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Frauenwege

Titel: O. Univ.-Prof.in Dr.in
ermer. Professorin für Tiefenpsychologie und Psychotherapie

 

Warum haben Sie sich für eine wissenschaftliche Karriere entschieden?
Keine punktuelle Entscheidung, sondern eher ein Prozess: die absolute Unzulänglichkeit von den Konzepten der "Klinischen Psychiatrie" für das Verständnis und den Umgang mit psychiatrischen Patienten hat mich in einem ersten Schritt bewogen, eine Lehranalyse zu machen; das 'analytische Denken' fördert die Neugier allgemein.
Einen weiteren Entscheidungsanstoß gab es über einen Wechsel von der Klinik für Psychiatrie an das damalige Institut für Tiefenpsychologie und Psychotherapie: über eine Einladung von Prof. Strotzka. Mit der Gründung der Psychosomatischen Ambulanz an der damaligen Frauenklinik habe ich mir eine innovative 'Forschungsnische' eröffnet: mich wissenschaftlich mit dem Thema 'Weibliche Psychosomatik, Psychosexualität der Frau und Psychoanalytischen Kurzpsychotherapien' zu befassen.

 

Wie verlief Ihr wissenschaftlicher Weg?
Die Antwort ist schwer von meiner Antwort auf Punkt 1. abzugrenzen.
Ergänzung: Förderung durch Prof. Dr. Hans Strotzka, dem Leiter der Klinik und vorherigem Instituts für Tiefenpsychologie; während der Schwangerschaft und eher kurzen Karenz, war es möglich die Daten für die Habilitationsschrift auszuwerten und die Schrift zu verfassen.
Nach der Dozentur war die wichtigste Anregung der Aufenthalt an der Cornell-University bei Prof. Dr. Otto Kernberg, wo Einblick in eine psychoanalytisch geführte klinische Abteilung für Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung gewonnen werden konnte und auch der Grundstein für spätere Kooperationen der Klinik und anderer Mitarbeiter gelegt werden konnte. Der Weg verlief also eher kontinuierlich. Es gab keine Brüche.

 

Was sind Ihre Stärken und wie konnten Sie diese für Ihre Karriere nutzen?
Es gibt keine eklatanten Widersprüche in meinem Wertesystem. Ich bemühe mich um einen sachlichen Kommunikationsstil auf Basis eines eher 'gesunden' Beziehungsstils. Das bedeutet auch, dass mir die Möglichkeit zur Verfügung steht, mit Hilfe zu organisieren für die Bereiche, in denen ich Hilfe benötige. Eine der wichtigsten Lernerfahrungen betreffend Umgang mit Institutionen, Sitzungsprocedere, Gruppendynamik, etc., war meine Tätigkeit in einer internationalen Organisation der International Planned Parenthood Federation (IPPF) für die ich im Governing Council als eine der 4 Vertreter der europäischen Region über viele Jahre tätig war. Dort lernte man auch Meetings führen und organisationssoziologisches Basiswissen.

 

Was sind Ihre wichtigsten Ressourcen gewesen, um Karriere machen zu können?

  • eine immer berufstätige Mutter, die daneben noch das Aquarellieren pflegte und daher Haushalt u. ä. niemals überbewertete einen Vater, der mich - so gut es ging - förderte.
  • eine Mittelschuldirektorin, die durch Ihren Lebensstil indirekt vermittelte, dass auch Frauen alleine, nicht als 'Anhang' an einen Mann, Positionen erreichen können.
  • das Absolvieren einer Lehranalyse
  • mein Mann, der durch seine Qualitäten, Weisheit, Humor, Intelligenz, Wissen und künstlerische Begabung einmalig und unterstützend ist
  • ein geliebtes Kind, das immer verstanden hat, dass es nun mal diese Eltern mit diesen Berufen hat und mit diesen Eltern leben muss; andererseits aber auch wusste, dass es keine gleichzeitigen Abwesenheiten beider Eltern gibt (keine Urlaube ohne Kind)
  • last but not least die gute Verankerung in einer internationalen Organisation, einer 'Humanitarian Organisation' (IPPF), von der bestimmte Fähigkeiten und Skills bezogen wurden.

