Gerhard Wiedermann 1929 - 2023
Woran – so werden die Menschen an den Universitäten häufig gefragt – woran misst sich ihr Erfolg? Nun, die Antwort scheint einfach: An erster Stelle steht, wohl mit Recht, die publikatorische Aktivität. Dies ist auch verständlich, denn der Wille, Neues zu entdecken und dies der Gesellschaft mitzuteilen, ist eine der Aufgaben der Universitäten und ihrer Lehrenden. Gerhard Wiedermann war ein erfolgreicher Wissenschaftler. Sein Interesse galt der Immunologie, einem faszinierenden Fach, das auch den Kern seiner Habilitation (1965) bildete; Wir verdanken ihm die Gründung des Institutes für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin und die Weiterentwicklung dieses Fachbereiches in wissenschaftlicher und praktischer Hinsicht, insbesondere im Bereich der Impfkunde, Tropen- und Reisemedizin.
Es ist dem Schreiber dieser Zeilen aber ein besonderes Anliegen, daran zu erinnern, welch wunderbare Persönlichkeit Gerhard Wiedermann war: Er war nicht nur Arzt und Professor, der in vorbildlicher Weise seine akademischen Aufgaben als Forscher und Lehrer erfüllte, sondern er war auch ein wahrer Humanist. Seine umfassende Bildung war keine äußere Fassade, sondern Quelle seines tiefen Verständnisses für die Menschlichkeit. Immer fand er den richtigen Ton, lobend, anspornend oder mahnend; wenn jemand Hilfe benötigte, war er stets der Erste, der zur Stelle war. Er strahlte Wärme aus, die die Menschen in seiner Umgebung anzog und motivierte.
Es muss ihm eine Freude und Genugtuung gewesen sein, zu sehen, wie das von ihm gegründete Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin als erfolgreiches Mitglied der Medizinischen Universität Wien blüht und gedeiht, verbunden mit inneruniversitärer und internationaler Anerkennung.
Herausragende Universitätslehrer:innen erkennt man an der Zahl und Qualität ihrer Schüler:innen, auch hier hat Gerhard Wiedermann viel geleistet. Das Beste, was einem seiner Schüler dann passieren kann, ist, wenn solch ein Lehrer und Vorbild zum Freund wird – eine ganz besondere Auszeichnung, die er mir erwiesen hat.
Gäbe es nur genug Menschen seines Charakters und Ethos, ich glaube, wir hätten weniger Probleme auf dieser Erde.
A.o. Univ.-Prof. Dr. Otto Scheiner
Gerhard Wiedermann 13.5.1929 – 27.5.2023
Stationen eines Wissenschaftler-Lebens
1954 Promotion zum Doktor der gesamten Heilkunde
1955 - 1960 Facharztausbildung für Innere Medizin an der 2. Medizinischen
Universitätsklinik Wien (Leitung Univ.-Prof.Dr.Fellinger)
1959 - 1964 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hygiene-Institut der Universität
Wien (Leitung Univ.-Prof.Dr.Hans Moritsch), begleitet von einem
zweieinhalbjährigen Aufenthalt am New York University Medical Center
zum Studium von Hepatitiden und den Grundlagen der Komplement-
Bindung sowie der Antikörper-abhängigen zellulären Immunität
1964 Betrauung mit der Leitung der immunologischen Abteilung des Hygiene-Instituts
(Leitung Univ.-Prof.Dr.Hans Moritsch)
1965 Habilitation mit der Arbeit „Immunologische Phänomene bei Hepatitis“
1965 Übernahme der Leitung der Impfambulanz am Hygiene-Institut der Universität
Wien (Leitung Univ.-Prof.Dr.Hans Moritsch)
1967 Eweiterung der Impfambulanz um eine tropenmedizinische Ambulanz am
Hygiene-Institut der Universität Wien (Leitung Univ.-Prof.Dr.Heinz Flamm)
1967 - 1972 Studien-Aufenthalte am Hamburger Institut für Schiffs- und Tropen-
krankheiten und in Ostafrika zur Fortbildung in der Tropenmedizin
1972 Ernennung zum außerordentlichen Universitätsprofessor
1974 Ernennung zum ordentlichen Universitätsprofessor für Spezifische Prophylaxe und
Tropenmedizin, Übernahme der Leitung des gleichnamigen Instituts
1998 Emeritierung
Auszeichnungen: Erasmus-Preis, Kardinal-Innitzer-Preis, Wander-Preis, Höchst-Preis, Ärztekammer-Preis, Preis der Wiener Wirtschaft, Ehrennadel der Medizinischen Universität Wien