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Titel:Univ.-Lekt.in OÄ Dr.in
leitet den Universitätslehrgang Transkulturelle Medizin und Diversity Care, hat mehrere Projektfinanzierungen vom Bürgermeisterfonds der
Stadt Wien erhalten.

Warum haben Sie sich für eine akademische Karriere entschieden? Was waren da die Gründe?
Schon im Laufe meines Studiums sind immer wieder wissenschaftliche Fragestellungen aufgetaucht, die ich erforschen wollte. Deshalb habe ich begonnen während meines Studiums zu diesen wissenschaftlichen Fragestellungen in unterschiedlichen Bereichen zu arbeiten. Dann habe ich während meines Studiums an mehreren Kliniken in Deutschland, England, Frankreich und Österreich Praktika gemacht, um Erfahrungen zu sammeln. Diese Zeiten im Ausland waren sehr hilfreich zu entscheiden, wo ich meine Ausbildung und meine wissenschaftliche Karriere weiter führen möchte. Ich habe mich dann entschieden an der Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters in Wien meine Facharztausbildung und meine wissenschaftliche Karriere zu beginnen, da mein damaliger Chef, Professor Max Friedrich, gerade in dieser Zeit in einem für mich sehr interessanten Bereich, nämlich der forensischen Psychiatrie, geforscht hat und an den Guidelines für Diagnostik und Therapie der Kinder mit Missbrauchs- und Misshandlungserfahrungen gearbeitet hat. Weitere Themen waren Enttabuisierung dieses Themas und Sensibilisierung der Gesellschaft zu diesem Thema, um sexualisierte und physische Gewalt an Kindern zu reduzieren. Wir haben dann gemeinsam zum Thema „Die Gründe, die Mütter daran hindern, die sexualisierte und physische Gewalt an den eigenen Kindern rechtzeitig wahrzunehmen“, eine von der UNICEF finanzierte Studie an unserer Klinik durchgeführt.


Warum haben Sie sich für eine akademische Karriere entschieden? Was waren da die Gründe?

Im Laufe meiner Facharztausbildung erweiterten sich meine wissenschaftlichen Schwerpunkte auf Transkulturelle Psychiatrie und migrationsbedingte Störungen im Kindes- und Jugendalter, Trauma und Trauma-Folgestörungen, ADHS, Suizid sowie transkulturelle Risiko- und Resilienzfaktoren bei autoaggressivem Verhalten im Kindes- u. Jugendalter. Die Abteilung Gesundheitsplanung der Stadt Wien hat meine Studie zum Thema „Schwierigkeiten in der Behandlung von MigrantInnen-Kindern und deren Familien“ im Rahmen des Modellprojektes „Ambulanz für Transkulturelle Psychiatrie und migrationsbedingte Störungen im Kindes und Jugendalter“ an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie finanziert. Ich bin die Gründerin und seit 20 Jahren auch die Leiterin der „Ambulanz für Transkulturelle Psychiatrie und migrationsbedingte Störungen im Kindes und Jugendalter“, welche die einzige derartige Spezialambulanz sowohl in Österreich als auch im deutschsprachigen Raum ist, die Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine sprach- und kultursensible Diagnostik, Betreuung und Behandlung anbietet.

Zwei meiner wissenschaftlichen Folgeprojekte zu Risiko- und Resilienzfaktoren wurden vom Medizinisch-Wissenschaftlichen Fonds des Bürgermeisters der Stadt Wien finanziert. Für diese Multicenter-Studien kooperierten wir mit der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Medizinischen Fakultät Cerrahpasa, der Universität Istanbul, Türkei und mit der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters an der Charité Berlin. Im Rahmen dieser Kooperation haben meine wissenschaftliche Mitarbeiterin Fr. Mag.a Zeliha Özlü-Erkilic und ich einige Monate an diesen beiden Kliniken verbracht, um die Daten von drei Zentren zu analysieren und zu vergleichen.

