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MedUni Wien trauert um Peter Ferenci

International anerkannter Doyen der Hepatologie verstorben
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(Wien, 11-04-2023) Mit tiefer Bestürzung und großer Trauer müssen wir das letztendlich doch unerwartete Ableben von Peter Ferenci nach langer, geduldig und mit unglaublichem Lebenswillen ertragener Krankheit bekanntgeben. Er war über viele Jahrzehnte als Professor an der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie, hochbegabter Wissenschaftler, passionierter Forscher und Wegbereiter der Hepatologie mit Weltruf auf den Gebieten der Virushepatitis, der hepatischen Encephalopathie und des Mb. Wilson tätig.

Für sein Werk erhielt er zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen, wie beispielsweise das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse im Jahr 2019, und die Ehrendoktorate der Universität Cluj-Napoca in Rumänien (2003) und der Semmelweis Universität Budapest (2011). Peter Ferenci wurde mit dem Recognition Award der European Association for the Study of the Liver (2008) und dem Masters Award der World Gastroenterology Association (2019) ausgezeichnet. Er war Fellow der American Association of the Study of the Liver (AASLD) und Fellow der American Gastroenterology Association (AGA). Über die Jahre wurden ihm Ehrenmitgliedschaften der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie, sowie der Ungarischen, der Südafrikanischen, der Italienischen und Slowakischen Gesellschaft für Gastroenterologie verliehen.

Von 1996-1998 war Peter Ferenci Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH) und 2005 war er Vorsitzender der United European Gastroenterology Federation (UEGF).

Peter Ferenci wurde 1948 in Budapest geboren, wanderte 1957 nach Österreich aus und war seit 1962 österreichischer Staatsbürger. Er war Absolvent des Theresianums in Wien und studierte Medizin an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien (heute MedUni Wien). Den Grundstein für seine universitäre Karriere legte er im November 1972 mit seiner Promotion an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien. Seine Ausbildung zum Internisten startet er am 1.4.1973 an der 1. Medizinischen Universitätsklinik, die dann später in die I. Universitätsklinik für Gastroenterologie und Hepatologie und in weiterer Folge in die Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie am Universitätsklinikum AKH Wien überging. Seine Facharztausbildungen zur Inneren Medizin und Zusatzfach Gastroenterologie und Hepatologie absolvierte er ebenfalls in Wien. Im Jahr 1981 führte ihn ein Max-Kade-Stipendium an die Liver Unit des National Institutes of Health, Bethesda, USA. Im Jahr 1984 erhielt er die Venia Docendi in Wien, im Jahr 1990 wurde er ao. Universitätsprofessor.

Seine wissenschaftliche Karriere hatte mehrere Schwerpunkte, mit welchen er allesamt auf dem internationalen Parkett Weltruhm erlangte:

Hepatische Encephalopathie
Im Rahmen seines Forschungsaufenthaltes am NIH, Bethesda USA, beschäftigte er sich mit der Entwicklung der GABA Hypothese der hepatischen Encephalopathie und forschte maßgeblich an der neuropharmakologischen Beeinflussbarkeit dieser Störung mit. Nach seiner Rückkehr nach Wien setzte er diese Studien fort und etablierte an der Klinik in Wien eine Arbeitsgruppe für experimentelle Hepatologie. Durch die Bedeutung seiner damaligen Arbeiten gilt er auch noch heute als Topexperte. Als wesentlichste Leistung erstellte er 2002 mit einer Gruppe internationaler Fachleute die Guidelines zur Diagnose und Therapie der hepatischen Enzephalopathie und aktualisierte diese 2016 im Auftrag der Europäischen Lebergesellschaft (EASL). Er ist auch der Autor der Beiträge zur hepatischen Enzephalopathie im heute führenden Onlinelehrbuch (UpToDate).

Virushepatitis
Als Leiter der Arbeitsgruppe für chronische Virushepatitis an der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie begann Peter Ferenci bereits vor der Identifizierung des Hepatitis C Virus als Erster in Europa mit Studien zur Interferontherapie. In den darauffolgenden Jahren gelang es ihm, durch innovative Studiendesigns Österreich zu einem anerkannten Teilnehmer auch an internationalen Studien zu machen. Somit beeinflusste er als Studienleiter die gesamte Entwicklung der Hepatitis C Therapie, einschließlich der neuen Therapien, die seit einigen Jahren die komplette Heilung der chronischen Hepatitis C möglich machen. Ein weiterer Höhepunkt dieses wissenschaftlichen Schwerpunkts war 2014 die Publikation einer der nun modernen interferonfreien Therapien als Erstautor im New England Journal of Medicine.

Morbus Wilson
Als Leiter der Arbeitsgruppe für Mb. Wilson veränderten zwei von Ferencis klinischen Arbeiten das gesamte Verständnis dieser Krankheit. Basierend auf diesen Erkenntnissen hat er einen Diagnosescore entwickelt („Leipzig-Score“), der heute international als Diagnosestandard gilt. Im Auftrag der EASL erstellte er auch die klinischen Guidelines zur Diagnose und Therapie des Morbus Wilson. Er arbeitete mit einem internationalen Team an der Erforschung neuer medikamentöser Therapien und einer möglichen Gentherapie des M. Wilson. Durch ihn gilt Wien heute als eines der drei führenden Zentren auf diesem Gebiet weltweit.

Zum besseren genetischen Verständnis der Erkrankung etablierte er an der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie ein Genetiklabor und schloss 1998 den Facharzt für Humangenetik ab. Dieses Labor stellt bis heute einen wichtigen Forschungsschwerpunkt der Abteilung dar.

Das wissenschaftliche Opus von Peter Ferenci umfasst mehr als 480 wissenschaftliche Arbeiten in den Top-Journalen der Inneren Medizin, Gastroenterologie und Hepatologie. Seine Arbeiten wurden mehr als 28.000 mal zitiert und er erreichte einen beeindruckenden H-Index von 82. Auch die Organisation von Veranstaltungen und Kongressen war Ferenci ein großes Anliegen. Einige diesbezügliche Meilensteine waren die Gesamtorganisation der Jahrestagung der Europäischen Lebergesellschaft (EASL, 1992), Erstellung des wissenschaftlichen Programms für den 11. Weltkongresses der Gastroenterologie in Wien (WCOG, 1998), die jahrzehntelange Leitung des Fortbildungskurses der Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH), sowie die Organisation zahlloser nationaler und internationaler Fortbildungsveranstaltungen und Expertentreffen.

Bei aller wissenschaftlicher Begeisterung war Ferenci auch ein leidenschaftlicher Kliniker und Arzt, der mit seiner diagnostischen Treffsicherheit und seiner klinischen Spürnase immer wieder beeindruckte. In seiner jahrzehntelangen Oberarzttätigkeit bildete er zahllose Assistent:innen aus, alle erinnern sich gerne an ihn als inspirierenden Lehrer. In seinen Händen wurde die perkutane Leberbiopsie zu einem essentiellen Routineeingriff in der hepatologischen Diagnostik.

Nach seiner Pensionierung arbeitete und forschte Peter Ferenci unermüdlich weiter und konnte kürzlich sein 50-jähriges Dienstjubiläum an unserer Universität begehen. Auch immer wieder auftretende Tiefschläge in Form von Krankheiten oder Operationen konnten seinen Enthusiasmus nicht bremsen. „F“, wie ihn alle stets nannten, hatte immer ein offenes Ohr und kompetente Ratschläge für seine Kolleg:innen bereit. Er war stets ein Förderer der jüngeren Generationen, insbesondere Frauenförderung lag ihm sehr am Herzen, und aus seiner Mentorenschaft gingen viele Dozent:innen, Professor:innen und Primarii hervor.

Mit Peter Ferenci verlieren wir einen weltweit anerkannten Wissenschaftler, begnadeten Arzt, akademischen Lehrer, Kollegen und Freund.

Unser Mitgefühl und unsere Gedanken sind in diesen schweren Stunden bei seiner Familie und seinen Freunden.


Univ.-Prof. Dr. Michael Trauner
Leiter der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie
Im Namen aller Kolleginnen und Kollegen