(Wien, 28-01-2020) Wien sichert den Zugang aller KrebspatientInnen zu modernsten Diagnose- und Therapiemethoden. Das erfolgt durch eine Kooperation aller hämatologischen und onkologischen Abteilungen sowie der Pathologien. Dies erklärten ExpertInnen am Dienstag bei einer Pressekonferenz im AKH aus Anlass des Welt-Krebstages (4. Februar). Stolz könne man auch auf das in Österreich erkämpfte Gastro-Rauchverbot sein.
"Wir konnten im vergangenen Jahr eine der wichtigsten gesundheitspolitischen Maßnahmen in unseren 110 Jahren Geschichte durchsetzen", sagte der Präsident der Österreichischen Krebshilfe, Paul Sevelda, zum neuen Gastro-Rauchverbot.
In Sachen Diagnose und Therapie von Krebserkrankungen ist man derzeit in Wissenschaft und täglicher klinischer Tätigkeit mit revolutionären Entwicklungen konfrontiert. "Wir sind tatsächlich dabei, ein neues Konzept für die Präzisionsmedizin zu erstellen. (...) Wir werden überall (bei allen Krebspatienten; Anm.) noch zusätzlich eine genetische Evaluierung benötigen. Wir müssen unser Haus räumlich und personell umbauen", damit wir das anbieten können", sagte die Ärztliche Direktorin des Wiener AKH, Gabriela Kornek, auch Präsidentin der Initiative "Leben mit Krebs", die am 24. Februar (Universität Wien, Großer Festsaal) den alljährlichen Wiener Krebstag organisiert.
Wo früher der Verdacht auf Lungenkrebs per "einfachem" Röntgen gestellt und durch den Pathologen unter dem Lichtmikroskop grob bestätigt worden sei, benötige man jetzt neben CT auch PET-CT (Kombination von Computertomografie mit nuklearmedizinischer Bildgebung) und mehrfache Biopsien sowie die modernsten genetischen und molekularbiologischen Verfahren, um die jeweils vorliegende Krebserkrankung individuell charakterisieren und die Therapie möglichst zielgerichtet darauf abstimmen zu können.
"Zwischen 1995 und 2018 hat sich die Zahl der Krebserkrankungen in Europa um 50 Prozent erhöht, die Sterblichkeit aber 'nur' um 20 Prozent. Laut amerikanischer Krebsgesellschaft (ASCO, Anm.) ist die Krebs-Sterblichkeit in den USA allein von 2016 auf 2017 um 2,5 Prozent zurückgegangen. Das ist zum Teil die Früherkennung, aber zum überwiegenden Teil ist das die moderne zielgerichtete und die Immuntherapie", sagte Christoph Zielinski, Koordinator des Vienna Cancer Center.
Die Umsetzung Wien bzw. Österreich erfordert das Zusammenfassen und Koordinieren der notwendigen Ressourcen. "Lungenkrebs zerfällt heute in zehn bis 20 Untergruppen von Krankheiten. Brustkrebs zerfällt in zehn bis 20 Untergruppen. Wir versuchen durch Koordination ein System zu schaffen, wie alle Wiener Zugang zu der entsprechenden Diagnose und Therapie bekommen und können das garantieren", erklärte der Experte. Bei seit 2011 97 neu zugelassenen zielgerichteten Krebsmedikamenten müsse man darauf reagieren.
Die Therapie erfolge – auch bei neuen, innovativen und teuren Therapien – jeweils nach den Kriterien der Europäischen Gesellschaft für Medizinische Onkologie (ESMO). Von den EXMO-Experten werden neue Therapien in ihrer Wertigkeit beurteilt. Zielinski hat vor einigen Jahren an der Schaffung dieses Systems mitgearbeitet. Mit der Pharmaindustrie schließt man in Wien zunehmen Rabattmodelle ab, in denen für erfolgreiche Therapien voll bezahlt wird, ansonsten ein Teil der Kosten entfällt.
Bei manchen Krebserkrankungen haben die neuen Diagnose- und Therapiemethoden zu einer drastischen Verbesserung der Chancen für die Patienten auf langes Überleben oder gar Heilung geführt. "Bei der Chronisch Myeloischen Leukämie (CML; Anm.) hat die Mehrzahl der Kranken mittlerweile eine völlig normale Lebenserwartung", sagte der Onkologe und Hämatologe Klaus Geissler (Krankenhaus Hietzing).
So habe der Einsatz einer Wirksubstanz wie Midostraurin zielgerichtet bei etwa 20 Prozent der Kranken mit Akuter Myeloischer Leukämie deren Leben "wirklich verändert". Die Kombination von Venetoclax zur Erhöhung des programmierten Zelltodes bei bösartigen Blutzellen im Rahmen einer Chronisch Lymphatischen Leukämie (CLL) mit einem Wachssignal-Hemmer (Ibrutinib) mache die Krankheit bei Betroffenen oft beherrschbar oder führe sogar zu völligen Verschwinden der feinsten Krankheitszeichen. Beim Diffus großzelligen Non Hodgkin Lymphom wiederum könne man 70 bis 80 Prozent der Patienten wieder gesund machen.
Im Falle eines Fehlschlages der Therapien, was bei etwa 20 Prozent der Behandelten der Fall ist, kann nunmehr auch mit gentechnisch "scharf" gemachten T-Lymphozyten der Kranken behandelt werden. "Mehr oder weniger 50 Prozent der Patienten sprechen darauf an", fasste Onkologe Christoph Zielinski zusammen.
Diese CAR-T-Zelltherapie mit einem "Listenpreis" von 320.000 Euro (Rabatt bei Versagen) dürfte für pro Jahr rund 30 sonst unheilbare Patienten in Österreich infrage kommen. Sie ist aber hoch kompliziert und mit oft heftigen bis gefährlichen Nebenwirkungen verbunden. Bei den extrem teuren Therapien, die nur an wenigen Zentren durchgeführt werden können, stellt sich in Österreich auch die Frage der Finanzierung über Bundesländergrenzen hinweg. "Zu uns kommen auch viele Patienten aus den Bundesländern. Das ist etwas, das gelöst werden sollte", sagte die Ärztliche Leiterin des Wiener AKH mit den Universitätskliniken, Gabriela Kornek.
(APA) ww/ad