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Legenden der Allergie und Immunologie: Clemens von Pirquet

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Bild: MedUni Wien/Josephinum

(Wien, 14-01-2020) Clemens Peter Freiherr von Pirquet wurde am 12. Mai 1847 in Hirschstetten bei Wien in eine ursprünglich aus Lüttich stammende Patrizierfamilie geboren. Sein Vater Peter Zeno war Abgeordneter des Parlaments. Seine Mutter Flora Freiin von Pereira-Arnstein entstammte einer jüdischen Bankiersfamilie.

Auf Wunsch seiner Mutter studierte Pirquet zunächst Theologie in Innsbruck, wurde aber schließlich 1900 an der Universität Graz zum Doktor der Medizin promoviert. Nach einem halben Jahr Militärdienst begann er seine pädiatrische Ausbildung an der Charité in Berlin, wo er seine zukünftige Frau Maria Christine van Husen kennenlernte. Nach einem Jahr kehrte er nach Wien zurück, um mit Prof. Theodor Escherich zu arbeiten, der das Bakterium Escherichia coli entdeckt hatte. Die Universitäts-Kinderklinik befand sich zu dieser Zeit noch im St. Anna Kinderspital. Mit dem Architekten Emil von Förster plante Escherich ein neues Gebäude, dessen Fertigstellung er jedoch nicht mehr erlebte.

Pirquet wurde 1909 in die USA eingeladen, um Leiter der neuen pädiatrischen Fakultät der Johns Hopkins University in Baltimore zu werden. 1910 kehrte er nach Europa zurück, um die Nachfolge von Adalbert Cerny im Kinderkrankenhaus in Breslau, Polen, anzutreten. Als Escherich jedoch im Februar 1911 unerwartet starb, wurde Pirquet Leiter der neu errichteten Universitätskinderklinik am Allgemeinen Krankenhaus Wien, die er zu einem der berühmtesten pädiatrischen Lehrzentren der Welt machte.

Zwischen 1901 und 1910 entdeckte Pirquet grundlegende Eigenschaften des Immunsystems, die noch heute Gültigkeit haben. Im Jahr 1905 beschrieb er zusammen mit seinem Kollegen Béla Schick (1877-1967) die Serumkrankheit. Pirquet und Schick stellten fest, dass die Verabreichung eines Serums, mit welchem Pferde gegen Diphtherie oder Scharlachfiebererreger immunisiert worden waren, zur Verbesserung und Heilung dieser Infektionskrankheiten beitrug. Nach einer Latenzzeit entwickelten die Patienten jedoch Fieber, Hautausschläge, geschwollene Lymphknoten, Albuminurie und Gelenkschmerzen.

Pirquet erkannte sodann, dass Antikörper nicht nur schützende Immunantworten vermitteln, sondern auch Krankheiten auslösen können, wie er bei der Serumkrankheit gesehen hatte. Er prägte daraufhin das Wort „Allergie“, abgeleitet aus dem Griechischen (allos = andere, ergon = Arbeit), um diese veränderte Reaktionsfähigkeit zu beschreiben. Seine bahnbrechenden Erkenntnisse stellte er 1906 in der Münchener Medizinischen Wochenschrift vor und führte den Begriff „Allergie“ in die medizinische Fachsprache ein.

Im Jahr 1907 stellte Pirquet den später von Mantoux modifizierten Tuberkulin-Hauttest zur Diagnose von Tuberkulose vor, der es erstmals ermöglichte, Schwindsüchtige von Gesunden zu unterscheiden.


Als Leiter der Universitäts-Kinderklinik in Wien setzte Pirquet neue Maßstäbe in der Hygiene und der Ausbildung von Krankenschwestern und Kinderärzten. die sich als erste weltweit mit der klinischen Forschung und Behandlung von hirnorganischen Schädigungen und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern beschäftigte.

Pirquet entwickelte darüber hinaus das Ernährungssystem NEM (Nähreinheit Milch, 1 NEM = 1 g Milch) für unterernährte Kinder, das nach dem Ersten Weltkrieg die Grundlage für eine groß angelegte Kidnerausspeisung, die sogenannte "Amerikanische Kinderhilfsaktion", bildete, die er zwischen 1919 und 1921 österreichweit organisierte. Er wurde auch zum Vorsitzenden des Völkerbundkomitees für Säuglingsfürsorge gewählt.

Pirquet sprach vier Sprachen, und Zuhörer aus der ganzen Welt besuchten seine Klinik und seinen Hörsaal. Umso tragischer ist sein Ende. Am 28. Februar 1929 nahmen sich er und seine Frau aus ungeklärten Gründen das Leben. Sein langjähriger Rivale und Nachfolger Franz Hamburger, der ein glühender Nationalist und späteres Mitglied der NSDAP war, hat viele der von Pirquet eingeführten Konzepte abgeschafft, vor allem alles, was mit Allergien und Ernährungsprogrammen zu tun hatte.

Legenden der Allergie und Immunologie: Clemens von Pirquet
Heimo Breiteneder, Petra-Natascha Hendler, Dietrich Kraft
Allergy. 2019 Nov 16. doi: 10.1111/all.14115. [Elektronische Veröffentlichung vor Drucklegung]
© 2019 EAACI and John Wiley and Sons A/S
Herausgegeben von John Wiley and Sons Ltd.