Christoph Juchems Forschung konzentriert sich auf die Entwicklung neuer Magnetresonanz-(MR)-Technologie und Methoden für klinische und neurowissenschaftliche Anwendungen. Sein langfristiges Ziel als Physiker liegt in der Realisierung und Erweiterung des Potentials von MR Tomographie (MRT) und Spektroskopie (MRS). Das bisherige klinische Ziel seiner Forschung bestand vornehmlich im verbesserten Verständnis der Rolle der Neurochemie für den Schutz des zentralen Nervensystems (ZNS) oder, umgekehrt, der Art und Weise, wie metabolische Störungen neurodegenerative, -psychiatrische und -immunologische Prozesse begünstigen.
Innovative Technologien zur Überwindung langjähriger Limitierungen
Das Forschungsfeld der Magnetresonanz ist äußerst dynamisch mit vielen neuen Innovationen jedes Jahr. Dies ermöglicht ungeahnte diagnostische Methoden und Einblicke in die Mechanismen von Krankheiten, die noch vor wenigen Jahren unerreichbar schienen. Christoph Juchem ist bedeutender Teil dieser Entwicklung. So hat er zusammen mit Kollegen eine innovative Methode zur hochflexiblen Generierung von Magnetfeldern basierend auf dem Zusammenspiel nicht-orthogonaler Basisfelder entwickelt. Dieser Multi-Spulen Ansatz erlaubt verbesserte Magnetfeldhomogenität (sogenanntes „B0 Shimmen“) und somit konkrete Verbesserungen der Bildqualität. Desweiteren kann die Methode zur Ortskodierung und somit zur Bildgebung verwendet werden. Ein komplett neues Design eines MR-Kopfscanners für neurowissenschaftliche Anwendungen wurde kürzlich von Christoph Juchem und Kollegen aus aller Welt im Rahmen eines Kooperationsprojekts unter der Leitung der Universität von Minnesota entwickelt, bei dem konventionellen Gradientspulen durch die neuartige Multi-Spulen Technologie ersetzt wurden. „Ich sehe eine Vielzahl möglicher Synergien von dieser und ähnlichen Technologien meines Labors mit Forschern der MedUni Wien und ich freue mich auf relevante und spannende Projekte“.
Modernste Methoden der MR Spektroskopie für neuartige klinische Forschung
Magnetresonanz-Spektroskopie erlaubt die einzigartige nicht-invasive Beobachtung biochemischer Vorgänge im menschlichen Körper und somit auch einen Live-Einblick in pathologische Vorgänge direkt in den Patient:innen. Die Anforderungen an die spektrale Qualität der Daten und die Methoden der Datenanalyse sind jedoch sehr hoch. Jegliche Limitierung der Datenqualität reduziert die Aussagekraft der erzielten klinisch-metabolischen Informationen. „In meiner Forschung habe ich daher alle relevanten Aspekte von den experimentellen Bedinungen (z.B. „B0 Shimmen“), über die verwendete Messsequenz (z.B. Vermeidung von „Geister“-Artefakten) bis hin zur Datenquantifizierung (z.B. Simulation von realistischen Spektren zur Modellierung) explizit optimiert. Desweiteren habe ich eine MRS Software “INSPECTOR” entwickelt, die Prozessierung, Quantifizierung und Qualitätskontrolle in einem einzigen Programm vereint.“ Dieser wissenschaftliche Rahmen erlaubte es Juchems Labor in Zusammenarbeit mit klinischen Partnern die Rolle von Exzitotoxizität und oxidativem Stress sowie die Effekte medikamentöser Behandlung in mehr als 100 Patient:innen mit Multipler Sklerose bei 7 Tesla zu erforschen. „Ich sehe eine Vielzahl von methodischen Synergien mit foschungsstarken Kollegen meiner Abteilung für Magnetresonanzphysik sowie der Universitätsklinik für Radiologie im Bereich der MRS Methodik. Besonders freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit Partnern aus klinischen Abteilungen zur Beantwortung relevanter Fragen der Patientenversorgung.“
Erfolgreiche klinische Forschung braucht ehrliches Interesse und gegenseitigen Respekt
Neue MR-Technologien und Methoden werden nahezu ausschließlich von Forscher:innen an akademischen Institutionen entwickelt. Selbst wenn relevante Neuerungen in kommerzielle MR-Systeme übernommen werden, vergehen oft Jahre oder Jahrzehnte. Der akademischen Forschung kommt daher laut Juchem eine dreifache Schlüsselrolle zu: 1) Die Entwicklung innovativer patient:innen-orientierter Methoden, sowie 2) erste klinische Forschungsapplikationen und die Demonstration eines Mehrwerts für die Patient:innen. 3) Zusätzlich obliegt es den Forscher:innen, wenn möglich, Neuerungen am Ende des Tages in Zusammenarbeit mit Partnern der Industrie auch in kommerziellen MR System zu etablieren und somit weiteren Patient:innen zur Verfügung zu stellen.