 

Was war Ihr größter Misserfolg und was haben Sie daraus gelernt?
Meine erste Bewerbung um das Ordinariat habe ich nicht wirklich ernst genommen, da es auch einen Konsens an der Klinik gab, wir uns für eine bestimmte Persönlichkeit gemeinsam als neuen Leiter entscheiden konnten und meine Nichtreihung daher eine geringfügige narzisstische Kränkung war.
Das, was ich als Misserfolg, als persönliches Versagen werte, war, Anzeichen nicht genügend ernst zu nehmen, dass nach der 2. Ausschreibung einige Herren der psychiatrischen Klinik es absolut ernst meinten, die Klinik für Tiefenpsychologie und Psychotherapie der Psychiatrie einzuverleiben; auf welche Weise auch immer.
Einen mediokren deutschen Familientherapeuten daher 'Primo et unico loco' zu reihen, war für mich ein subjektiv großer, kränkender Misserfolg. Daraus gelernt habe ich meiner 'gesunden Paranoia' mehr zu trauen, gewisse Signale rechtzeitig wahrzunehmen.

 

War es für Ihren Karriereverlauf hinderlich, eine Frau zu sein?
Möglicherweise hat das eine Rolle gespielt, dass bei der 2. Bewerbung ein Mann Primo et unico loco gereiht wurde. Sonst fällt es mir schwer wirkliche Hindernisse nennen zu können.
Prof. Stotzka hat mich zu seiner offiziellen Vertreterin bestellt, obwohl ein älterer ebenfalls habilitierter Kollege an der Klinik war. Kleine Stolpersteine, widerliche Bemerkungen sexistischer Art gab es außerhalb der Klinik; diese konnten die Karriere nicht hindern.

 

Falls Sie Kinder haben: Was ist bzw. war an Unterstützung besonders hilfreich?

  • die Möglichkeit einer flexiblen Arbeitszeit, inoffiziell, durch Herrn Prof. Stotzka, nachdem ich nur ein 3/4 Jahr in Karenz war.
  • die Möglichkeit finanziell eine Kinderfrau und eine Putzfrau zu haben
  • familiäre Unterstützung für die Kinderbetreuung: meine Mutter, meine Schwiegermutter und Schwägerin
  • ein sehr guter Privatkindergarten am Weg zur Arbeitsstätte meines Mannes, der daher meistens die kleine Tochter in diesen Kindergarten brachte
  • die Kooperation zwischen Schule und Kindergarten derart, dass von der Volksschule eine Mutter mehrere Kinder in den Hort, den dieser Kindergarten auch betrieb, begleitete
  • die Tatsache, dass es an der Klinik für Tiefenpsychologie und Psychotherapie keine Bettenstation und somit keine Nachtdienste gab/gibt!

 

Welchen Ausgleich suchen Sie in Ihrer Freizeit?
Mein Privatleben ist der Ausgleich: am Wochenende - sonntags meistens - koche ich für die Familie, das macht mir Spaß, besuche Ausstellungen, Kino, viel intellektueller und affektiver Austausch mit meinem Mann, mit Freunden. Ich betreibe keinen Sport. Wichtig sind fast 4 Wochen Sommerurlaub an einem vertrauten Ort am Meer.

 

Tipps und Tricks
Wissen updaten, Papiere vor den Sitzungen lesen, Kommunikationsstil pflegen, ist ganz besonders wichtig; jeden Brief beantworten. Nach einer Stärken-Schwächen-Analyse der eigenen Person klare Prioritäten setzen. Ausführliche Karrieregespräche mit MitarbeiterInnen führen, sich für die Arbeit anderer interessieren, Netzwerke knüpfen, (das habe ich zu spät gelernt); Unterstützungen suchen. Eigentlich gibt es keine Tipps und Tricks. Ich denke, der individuelle Stil und ein maximales Wissen die eigene Person betreffende Reaktionen und versteckte Wünsche etc. zu kennen (über eine Lehranalyse) sind etwas unglaublich Hilfreiches.