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Krebsforschung profitiert von Big Data

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(Wien, 20-02-2019) Eine Forschungsgruppe der MedUni Wien erforscht die Prozesse der „synthetischen Letalität“ von Zellen, um neue Ansätze für Krebstherapien zu entwickeln.

Zellen in gesundem Gewebe sind darauf programmiert sich zu teilen, zu replizieren und am Ende in den natürlichen Zelltod überzugehen (Apoptose). All dies basiert auf verschiedenen Genregulationen und Reparaturmechanismen. Bestimmte Mutationen in Tumorzellen beeinträchtigen die Apoptose und erlauben es ihnen unkontrolliert zu wachsen.

Ein besonders gut untersuchtes Beispiel hierfür sind die BRCA 1/2 Gene, die die Tumorentstehung in der Brust unterdrücken und funktionell an der Reparatur von Doppelstrangbrüchen der DNA beteiligt sind. Zellen mit mutierten BRCA1/2 Genen müssen andere Mechanismen benützen, um eine exakte DNA-Reparatur, Zellteilung und Replikation zu garantieren. Ein solcher alternativer Mechanismus basiert auf Poly(ADP-ribose) polymerase (PARP) Proteinen. Basierend auf Experimenten in der Fruchtfliege aus den 1940er Jahren konnten Wissenschafter herausfinden, dass, wenn in einer Zelle mit BRCA1/2 Mutation zusätzlich der PARP-Signalpfad beeinträchtigt wird, sie in Apoptose geht. Dagegen führt die Hemmung der PARP-Proteine in normalem Gewebe zu keinem Zelltod. „Wir nennen dieses Zusammenspiel der Gene Synthetische Letalität“, erklärt  Michael Krainer von der Universitätsklinik für Innere Medizin I an der Medizinischen Universität/Allgemeines Krankenhaus Wien.

In den vergangenen Jahren haben WissenschafterInnen PARP-inhibitierende Substanzen entwickelt, um den BRCA1/2 und PARP Signalpfad der Synthetischen Letalität dazu auszunützen, nicht nur selektiv Brustkrebszellen, sondern auch andere Tumorarten zu bekämpfen. Zum Beispiel wurden beim Prostatakarzinom Mutationen in BRCA oder anderen Proteinen der Doppelstrangreparatur-Maschinerie benützt, um verschiedene individualisierte und gezielte Therapien zu entwickeln. Krainer ist an der Entwicklung auf diesem Gebiet seit langem beteiligt - beginnend mit der ersten Untersuchung der Häufigkeit von BRCA Mutationen in der Allgemeinbevölkerung in den 1990er Jahren bis zu seiner Rolle als Principal Investigator in internationalen klinischen Studien zur Testung verschiedener PARP-Inhibitoren beim Prostatakarzinom heute. „Ganz allgemein sind PARP-Inhibitoren wesentlich besser verträglich als Chemotherapie“, sagt Krainer.   

Über die vergangenen Jahrzehnte haben WissenschafterInnen genetische Experimente in Bäckerhefe benützt, um neue synthetisch letale Genkombinationen zu finden, und diese in öffentlichen Datenbanken publiziert. „Die Fortschritte des Machine Learnings und der Netzwerkbiologie (In-silico Methoden) ermöglichen basierend auf der Homologie des Hefegenoms zum menschlichen Genom neue Nutzungsmöglichkeiten dieser Datenbanken, dies kann klare Vorgaben für eine möglichst effiziente experimentelle Testung im Labor vorbereiten“, sagt Krainer.

Beginnend im November 2018 hat Krainers multidisziplinäre Krebsforschungsgruppe spannende Resultate publiziert und ein neues Feld der Systembiologie, konzipiert um synthetische Letalität, eröffnet. In Zusammenarbeit mit dem Wiener Computerbiologie-Unternehmen Emergentec Biodevelopment GmbH, zeigte ein Computerworkflow, eingebettet in die sogenannte „e-valuation“-Technologie, wie Künstliche Intelligenz kombiniert mit in- vitro Hefe-Experimenten dazu benützt werden kann, um die Effektivität bekannter Brustkrebsbehandlungen zu verifizieren und neue potenzielle Medikamentenkombinationen, die selektiv in Tumorzellen zum Zelltod führen, zu entwickeln. „Informationen über genetische Targets in der Hefe werden auf das humane Genom übertragen und auf mögliche synthetisch letale Interaktionen untersucht. Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten, nicht nur für die Krebstherapie, sondern auch methodisch in der in-silico Biologie’, sagt Maximillian Marhold, Erstautor der Studie. Aktuelle publizierte die Arbeitsgruppe ähnliche Ergebnisse beim Eierstockkrebs. „Big-Data-Analysen versprechen die kostengünstige Entwicklung höchst zielgerichteter Medikamentenkombinationen mit geringen Nebenwirkungen, nicht nur bei Brust und Eierstockkrebs, sondern auch bei anderen Tumorarten’.

Original Publications:
Marhold M, Tomasich E, Schwarz M, Udovica S, Heinzel A, Mayer P, Horak P, Perco P, Krainer M (2018). Synthetic lethal combinations of low-toxicity drugs for breast
cancer identified in silico by genetic screens in yeast - – Oncotarget - 9(91):36379-36391.

Heinzel, A., Marhold, M., Mayer, P., Schwarz, M., Tomasich E., Lukas, A., Krainer, M., Perco, P. (2019). Synthetic Lethality guiding selection of drug combinations in ovarian cancer – PLOS-One. Doi: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0210859