Diese Forschungsaufenthalte waren sehr bereichernd und hilfreich um die unterschiedlichen Arbeits- und Umgangsweisen zu gleichen Themen in unterschiedlichen Ländern kennen zu lernen. Von diesen Forschungsaufenthalten bin ich sehr stolz zurückgekommen, stolz auf meine Klinik und die Medizinische Universität Wien, bezüglich des Umgangs mit Diversität-Management und Betreuung der Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen. In vielen Bereichen wurden an meiner Klinik und an der MedUni Wien im Vergleich zu anderen Städten große Fortschritte in Bezug auf interkulturelle Kompetenzen und Diversitäts-Management erzielt. 
 

Wie verlief Ihr akademischer Weg?

Ich habe schon während des Studiums angefangen im Bereich der forensischen Psychiatrie an der medizinischen Fakultät der Marmara Universität in Istanbul, wo ich mein Medizinstudium abgeschlossen habe, zu forschen.

Meine wissenschaftliche Tätigkeit wollte ich in Wien weiterführen. Einer von den wichtigen Gründen, warum ich nach Wien gekommen bin, war, dass Wien immer schon eine wichtige Rolle in der Psychiatrie und der Gründung von psychotherapeutischen Schulen im wissenschaftlichen Bereich gespielt hat. Viele wichtige Persönlichkeiten haben in Wien in diesen Bereichen geforscht. Deshalb wollte ich in Wien nicht nur wissenschaftlich arbeiten, sondern auch meine Facharzt- und Psychotherapieausbildung machen.

Da ich selber einen Migrationshintergrund habe und das Medizinstudium auf Englisch unterrichtet wurde, konnte ich Kurdisch, Türkisch, Englisch und Deutsch, was mir die Kommunikation mit vielen PatientInnen sehr erleichtert hat.

Während meiner Arbeit habe ich die Erfahrung gemacht, dass Menschen mit Migrationshintergrund oft ganz andere Krankheits- und Gesundheitskonzepte haben. Dies hat dazu geführt, dass ich an meiner Klinik mit finanzieller Unterstützung der Abteilung für Gesundheitsplanung der Stadt Wien, das Konzept für die Ambulanz für Transkulturelle Psychiatrie und migrationsbedingte Störungen im Kindes- und Jugendalter entwickelt bzw. diese dann auch gegründet habe. Im Rahmen dieser Ambulanz haben wir ein Psycho-Edukationsprogramm für Eltern mit Migrationshintergrund in unterschiedlichen Sprachen entwickelt, das von verschiedenen Einrichtungen in Österreich übernommen wurde. Für das Fachpersonal im Gesundheitsbereich haben wir ein „Transcultural Mental Health Training Programme“ durchgeführt. Gleichzeitig haben wir transkulturelle Aspekte in der Diagnose, in der Therapie und in Krankheits- und Gesundheitskonzepten, sowie in der Prävention erforscht.

Unsere Erfahrungen dabei führten zur Entwicklung des Curriculums für den Universitätslehrgang für Transkulturelle Medizin und Diversity Care, gemeinsam mit einer Kollegin aus der Public Health, Frau Doktorin Christine Binder-Fritz. Dieser Lehrgang hat zum ersten Mal im Oktober 2015 mit 19 TeilnehmerInnen aus unterschiedlichsten Fachrichtungen des Gesundheitswesens gestartet.

Unser Universitätslehrgang für Transkulturelle Medizin und Diversity Care ist weltweit der erste Lehrgang überhaupt, der in diesem Umfang so fundiertes und praxisnahes Wissen in diesem Bereich lehrt. Auch können wir im Rahmen der Masterarbeiten zur weiteren Forschung im Bereich der Transkulturellen Medizin und Diversity Care beitragen. 


Was sind Ihre Stärken? Wie konnten sie diese für Ihre Karriere nutzen?

Meine Stärken sind, dass ich genau weiß, in welchen Bereichen ich wie arbeiten möchte. Außerdem bin ich ziemlich gut organisiert und kann strukturiert arbeiten. Dies ermöglicht mir mehrere unterschiedliche Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen. Zusätzlich gehören zu meinen Stärken soziale Kompetenz, Empathie, präzise Beobachtung und ausgeprägte Reflexionsfähigkeit, die für meine Tätigkeiten in der Versorgung, Forschung und Lehre sehr hilfreich sind.

