(Wien, 19-08-2021) Vor jeder Operation ist es wichtig, das individuelle Risiko richtig einzuschätzen: Bestehen vielleicht Kreislauf- oder Lungenprobleme, auf die man besondere Rücksicht nehmen muss? Inwieweit kann man beim Planen der Anästhesie auf spezielle Gefahren eingehen? Bisher musste man sich dabei auf eher subjektive Erfahrungswerte verlassen, oder im Zweifelsfall aufwändigere Untersuchungen durchführen. Nun wurde von der TU Wien und der MedUni Wien erstmals ein Gerät entwickelt, das die „Fitness des Herz-Kreislauf- und Lungensystems“ von PatientInnen auf einfache und objektive Weise messen soll. Die Erfindung wurde bereits international patentiert, vorliegende Ergebnisse sind vielversprechend und erste klinische Studien zur Anwendung werden geplant.
Vorgespräche sind wichtig – aber subjektiv
Immer wieder kommt es nach chirurgischen Eingriffen zu Komplikationen. Neben Blutverlust und Sepsis zählen perioperative Probleme von Herz-Kreislauf und Lunge zu den häufigsten Ursachen für Todesfälle in den ersten 30 Tagen nach einer Operation.
Um dieses Risiko zu minimieren, führen Anästhesist_innen vor der Operation neben Blutdruckmessung, Elektrokardiogramm oder weiterführenden aufwändigen Untersuchungen routinemäßig Gespräche mit den Patient_innen. Doch die Beurteilung der Antworten kann sehr individuell sein. „Es gibt auch objektiv messbare Parameter, an denen man mögliche Risiken einfach erkennen könnte“, sagt Prof. Eugenijus Kaniusas (TU Wien, Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik). „Bisher wurden sie aber nicht routinemäßig gemessen.“
Einfach kurz die Luft anhalten
Das soll sich nun ändern: Ein neues Gerät kann mit Hilfe mehrerer Sensoren auf völlig nicht-invasive Weise die wichtigsten Messgrößen ermitteln. Man muss nur kurz den Atem anhalten, um den Körper leicht aus der Balance zu bringen. Der Körper reagiert darauf reflexartig mit verschiedenen Biosignalen: „Luftanhalten ist ein milder Stress für den Körper, aber das genügt bereits, um Änderungen im regulatorischen Herz-Kreislauf- und Lungensystem zu beobachten“, erklärt Eugenijus Kaniusas. „Die Sauerstoffsättigung im Blut, die Herzfrequenzvariabilität, bestimmte Eigenschaften der Pulswellenform – das sind dynamische Parameter, die wir auf einfache Weise messen können, und aus ihnen könnten wir im Idealfall auf die individuelle Fitness im Allgemeinen schließen, speziell vor einer Operation.“ Das Gerät ist nicht-invasiv, man braucht daher keine ärztliche Ausbildung, um es zu bedienen, und es gibt keine Gefahr durch Nebenwirkungen.
Das Ergebnis ist leicht abzulesen: Angezeigt wird eine grobe Einschätzung nach dem dreifarbigen Ampelsystem bzw. eine Punkteanzahl zwischen 0 und 100. Die Messung kann bei mobilitätseingeschränkten Personen problemlos auch am Krankenbett durchgeführt werden.
„Unser Labor-Prototyp wird an der MedUni Wien in Kooperation mit Prof. Klaus Klein von der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie der MedUni Wien getestet. Wir hoffen, das Gerät in den nächsten 5 Jahren mit Hilfe des Forschungs- und Transfersupports auf den Markt bringen zu können“, sagt Eugenijus Kaniusas. Die Patentierung wurde vom Forschungs- und Transfersupport der TU Wien und der MedUni Wien unterstützt.
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