmair-Mischling, Teamleiterin der katholischen Seelsorge und Pastoralassistentin

„Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen; gelobt sei der Name des Herrn.“ Dieser Vers aus dem Buch Hiob (Hi 1,21), der sich zuweilen auf Partezetteln findet, ist eine Kurzfassung des christlichen Glaubens, dass Gott der Schöpfer allen Lebens und damit auch der Souverän über Leben und Tod ist.
Christliche Seelsorge bewegt sich somit im Spannungsfeld zwischen der Forderung, alles aus Gottes Hand anzunehmen und dem glaubhaften Zeugnis für einen Gott, der in allen Notlagen auf der Seite der Leidenden steht. Darin zeigt sich eine Parallele zur Terminologie: sehe ich mehr die aggressive Tat eines Selbstmörders oder die Not eines Suizidanten und seiner Angehörigen?
Im mündlichen Beitrag wird auch auf die Unterschiede zwischen den Positionen der einzelnen Kirchen eingegangen.

Otto Pichlhöfer, Buddhistische Seelsorge:
Aus buddhistischer Sicht wird das Leben an sich und im Besonderen die menschliche Existenz als grundsätzlich wertvoll erachtet. Selbstverletzung und Suizid sind Ausdruck einer Ablehnung des grundlegend Guten in jeder Person mit unmittelbarer Auswirkung auf sie selbst und ihre weitere Umgebung. Das Kultivieren von Freundlichkeit und Mitgefühl kann ein Weg aus der Einengung des Selbsthasses sein.

Die jüdische Sicht auf den Suizid - Willy Weisz, Jüdische Seelsorge
Gott hat dem Menschen den Körper als Leihgabe übergeben. Daher hat Letzterer die Verpflichtung, seinen Körper pfleglich zu behandeln und ihn zur einer nicht von ihm selbst vorbestimmten Zeit in bestmöglichem Zustand wieder - im Grab - zurückzugeben. Mord, einschließlich Selbstmord, widerspricht dieser Aufgabe, und der Suizid wird strenger verurteilt als der Mord. Deshalb werden Selbstmörder abseits und in Abstand zu den Anderen begraben. In unterschiedlicher Strenge werden sogar Angehörige angehalten, die Trauerrituale zu unterlassen oder zumindest einzuschränken. Da nur die vorsätzliche Selbsttötung (auch die unterstützte) eines voll handlungsfähigen Menschen im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte als Selbstmord qualifiziert wird, haben Rabbiner immer versucht, Umstände zu finden, die die Qualifikation als Selbstmord ausschließen, in erster Linie aus Empathie für die Angehörigen. Wenn ein Selbstmörder möglicherweise gerettet oder ins Leben zurückgerufen werden kann, ist es Pflicht seiner Umgebung, dies zu versuchen.
- Ein länglicher Abstract der noch viel ausführlicheren, teilweise widersprüchlichen intra-jüdischen Diskussionen zu einem Thema, das seit Jahrhunderten unsere Gelehrten beschäftigt hat und auch heute noch beschäftigt. -

Islamische Sichtweise zum Thema Suizid – Zeynep Elibol
Der Mensch kommt nach islamischer Sicht aus der Urewigkeit und reist nach der Station Erde in die Urewigkeit. Die Arwah, die Lebensgeister, wurden in einer Dimension zeitgleich erschaffen und werden durch die Entwicklung der Schwangerschaft gekleidet. Sie bekommen einen Körper, um auf der Erde weilen zu können. Dieser Körper ist eine Amanah. Also etwas Anvertrautes.
Dem Menschen werden Zeit, sein Körper und die Gesundheit anvertraut. Alle diese Elemente werden unterschiedlichen Prüfungen unterzogen. Der Körper gehört nicht ihm. Er gehört seinem Schöpfer. Ihm ist auch das Nafs, das Ego bzw. die Triebseele anvertraut. Dieser soll beherrscht werden. Das spirituelle Herz ist ihm auch anvertraut. Es soll gepflegt werden. Gott ist der Einzige, der Leben schenkt und nimmt.  Dieses Leben ist uns anvertraut und steht in einer starken Beziehung zu Gott. Das Herz, der Geist, der Körper und die Triebseele möchten zu Gott. Der Geist sehnt sich nach Gott. Diese Sehnsucht ist bewusst oder unbewusst. Sie kann von Faktoren wie Liebe, Kummer oder Depressionen beeinflusst werden.
Suizid ist ein Vertrauensbruch in dieser Beziehung. Denn Gott möchte. dass wir leben und Ihm vertrauen. Er bestimmt wann wir zu Ihm heimkehren. Die Ursache darf nicht von uns bestimmt sein und die Prüfung, die Arbeit an der Beziehung abgebrochen werden.
Vor bis zu 60 Jahren und zum Teil heute noch werden Menschen, die Suizid begangen haben, nicht wie alle anderen bestattet. Das Totengebet wurde oder wird nicht verrichtet. Diese Praxis hat sich stark verändert. Da der Mensch durch eine psychische Beeinträchtigung bzw. Krankheit auch Suizid begehen kann und in diesem Fall entschuldigt wäre, kann man nicht davon ausgehen, dass er bewusst Suizid begangen hat. Gott allein weiß, was in ihm vorgeht. Laut den islamischen Quellen ist nicht nur das Paradies, sondern auch der Geruch des Paradieses den Selbstmördern verwehrt. Das könnte man über die Selbstmordattentäter sagen, die nicht nur Selbstmord, sondern auch Mord an anderen begehen. Menschen, die aus einer Krise aus Selbstmord begehen und es nicht vorab planen, gehören nicht in diese Kategorie.
Wir wissen nicht wirklich, was in ihnen vorgeht, was sie so plagt. Aus diesem Grund werden sie genau so bestattet wie jeder andere Muslim und auch betrauert mit der Hoffnung, dass ihnen verziehen wird.
Die Familien werden auch stärker unterstützt, da der Schmerz groß ist. Sie beschäftigen sich mit der Frage, warum denn der Mensch sich das Leben genommen hat, und leiden unter einem schlechten Gewissen. Sie geben sich die Schuld, nicht früher reagiert zu haben.
Sie müssen lernen mit dieser Situation und mit all ihren unbeantworteten Fragen zu leben. Ein bewusst geplanter Suizid ist Mord und Verrat an der Beziehung zum Schöpfer und am Leben. Ein unbewusster Selbstmord aus einer unbeherrschten Krise heraus wird als Ausnahme gesehen und nicht als Verrat am Leben, das uns anvertraut wurde.

 

Am 9. November 2018 beginnt an der MedUni Wien ein neuer Zertifikatskurs für Krisenintervention und Suizidprävention.

 

Weitere Informationen zur Seminarreihe