(Wien, 04-10-2023) Mithilfe eines Vorhersagemodells können Patient:innen mit venösen Thromboembolien erkannt werden, die nur ein geringes Rezidivrisiko haben und möglicherweise keine langdauernde Antikoagulation benötigen. Die Aussagekraft dieses an der MedUni Wien entwickelten „Vienna Prediction Models“ wurde nun in einer großangelegten klinischen Studie bestätigt und die Ergebnisse wurden im renommierten European Heart Journal veröffentlicht.
In dieser über mehrere Jahre angelegten, gemeinsam mit der MedUni Graz durchgeführten Studie an der Klinischen Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie der Universitätsklinik für Innere Medizin I der MedUni Wien wurde bestätigt, dass das „Vienna Prediction Model“ Patient:innen mit venösen Thromboembolien (VTE) und einem niedrigen Rezidivrisiko erfassen kann.
Das „Vienna Prediction Model“ ermittelt unter Berücksichtigung des Geschlechts, der Lokalisation der Venenthrombose und des D-Dimers das Rezidivrisiko der VTE. Dieses Modell entstand in einer Gemeinschaftsarbeit zwischen der Arbeitsgruppe Paul A. Kyrle/Sabine Eichinger (Klinische Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie, Universitätsklinik für Innere Medizin I) und Georg Heinze (Zentrum für Medical Data Science) an der MedUni Wien.
Patient:innen mit Venenthrombose oder Pulmonalembolie, bei denen keine zeitlich begrenzte auslösende Ursache für dieses Ereignis gefunden werden kann, haben ein hohes Rezidivrisiko. Innerhalb von fünf Jahren erleidet etwa ein Drittel dieser Patient:innen eine neuerliche VTE und etwa 4 % der Patient:innen mit Rezidiv versterben an einer Pulmonalembolie. Diese Patient:innen würden von einer langdauernden Antikoagulation durchaus profitieren. Die Mehrheit der Patient:innen (zwei Drittel) haben ein deutlich geringeres Rezidivrisiko und würden im Fall einer langdauernden Antikoagulation einem unnötigen Blutungsrisiko ausgesetzt werden. Es ist daher von größtem klinischen Interesse, Patient:innen mit einem niedrigen Risiko von jenen mit einem hohen Risiko zu unterscheiden.
In die Studie wurden 818 Patient:innen mit einer tiefen Beinvenenthrombose oder einer Pulmonalembolie aufgenommen, die für durchschnittlich vier Monate gerinnungshemmende Medikamente erhalten haben. Das Vorhersagemodell wurde bei diesen Patient:innen drei Wochen nach dem Absetzen der Antkoagulation angewendet. Bei 520 (65%) dieser Patient:innen wurde das Rezidivrisiko laut dem „Vienna Prediction Model“ als niedrig eingestuft. Das Auftreten von Rezidiven wurde über einen Zeitraum von zwei Jahren erfasst.
Die Ergebnisse zeigten, dass das Rezidivrisiko bei diesen Patient:innen nach einem Jahr bei 5,2% lag. „Unser Modell lag nach einem Jahr ganz genau in seinen Vorhersagen“, erklärt Studienleiter Paul A. Kyrle von der MedUni Wien, „die Vorhersage des Risikos bei Patient:innen mit einem 2-Jahres-Rezidivrisiko von mehr als 5% war nichtganz so präzise. Wir haben das Modell deshalb etwas angepasst, um diese Unschärfe auszugleichen.“
Das „adaptierte Vienna Prediction Model“ ist somit internationalen Standards entsprechend überprüft und ist somit eine wertvolle Hilfe in der Entscheidung über die Dauer der Antikoagulation für Ärzt:innen und Patient:innen. Co-Studienleiterin Sabine Eichinger erklärt, welche Erleichterung dieses nun überprüfte Vorhersagemodell für Betroffene bringt: „Das „Vienna Prediction Model“ kann dazu beitragen, Patient:innen mit einer VTE zu identifizieren, die ein geringes Rezidivrisiko haben. Für diese Gruppe kann sich die Therapie so ändern, dass nach einer bestimmten Zeit auf Antikoagulanzien gänzlich verzichtet werden kann. Neben dem Gewinn an Lebensqualität profitieren sie auch davon, dass das mit der Antikoagulation einhergehende Blutungsrisiko wegfällt.“
Wie bereits in einer früheren Studie der Forschungsgruppe von Paul A. Kyrle weltweit erstmals herausgefunden, bestätigte diese Untersuchung auch, dass Männer mit einer Beinvenenthrombose oder Lungenembolie ein höheres Rezidiv haben als Frauen.
Service: European Heart Journal
The Vienna Prediction Model for identifying patients at low risk of recurrent venous thromboembolism: a prospective cohort study
Paul A Kyrle, Lisbeth Eischer, Hana Šinkovec, Paul Gressenberger, Thomas Gary, Marianne Brodmann, Georg Heinze, Sabine Eichinger
European Heart Journal, 2023;, ehad618, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad618