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Neuer Ansatz für die Entwicklung von Krebstherapien

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(Wien, 18. November 2022) Wissenschafter:innen der Forschungsgruppe von Joanna Loizou am CeMM, dem Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, sowie der Medizinischen Universität Wien, konnten in einer aktuellen Studie das Enzym POLθ und seine Rolle im DNA-Reparaturmechanismus genauer charakterisieren. Die Studie, publiziert in Cell Reports, zeigt erstmals, dass POLθ zum „Lückenfüller“ beim DNA-Einzelstrangbruch wird, und belegt damit seine wichtige Rolle für das „Überleben“ von BRCA1-mutierten Krebszellen. Das Inhibieren von POLθ stellt somit einen neuen Ansatz für die Entwicklung spezifischer Therapien für Krebspatient:innen mit BRCA1 Mutation dar.

Ein zentraler Marker für Brust- und Eierstockkrebs ist BRCA1 (engl. BReast CAncer Gene 1), ein Protein, welches im körpereigenen Reparaturmechanismus der DNA eine wichtige Rolle spielt.  Ist dieses mutiert, kann Krebs entstehen.  Laut Zentrum für Familiären Brust- und Eierstockkrebs des AKH Wien geht man davon aus, dass bei verändertem BRCA1- oder BRCA2-Gen bei Frauen die Wahrscheinlichkeit an Brustkrebs zu erkranken bei bis zu 85 Prozent, und die Wahrscheinlichkeit an Eierstockkrebs zu erkranken bei bis zu 53 Prozent liegt. Während Mutationen in BRCA1/BRCA2 unkontrolliertes Zellwachstum unterstützen, führen sie auch zur Destabilisierung des genetischen Materials der Krebszelle. Aufgrund dessen sind solche Krebszellen auf andere Reparaturmechanismen angewiesen, die diese Destabilisierung kompensieren. Die Abhängigkeit der Zellen mit mutiertem BRCA1 oder BRCA2 von anderen Genen kann auch als „Achilles-Ferse“ von Krebszellen betrachtet werden, da das Zurückgreifen auf andere DNA-Reparaturgene zu einer synthetisch letalen Beziehung, zu Abhängigkeiten, führen kann. Joanna Loizou, vormals Forschungsgruppenleiterin am CeMM sowie Associate Professor am Comprehensive Cancer Center der Medizinischen Universität Wien, erklärt: „Die Synthetische Letalität als Therapiekonzept zur Behandlung von Brust- und Eierstockkrebs erlaubt es, spezifisch die Teilung von Krebszellen zu unterbinden, während gesunde Zellen davon nicht betroffen sind. Wir hemmen dabei jene Gene, von denen ein mutiertes BRCA1 abhängig ist. Derartige Therapiekonzepte haben im Allgemeinen viele Vorteile gegenüber traditioneller Chemotherapie.“

Neue Funktion des Enzyms POLθ entdeckt
Die Forscher:innen untersuchten in ihrer Studie das Gen POLθ (DNA-Polymerase theta), das ebenso Teil des zellulären DNA-Reparaturmechanismus und mit BRCA1 synthetisch letal ist. POLθ ist eine DNA-Polymerase, welche eine Schlüsselrolle bei der Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen spielt. In ihrer Studie, erschienen in Cell Reports, konnten die Wissenschafter:innen zeigen, dass POLθ darüber hinaus auch beim Einzelstrangbruch der DNA, der besonders bei BRCA1 mutierten Zellen auftritt, aktiviert wird und die dabei entstehenden Lücken füllt. „Im Gegensatz zu früheren Studien zeigen wir damit eine bisher unbeschriebene Funktion von POLθ. Ein besseres Verständnis von POLθ gibt grundlegenden Aufschluss über die DNA-Reparaturmechanismen und zeigt, dass POLθ eine wichtige Rolle in der DNA-Replikation spielt. Durch das medikamentöse Inhibieren von POLθ können wir das genetische Material von Krebszellen mit mutiertem BRCA1 destabilisieren, weitere Zellteilungen verlangsamen und so das Wachstum stoppen“, erklärt Erstautorin Anna Schrempf.

Ein ähnlicher Zugang wurde in der Krebstherapie bereits erfolgreich durch das Inhibieren von PARP gewählt, einem Protein, welches – ähnlich wie POLθ – mit BRCA1 synthetisch letal ist. In der Praxis erwiesen sich die PARP-basierten Therapien zwar als sehr erfolgreich, allerdings zeigte sich auch, dass Patient:innen im Rahmen der Therapie Resistenzen entwickelten. „Umso wichtiger ist es, die Prozesse unserer DNA-Reparaturmechanismen genau zu verstehen und zusätzliche, potenzielle Therapiepfade zu identifizieren“, so Loizou.

Publikation: Cell Reports
POLθ processes ssDNA gaps and promotes replication fork progression in BRCA1-deficient cells;
Anna Schrempf, Sara Bernardo, Emili A. Arasa Verge, Miguel A. Ramirez Otero, Jordan Wilson, Dominik Kirchhofer, Anna M. Ambros, Atilla Kaya, Marcus Wieder, Gerhard F. Ecker, Georg E. Winter, Vincenzo Costanzo, Joanna I. Loizou;
Doi: 10.1016/j.celrep.2022.111716