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Ein translationaler psychiatrischer Ansatz für Anorexia Nervosa bei Jugendlichen

Ein belohnungsbasiertes mechanistisches Modell der Anorexia Nervosa des menschlichen Gehirnes als Grundlage für neue präzisere therapeutische Interventionen

Anorexia nervosa (AN) ist eine schwere psychiatrische Erkrankung mit hoher Sterblichkeit, die vorwiegend im Jugendalter beginnt, und durch eine komplexe, aber bis dato unbekannte Ursache, einen sub-optimalen Behandlungsverlauf und einer suboptimalen Prognose charakterisiert ist. Ätiologische Modelle konzeptualisieren AN als eine Störung, bei der die neurochemischen und neurophysiologischen Schaltkreise, die mit der Belohnungsverarbeitung assoziiert sind, stark dysreguliert sind. Allerdings verdeutlichen Inkonsistenzen über die Richtung solcher Dysregulationen (d.h. Hypo- oder Hypersensibilität gegenüber Belohnungen) die Komplexität dieses Phänomens, sowie die Schwierigkeit, daraus ein mechanistisches Modell dieser Krankheit abzuleiten. Eine mögliche Erklärung für solche Diskrepanzen kann auf drei Hauptgründe zurückgeführt werden: (1) individuelle Merkmale und (2) unterschiedliche Studiendesigns sowie (3) eine sehr heterogene Operationalisierung von Belohnung.

Das vorliegende Clusterprojekt zielt darauf ab, diese Punkte im Rahmen eines konsolidierten Forschungsprogramms zu adressieren. Um ein belohnungsbasiertes mechanistisches Modell der AN aufzustellen, werden wir ein neu entwickeltes Paradigma, das stark translational ausgerichtet ist, mit funktioneller Magnetresonanztomographie kombinieren, um die neuronale und verhaltensbezogene Basis der (auf soziale und nicht-soziale Stimuli bezogenen) Belohnungsverarbeitung bei AN-PatientInnen in verschiedenen Stadien der Erkrankung und bei gesunden KontrollprobandInnen zu untersuchen.

Eine präzise Phänotypisierung, Genotypisierung und die Erhebung „neuronaler Fingerabdrücke“ (mittels MRSI, q-MRI) sollen die individuelle Variabilität berücksichtigen. Schließlich kommen Computermodelle („Computational Psychiatry“) zur Anwendung, um zu identifizieren, welche spezifischen Aspekte aus klinischer, neurobiologischer und genetischer Sicht die Genesung fördern. Dieser Mehrebenen- und Multi-Methoden-Ansatz, welcher Klinische Diagnostik, Molekulargenetik, kognitive Neurowissenschaften und „Computational Psychiatry“ verbindet, soll dazu beitragen, die übergeordnete Frage des Cluster-Projekts zu klären, welche PatientInnen trotz eines ähnlichen Behandlungsansatzes einen schwereren und dauerhafteren Krankheitsverlauf zeigen und wem wie am besten geholfen werden kann.

Die Forschung an Menschen und Tieren hinsichtlich der Belohnungsverarbeitung ist nach wie vor schwer vergleichbar, da sich bisherige Studien schwergetan haben, translationale Paradigmen und eine Operationalisierung von Belohnung, die für Tierstudien entwickelt wurden, auf Studien an Menschen adäquat zu übertragen. Diese Schwierigkeiten werden durch das Fehlen eines Konsenses bezüglich des Mechanismus hinter psychischen Erkrankungen wie AN deutlich, obwohl es sich hierbei um eine der homogensten psychiatrischen Erkrankungen handelt.

Dieses Projekt ist das erste, das einen solchen translationalen Ansatz verfolgt, welcher das Potential hat, Mechanismen aufzuzeigen, die einfach anhand von Tiermodellen der AN getestet werden können (und vice versa). Studiendesigns, die einen hohen translationalen Wert haben, werden (a) einen direkten Vergleich zwischen Tier- und Humanstudien zu den neurobiologischen Mechanismen der Belohnungsverarbeitung bei AN ermöglichen; (b) die Wirksamkeit von Behandlungen auf für Tier- und Humanstudien äquivalente Ergebnisvariablen bewerten und (c) einige der Einschränkungen der bisherigen Forschung zu AN überwinden (z.B. heterogene Operationalisierung von Belohnung). Schließlich wird die Entwicklung von prognostischen Markern mittels neuronalem Fingerabdruck und Polygenic Risk Scores kombiniert mit klassischen epidemiologischen Risikofaktoren und Phänotypisierung zu einer verbesserten Risikoanalyse und stratifizierung beitragen, welche zu einer verbesserten klinischen Entscheidungsfindung beiträgt. Das wird zu vertiefter Erkenntnis der Ätiopathogenese und Aufrechterhaltung dieser schweren und die Entwicklung behindernden Erkrankung führen und die klinische Praxis treffsicherer machen.


Projektleitung

Assoc. Prof. Dr. Giorgia Silani, PhD
Universität Wien
Institut für Klinische und Gesundheitspsychologie / Fakultät für Psychologie
T: +43-1-4277-47223
giorgia.silani@univie.ac.at
 

Univ.-Prof. Dr. med. univ. Andreas Karwautz, FAED
Medizinische Universität Wien
Ambulanz für Essstörungen, UK für Kinder- & Jugendpsychiatrie
T: +43-1-40400-30211
andreas.karwautz@meduniwien.ac.at

MitarbeiterInnen:
Mag. Dr. Michael Zeiler, michael.zeiler@meduniwien.ac.at
Dr. med. Konstantin Kopp, konstantin.kopp@meduniwien.ac.at
Andrea Schneider, MSc, andrea.schneider@meduniwien.ac.at
Assoc.-Prof. PD Mag. Dr. Gudrun Wagner, gudrun.wagner@meduniwien.ac.at
Assoc.-Prof. PD DI Dr. Wolfgang Bogner, wolfgang.bogner@meduniwien.ac.at