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Immun-Signatur für Long Covid entdeckt

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(Wien, 29-12-2022) Schwere Covid-19-Krankheitsverläufe sind durch überschießende Immun- und Entzündungsprozesse im Körper charakterisiert. Umgekehrt dürfte beim Long Covid-Syndrom offenbar ein stark anti-entzündlicher Immunstatus gegeben sein. Das könnten Wissenschafter:innen jetzt mit umfangreichen Blutplasma-Analysen von Geimpften ohne nachfolgende Erkrankung, Personen mit restlos überstandener Covid-19-Infektion und Long Covid-Patient:innen herausgefunden haben. Die wissenschaftliche Arbeit des Teams um Studienleiter Christopher Gerner von der Fakultät für Chemie der Universität Wien und Forscher:innen der MedUni Wien ist bereits als Pre-Print im Open Acess-Online-Journal "iScience" erschienen.

„Seit dem Beginn der Pandemie ist es auch offensichtlich geworden, dass sich nicht alle Patient:innen nach einer SARS-Cov-2-Infektion wieder vollständig erholen. Zunächst hat man die Symptome Betroffener hauptsächlich psychologischen Faktoren wie Ängsten und Stress zugeschrieben. Mittlerweile wird anerkannt, dass chronisch anhaltende Covid-19-Symptome nach einer akuten Infektion eine neue somatische Erkrankung darstellen, die als post-akutes Covid-19-Syndrom (PACS) oder Long Covid-19-Syndrom bezeichnet wird“, heißt es in der Studie.

Viele Fragen zu Long Covid konnten bisher noch nicht aufgeklärt werden, stellen die Autor:innen der Studie fest: „Auffallenderweise entwickelt sich das Long Covid-Syndrom unabhängig von der Schwere der Covid-19-Erkrankung. Mögliche Risikofaktoren und Begleiterkrankungen werden kaum verstanden.“ Chronische Erschöpfungszustände (Chronic Fatigue Syndrom), Konzentrationsstörungen, Herzrhythmusstörungen, Atemnot etc. würden jedenfalls die Lebensqualität der Betroffenen schwer beeinträchtigen. Bisher gäbe es aber keine exakten verfügbaren Marker, mit denen man eine mögliche Long Covid-Diagnose absichern könnte.

Analysen des Blutplasmas von dreimal 13 vergleichbaren Proband:innen
Genau solche Labor-Charakteristika wollten die Wiener Wissenschafter:innen mit ihrer Arbeit identifizieren. Dazu analysierten sie das Blutplasma von dreimal 13 vergleichbaren Proband:innen auf deren Immunstatus: Eine Gruppe von gesunden, gegen Covid-19 Geimpften ohne nachfolgende Infektion, eine zweite Gruppe mit genesenen Covid-19-Betroffenen ohne bleibende Symptome (mindestens zwölf Wochen nach der akuten Erkrankung) und schließlich eine dritte Gruppe von Ex-Covid-19-Patient:innen (ebenfalls im Abstand von drei Monaten nach der Infektion) mit anhaltenden chronischen Erschöpfungszuständen. Untersucht wurden das Blutplasma an einer speziellen Einrichtung der Fakultät für Chemie der Uni Wien (Joint Metabolome Facility).

Die Ergebnisse sprechen offenbar dafür, dass es bei Long Covid-Patient:immem zu einem signifikant anderen Immunstatus als bei Genesenen ohne bleibende Symptome kommt: „Die vielfältige Analyse der Profile an Zytokinen (Immunbotenstoffe; Anm.) zeigte bei Proband:innen, die sich von einer Covid-19-Erkrankung erholt hatten, im Vergleich zu Long Covid-Syndrom-Patient:innen gering erhöhte entzündungsfördernde Zytokin-Konzentrationen.“

Erhöhte Blutwerte von antientzündlichen Eiweißstoffen
Umgekehrt fanden sich bei den Long Covid-Betroffenen im Blutplasma signifikant geringere Konzentrationen an Interleukin-18, Tumornekrosefaktor-Rezeptoren II und anderen entzündlichen Parametern. Der Unterschied zwischen den Long Covid-Patient:innen und den bloß gegen Covid-19 Geimpften war geringer als jener zwischen den Proband:innen mit restlos überstandener SARS-CoV-2-Infektion und den Personen mit anhaltenden Erschöpfungssymptomen. Wahrscheinlich dürften bei der Gruppe der wieder völlig Genesenen die Entzündungswerte im Blut längerfristig erhöht sein.

Charakteristisch für Long Covid-Betroffene waren auf der anderen Seite erhöhte Blutwerte von anti-entzündlichen Eiweißstoffen, sogenannte Oxylipine, Omega-3-Fettsäuren, Taurine etc. Das dürfte laut den Wissenschafter:innen auf sogenannte M2-Makrophagen zurückzuführen sein, die anti-inflammatorisch wirken. Jedenfalls schreiben Wissenschafter:innen, dass ihre Resultate für Zukunft wichtig sein könnten: Insgesamt stelle man offenbar typische Marker-Charakteristika im Blutplasma vor, die bei Long Covid-Patient:innen vorkämen. Das könnte die Diagnose des Syndroms und die Suche nach Therapien erleichtern.

Laut dem deutschen Robert Koch Institut haben internationale Studien sehr unterschiedliche Raten des Long Covid-Syndroms ergeben: Die Häufigkeit nach akuter Covid-19-Erkrankung lag in diesen Untersuchungen zwischen 7,5 Prozent und 41 Prozent bei Erwachsenen ohne Spitalsaufenthalt wegen der SARS-CoV-2-Infektion. Bei wegen Covid-19 hospitalisierten Patienten wurde eine Long Covid-Häufigkeit von knapp 37 Prozent beobachtet. (apa)

Publikation: iScience
A multi-omics based anti-inflammatory immune signature characterizes long COVID-19 syndrome
Johannes J. Kovarik, Andrea Bileck, Gerhard Hagn, Samuel M. Meier-Menches, Tobias Frey, Anna Kaempf, Marlene Hollenstein, Tarik Shoumariyeh, Lukas Skos, Birgit Reiter, Marlene C. Gerner, Andreas Spannbauer, Ena Hasimbegovic, Doreen Schmidl, Gerhard Garhöfer, Mariann Gyöngyösi, Klaus G. Schmetterer, Christopher Gerner
iScience, Voume 26, Issue 1, 20 January 2023
DOI:10.1016/j.isci.2022.105717
https://doi.org/10.1016/j.isci.2022.105717