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Hereditäres Angioödem: Neues Medikament erforscht

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(Wien, 27-03-2023) Bei der seltenen Erbkrankheit hereditäres Angioödem (HAE) treten Schwellungen in einem oder mehreren Körperteilen auf, ohne dass es einen erkennbaren Auslöser gibt. Besonders wenn die oberen Atemwege betroffen sind, kann ein HAE-Anfall lebensbedrohlich sein. Wirkstoffe für die Bedarfsmedikation sind derzeit nur in Form von Injektionen und Infusionen erhältlich. In einer Phase-2-Studie unter Leitung des Universitätsklinikums Frankfurt und der Charité – Universitätsmedizin Berlin sowie unter Mitwirkung der Medizinischen Universität Wien konnte nun erstmals die Wirksamkeit einer oral verabreichten Substanz für akute Attacken nachgewiesen werden. Die Studienergebnisse wurden im renommierten Fachjournal „The Lancet“ publiziert.

Patient:innen mit HAE haben eine Veränderung in ihrem Erbgut. Die genetisch bedingte Krankheit manifestiert sich vorwiegend im Kindes- und Jugendalter und bleibt bei den meisten Betroffenen ein Leben lang symptomatisch. Sie äußert sich durch schwere, lokalisierte Schwellungen der Haut und der Schleimhäute, die an verschiedenen Stellen des Körpers auftreten können. Besonders schmerzhaft sind abdominelle Attacken, die unbehandelt mehrere Tage dauern und die Betroffenen ans Bett fesseln. Wenn die oberen Atemwege betroffen sind, kann ein HAE-Anfall lebensbedrohlich sein. Ödeme im Kehlkopf sind eine der häufigsten Todesursachen bei HAE-Patient:innen. In den Behandlungsleitlinien wird daher empfohlen, die Attacken so früh wie möglich zu behandeln. Studien haben gezeigt, dass eine rasche Therapie die Zeit bis zur Linderung der Symptome und die Gesamtdauer der Attacke deutlich verkürzt.

Orale Therapie statt Infusionen bzw. Injektionen
Die derzeit zugelassenen Therapien für HAE bestehen aus Bedarfsmedikamenten und prophylaktischen Medikamenten, d. h. aus Substanzen zur akuten Behandlung oder zur Vorbeugung von Attacken. Allerdings gestaltet sich die Verabreichung bisher aufwändig: Die Patient:innen erhalten die Substanz durch Infusionen oder Injektionen. Diese Methoden erfordern eine Schulung, führen zu zeitlichen Verzögerungen in der Behandlung und können zu unerwünschten Nebenwirkungen wie Schmerzen und Überempfindlichkeitsreaktionen an der Infusions- oder Injektionsstelle führen. Mit dem nun erforschten oral verabreichten Medikament konnten diese schwerwiegenden Nebenwirkungen vermieden werden. Sebetralstat bewirkte im Vergleich zu Placebo eine schnellere Linderung der Symptome, verringerte den Schweregrad der Anfälle und verlängerte die Zeit bis zur konventionellen Behandlung erheblich. Sebetralstat wird rasch vom Körper aufgenommen und erreicht maximale Plasmakonzentrationen innerhalb einer Stunde, was für die Linderung der Symptome entscheidend ist.

Die aktuell in „The Lancet“ publizierte Studie hat gezeigt, dass eine effektive orale Therapie akuter Angioödem-Attacken bei HAE möglich ist. Neben dem Universitätsklinikum Frankfurt und der Charité – Universitätsmedizin Berlin waren Wissenschafter:innen aus mehreren europäischen Ländern, den USA, Neuseeland und Kanada an der Studie beteiligt. Von Seiten der MedUni Wien wirkte Tamar Kinaciyan (Universitätsklinik für Dermatologie), international anerkannte Forscherin auf dem Gebiet der Hereditären Angioödeme, maßgeblich am Nachweis von Sebetralstat als effektive Therapie für akute Attacken mit.

Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse der Studie wird derzeit eine klinische Studie der Phase 3 mit Sebetralstat durchgeführt, in der die bedarfsgerechte Behandlung mit dem Wirkstoff erneut bewertet werden soll.

Publikation: The Lancet
Investigational oral plasma kallikrein inhibitor sebetralstat for on-demand treatment of hereditary angioedema;
Aygören-Pürsün, E.; Zanichelli, A.; Cohn, D. M., Cancian, M., Hakl, R., Kinaciyan, T., Magerl, M., Martinez-Saguer, I., Stobiecki, M., Farkas, H., Kiani-Alikhan, S., Grivcheva-Panovska, V., Bernstein, J. A., Li, H. H., Longhurst, H. J., Audhya, P. K., Smith, M. D., Yea, C. M., Maetzel, A., Lee, D. K., Feener, E. P., Gower, R., Lumry, W. R., Banerji, A., Riedl, M. A., Maurer, M.;
The Lancet; 11.02.2023 (Epub ahead of print).
DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(22)02406-0