Skip to main content English

Forschungsprojekt zu NS-Opfern weitet Untersuchungen aus

MedUni Wien maßgeblich beteiligt
Alle News

(Wien, 24-02-2020) Das von der Max-Planck-Gesellschaft geförderte und unter anderem an der MedUni Wien angesiedelte Forschungsprojekt zur wissenschaftlichen Verwendung sterblicher Überreste von NS-Opfern in Instituten der Kaiser-Wilhelm- bzw. der Max-Planck-Gesellschaft hat eine Zwischenbilanz vorgelegt: Die Gesamtzahl der für neuropathologische Forschungen verwendeten Opfer ist weit höher als bisher angenommen; neue Funde erfordern zudem eine Ausweitung der Recherchen auf das Neurologische Institut (Edinger Institut) der Goethe-Universität Frankfurt.

Neue Funde in Frankfurt am Main
Das Edinger Institut war von 1962 bis 1982 eng mit dem Max-Planck-Institut für Hirnforschung verbunden, was zu einer teilweisen Verschmelzung von Sammlungsbeständen und Unterlagen geführt hat – wie sich herausstellt, betrifft das auch Präparate und Dokumente aus der NS-Zeit. So konnte der britische Medizinhistoriker Paul Weindling zwei vorhandene Gehirnpräparate in der sogenannten Schausammlung des Edinger Instituts Personen zuzuordnen, die als polnische Staatsbürger jüdischen Glaubens unter der deutschen Besatzung in Warschau ums Leben gekommen waren.

Durch einen Abgleich mit den im Teilprojekt der MedUni Wien erhobenen Daten konnten weitere Verdachtsfälle identifiziert werden – darunter eine Person, die als Opfer der „Aktion T4“ in der Vernichtungsanstalt Bernburg in der Gaskammer getötet wurden. Die Universität Frankfurt hat bereits im Dezember 2019 erste Unterlagen für die Untersuchung durch das Forschungsprojekt zugänglich gemacht; in nächster Zeit sollen auch die verdächtigen Humanpräparaten und weiteren Unterlagen aus dem Edinger Institut für die Forschungen zur Verfügung gestellt werden.

Hintergrund
Das Projekt (vollständiger Titel: „Hirnforschung an Instituten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Kontext nationalsozialistischer Unrechtstaten: Hirnpräparate in Instituten der Max-Planck-Gesellschaft und die Identifizierung der Opfer“) wurde im Juli 2017 gestartet und wird über eine Laufzeit von 40 Monaten von der Max-Planck-Gesellschaft mit 1,5 Millionen Euro gefördert. Es wird geleitet von Gerrit Hohendorf (Technische Universität München), Paul Weindling (Oxford Brookes University/Leopoldina) und Herwig Czech (Medizinische Universität Wien, in Kooperation mit der Berliner Charité); mit dem Projekt assoziiert sind zudem Volker Roelcke (Universität Gießen) und Patricia Heberer-Rice (US Holocaust Memorial Museum). Die Beteiligung der MedUni Wien erfolgt über die Organisationseinheit Ethik, Sammlungen und Geschichte der Medizin im Josephinum.

Ziel des Forschungsprojekts ist es, diejenigen Menschen, die als NS-Opfer anzusehen sind und an deren Gehirnen WissenschafterInnen der Kaiser-Wilhelm- bzw. der Max-Planck-Gesellschaft während und nach dem Zweiten Weltkrieg geforscht haben, namentlich zu identifizieren und zu dokumentieren. Weiters werden die Forschungsnetzwerke neuropathologischer Forschung (an NS-Opfern) vor und während des Krieges rekonstruiert und untersucht, welche Publikationen auf der Basis der Forschung an NS-Opfern entstanden sind. Nach derzeitigem Stand ist von einer Gesamtzahl von 1.800 bis 2.400 NS-Opfern auszugehen. Die überwiegende Mehrzahl waren Opfer der nationalsozialistischen Krankentötungen („Euthanasie“); es wurden aber auch Gehirne von jüdischen Opfern der Besatzungsherrschaft in Polen, von Hingerichteten der NS-Justiz, von Alliierten Kriegsgefangenen sowie von KZ-Häftlingen verwendet.

 

zur Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft: Link