Mein multikultureller Hintergrund und meine Sprachkenntnisse stärken mich in der Betreuung/ Behandlung von Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen.

Was sind Ihre wichtigsten Ressourcen gewesen, um Karriere machen zu können?

Während meines Studiums und meiner Facharztausbildung hatte ich die Möglichkeit mit großartigen ProfessorInnen und LehrerInnen zu arbeiten, von denen ich sehr viel gelernt habe. Außerdem hatte ich das große Glück mit tollen Teams/KollegInnen zusammen zu arbeiten.

Sowohl meine Herkunftsfamilie als auch meine Kernfamilie, besonders mein Ehemann waren und sind nach wie vor eine sehr wichtige Ressource für mich.


Aus welcher Situation in Ihrer Karriere haben Sie am meisten gelernt?

Die Begegnungen mit Menschen in unterschiedlichen Kontexten sind sehr bereichernd für mich, um mich weiterzuentwickeln, nicht nur persönlich, sondern auch fachlich. Alles ist eine Erfahrung und eine Möglichkeit zur Selbstreflexion, gerade in meinem Fach ist das besonders wichtig. Der Austausch mit Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen unterstützt meine persönliche sowie meine fachliche Entwicklung.


Gab es während Ihrer Karriere Situationen, in denen es eine Rolle spielte, dass Sie eine Frau sind?

Ich habe noch nicht den Eindruck gehabt, dass mein Geschlecht in meiner beruflichen Laufbahn eine Rolle gespielt hat.


Falls Sie Kinder haben: Was hat sich durch das Kind/ die Kinder verändert? Was ist bzw. war an Unterstützung besonders hilfreich?

 

Durch meine Kinder haben sich meine Prioritäten geändert. Ich habe die Ergebnisse meiner wissenschaftlichen Arbeiten mehrere Jahre nicht publizieren können, da ich die Zeit dazu nicht hatte. Nach der Karenzzeit meines zweiten Kindes wollte ich meine wissenschaftliche Karriere weiterführen, weshalb ich in den letzten Jahren intensiv daran gearbeitet habe, die Ergebnisse meiner wissenschaftlichen Arbeiten rechtzeitig zu publizieren. Ich arbeite an einer Klinik mit Versorgungsauftrag und habe in meiner Dienstzeit kaum Zeit zur wissenschaftlichen Tätigkeit, muss daher einen wichtigen Teil meiner Freizeit für wissenschaftliche Tätigkeiten opfern.

Obwohl es nicht immer so leicht ist, das Gleichgewicht zwischen Berufsleben, Karriere und Familie aufrecht zu erhalten, bin ich bestärkt, wenn ich die positiven Ergebnisse meiner Arbeit sehe.

 

Welchen Ausgleich suchen Sie in der Freizeit?

Meine Familie und meine Freunde sind sehr wichtig für meinen Ausgleich. Ich verbringe möglichst viel Zeit mit Ihnen. Ich gehe gerne spazieren und wandern, schaue Filme, lese ein Buch oder gehe ins Theater in meiner Freizeit. Ich habe meinen Beruf immer schon nicht nur als Beruf – sondern als Berufung gesehen, weshalb mein Arbeitsalltag für mich nicht unbedingt belastend ist, sondern mich vor allem bereichert.

Ich arbeite in einem Fach, wo der Austausch mit den KollegInnen sehr unterstützend und zugleich ausgleichend sein kann.

 

Vielleicht können Sie jüngeren Kolleginnen zum Abschluss noch ein paar Tipps und Tricks verraten.

Wichtig ist, dass man möglichst früh Prioritäten definiert, um die Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Auch wenn manche Ziele nur langfristig erreichbar sind, und es manchmal an der notwendigen Unterstützung fehlt, es geht immer irgendwie weiter, solange man nicht aufgibt. Also, der Tipp ist, einfach dran zu bleiben und nicht aufzugeben.