Skip to main content Deutsch

[in German:] Prominenten-Suizid: Medien-Coverage hat Nachahme-Effekt

Wiener WissenschafterInnen analysierten Studien – Eindeutiger Anstieg nach sensationsträchtiger Berichterstattung.

[in German:] (Wien, 14-01-2013) „Super-Stories“ für den Boulevard: Der Suizid von Prominenten. Doch die große Medien-Coverage führt zu Nachahme-Effekten. Das hat jetzt ein Autorenteam unter Thomas Niederkrotenthaler von der Abteilung für Public Health der MedUni Wien im Rahmen der Analyse der vorhandenen wissenschaftlichen Literatur zu dem Thema festgestellt. Die Auswirkung kann in einem Staat innerhalb eines Monats auch Dutzende zusätzliche Tote bedeuten.

"Und das obwohl Krisen, auch solche in denen Suizidgedanken eine Rolle spielen, erfolgreich bewältigt werden können, und entsprechende Hilfsangebote zur Unterstützung wirksam und verfügbar sind", so Niederkrotenthaler gegenüber der APA.

Was in Familien oft als Tabuthema behandelt wird, lässt im Fall des Falles – vielleicht gerade deshalb – die Medienaktivitäten jedoch ausschlagen: Suizide, gerade jene von Promis. Der international bekannte Fußballer, der Popsänger, der TV-Entertainer – es gibt immer wieder Beispiele. Titelseiten-Coverage etc. scheinen dann "gesichert".

Der Verdacht: Kann schon inadäquate Berichterstattung über Selbsttötungen bei sonst Unbekannten zu dem berüchtigten "Werther"-Effekt (Nachahmesuizid) führen, so ist das noch viel eher der Fall, wenn Prominente sich das Leben nehmen. "Dabei gibt es auch bei Prominenten so viele Beispiele von bewältigten Krisen und erfolgreich angenommener Hilfe", sagte der Wiener Experte.

"Man erklärt das am häufigsten mit sozialem Lernen. Vulnerable Personen – zum Beispiel Menschen, die sich in einer akuten psychosozialen Krise befinden – können sozusagen von Medien 'lernen', dass Krisen bewältigbar sind, wenn berichtet wird, wie man das tun kann - oder es kann auch der falsche Eindruck vermittelt werden, dass Suizid eine akzeptable Lösung persönlicher Probleme ist, wenn solche Fälle sensationsträchtig dargestellt werden", erklärte Niederkrotenthaler, der sich seit Jahren mit Themen der Suizidprävention auseinandersetzt, zu den Mechanismen.

Schon in den 1980er-Jahren konnten Wiener Experten nachweisen, dass die damals von den österreichischen Medien auf Bitte von den Wiener Linien erfolgte Reduktion der Berichterstattung über Suizide in der U-Bahn zu einem deutlichen Rückgang der Fälle führte. Aber: Die Verlockung, gerade bei Prominentensuizid zu berichten, ist natürlich groß.

Der Wissenschafter und die Co-Autoren der Studie, die vor wenigen Tagen im "Journal of Epidemiology & Community Health" erschienen ist, analysierten insgesamt zehn wissenschaftliche Untersuchungen zu dem Thema. "Es waren alle themenbezogenen publizierten wissenschaftlichen Untersuchungen seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Insgesamt wurde darin die Auswirkung der Berichterstattung nach 98 Selbsttötungen von Prominenten auf die Suizidraten untersucht", erklärte der Forscher. In der nunmehrigen Meta-Analyse wurde versucht, eine generelle Aussage zu treffen.

Das Ergebnis, so Niederkrotenthaler: "Insgesamt kann man davon ausgehen, dass nach dem Suizid eines Prominenten die Häufigkeit von Selbsttötungen (in der Bevölkerung, die das Geschehen verfolgt hat, Anm.) im Monat danach um 0,26 Fälle pro 100.000 Einwohner steigt. In Österreich wären das im Fall des Falles bei ca. acht Millionen Einwohnern ca. 20 zusätzliche Tote." In Österreich werden pro Jahr rund 1.200 Suizide registriert, diese Zahl nimmt bereits seit Mitte der 1980er Jahre ständig und deutlich ab.