Die Abteilung für Magnetresonanzphysik, der Christoph Juchem vorstehen wird, ist als Teil des Zentrums für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik der MedUni ideal für die Entwicklung innovativer Methodik, klinischer Forschung und wahrer Translation in die diagnostische Routine positioniert. Die vorhandenen Forschungsschwerpunkte decken bereits eine Vielzahl von Aspekten von Technologie bis Software-Programmen und von physikalischen Grundlagen bis klinischer Forschung ab. „Neben meiner eigenen Forschung sehe ich meine Rolle daher vorallem als Moderator und Vermittler neuer Forschungszweige und -schwerpunkte. Ich werde aktiv auf Kolleginnen und Kollegen der MedUni Wien zugehen und den Kontakt suchen. Umgekehrt lade ich Kolleginnen und Kollegen aus der Klinik ein, sich mit Projektideen oder Fragen direkt an mich zu wenden oder einfach auf einen Kaffee vorbeizuschauen.“
Christoph Juchem hat mehr als 20 Jahre in den Neurowissenschaften, der Radiologie und der Neurologie gearbeitet und hat Erfahrung aus erster Hand von langjährigen Forschungskooperationen mit Kolleg:innen der Psychiatrie, der Onkologie oder der Endokrinologie. Er ist überzeugt, dass „biomedizinische Forschung, welche relevante klinische Fragestellungen mit den neuesten methodischen Errungenschaften zu beantworten sucht, dann am erfolgreichsten ist, wenn Methodiker und Kliniker sowohl ein ehrliches Interesse an der klinischen Fragestellung mitbringen, als auch gegenseitige Anerkennung für die wissenschaftlichen Beiträge der anderen.“ Etablierte Kooperationen dieser Art zu unterstützen und neue zu kultivieren, sieht er daher als seine Hauptaufgabe an der MedUni Wien. „Unsere Abteilung hat bereits ein hochkalibriges Portfolio an MR-Expertise, Methoden und Forschungsschwerpunkten. Ich suche die existierenden klinischen Kooperationen zu unterstützen und weiter auszubauen und neue Kooperationen mit klinischen Partnern der MedUni Wien zu etablieren. Zusätzlich plane ich unsere Arbeit mit UHMRC-Kolleg:innen aus der Radiologie der MedUni Wien mit anderen nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen sowie Partnern aus der Geräte- und Pharmaindustrie zu vernetzen.
Ich freue mich darauf, einen weiteren Schwerpunkt neben der Lehre auf die Unterstützung von Talenten jeglicher Karriereebene zu legen. „Ich hatte den Luxus, über die Jahre mit einigen der besten Wissenschaftern unserer Zeit zusammenzuarbeiten, von ihnen lernen zu dürfen und betreut zu werden. Ich sehe dies sowohl als Privileg als auch als Verpflichtung an. Meine Mentorentätigkeit war mir immer wichtig und ich freue mich, dies auch an der MedUni Wien weiterhin zu einem Fokus meiner Tätigkeit zu machen.“
Zur Person
Christoph Juchem studierte Physik an der Rheinischen Friedrich Wilhelms Universität in Bonn, Deutschland, und der Universidad Autónoma de Madrid, Spanien. Dem Physikdiplom schloss er ein Promotionsstudium der Physik und Neurowissenschaften an, das er am Max Planck Institut für biologische Kybernetik sowie der Uniklinik der Universität Tübingen, Deutschland, absolvierte. Anstellungen als Postdoc und Associate Research Scientist am MR-Forschungszentrum der Universität Yale folgte die erste Tenure Track Stelle als Assistant Professor in den Abteilungen Radiologie and Neurologie der Universität Yale. Seit 2016 forschte und unterrichtete er als Associate Professor in den Abteilungen Biomedizinische Ingenieurswissenschaften und Radiologie der Columbia University in New York, USA, seit 2023 mit Tenure. Christoph Juchem hat mehr als 20 Jahre Erfahrung mit der Konzeption und Durchführung von in vivo MR-Experimenten bei 3.0-11.7 Tesla in Menschen und Tiermodellen. Er hat 70+ wissenschaftliche Publikationen, Buchkapitel und Patente veröffentlicht und als Gutachter für 25 wissenschaftliche Journale und 10+ internationale Forschungsgesellschaften gearbeitet. Er war gewählter Chair sowohl der MR Spectroscopy Study Group wie auch der MR Engineering Study Group der International Society for Magnetic Resonance in Medicine (ISMRM).