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Forschungsgruppen der MedUni Wien erhalten umfangreiche Grants der Ludwig Boltzmann Gesellschaft

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Bild: LBG
v.l.: Marisa Radatz, LBG-Geschäftsführerin; Thomas Reiberger, Medizinische Universität Wien; Anna Sophie Berghoff, Medizinische Universität Wien; Martin Polaschek, Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung; Freyja-Maria Smolle-Jüttner, LBG-Präsidentin; Sebastian Reinstadler, Medizinische Universität Innsbruck; Elvira Welzig, LBG-Geschäftsführerin

(Wien, 28-09-2023) Zwei Forschungsteams der MedUni Wien wurden bei der Ausschreibung „Klinische Forschungsgruppen 2022/23“ der Ludwig Boltzmann Gesellschaft für eine Förderung in der Höhe von je knapp 8 Mio. Euro für Ihre Forschungsprojekte ausgewählt. Die Fördermittel gehen an Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der Therapien bei Glioblastomen bzw. der Portalen Hypertension.

„Personalized targeted glioblastoma therapies by ex vivo drugscreening: Advanced brain Tumour Therapy Clinical Trial (ATTRACT)”
Anna Sophie Berghoff (Head) und Matthias Preusser (Mentor)

Glioblastome sind die häufigsten malignen Hirntumoren bei Erwachsenen und durch eine schlechte Prognose sowie hohe Morbidität und Symptomlast charakterisiert. Trotz intensiver Forschung konnten keine therapeutischen Durchbrüche erzielt werden, was unter anderem mit der limitierten Bioverfügbarkeit von Wirkstoffen und hohen intrinsischen Resistenzraten zusammenhängt. Bei ungefähr 60-70% der Glioblastome ist der Promotor des O6-Methylguanin-Methyltransferase (MGMT) Gens unmethyliert, was zu besonders ausgeprägter Chemoresistenz und schlechten Outcomes führt. Daher ist die Entwicklung individualisierter Therapieansätze auf Basis der Tumorbiologie dringend notwendig.

Das Projekt „Personalized targeted glioblastoma therapies by ex vivo drugscreening: Advanced brain Tumour Therapy Clinical Trial“, kurz ATTRACT, zielt darauf ab, das Konzept funktionaler Präzisionsmedizin zu etablieren und somit Patient:innen eine maßgeschneiderte Therapie zu ermöglichen. Dieses Projekt wird durch ein interdisziplinäres, österreichweites Konsortium unter der Leitung von Matthias Preusser (Mentor), Anna Sophie Berghoff (Head KFG) und Maximilian Mair (Deputy Head KFG) in Kooperationen mit CBMed, der Medizinischen Universität Graz, der Medizinischen Universität Innsbruck, der Karl-Landsteiner Universität / Universitätsklinik St. Pölten, der Johannes Kepler Universität / Kepler Universitätsklinikum, der Danube Private University und des Austrian Institute of Technology (AIT) ermöglicht. An der MedUni Wien sind neben der Klinischen Abteilung für Onkologie (Universitätsklinik für Innere Medizin I), auch die Universitätsklinik für Neurologie, die Universitätsklinik für Neurochirurgie, die Klinische Abteilung für Neuroradiologie und Muskuloskeletale Radiologie (Universitätsklinik für Radiologie) sowie das Institut für Medizinische Statistik und das Institut für Artificial Intelligence des Zentrums für Medical Data Science beteiligt.

Den Grundpfeiler von ATTRACT bildet eine innovative ex vivo Drug-Screening-Plattform, entwickelt von CBMed, welche das Ansprechen von aus Patient:innen gewonnenen Tumorzellen (patient-derived tumour cells, PDCs) gegenüber ausgewählten Wirkstoffen analysiert. Der klinische Nutzen dieses Ansatzes wird in einer prospektiven, multizentrischen, randomisierten Phase 2-Studie untersucht, bei der 240 Erwachsene mit neu diagnostiziertem Glioblastom teilnehmen werden. Die Studiendurchführung wird von der Österreichischen Krebshilfe, der GPMed (Österreichische Gesellschaft für Pharmazeutische Medizin) und dem Klinischen Koordinationszentrum der MedUni Wien unterstützt und wird von einem hochkarätig besetzten internationalen Advisory Board bestehend aus Michael Weller (Klinik für Neurologie, Universitätsspital Zürich), Priscilla Brastianos (Neuro-Oncology, Cancer Center, Massachusetts General Hospital,), Annette Kopp-Schneider (Abteilung Biostatistik, Deutsches Krebsforschungszentrum), Markus Zeitlinger (Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie, Medizinische Universität Wien), D.H. Nam (Samsung Medical Center, Seoul) und Helen Bulbeck (Vorsitzende der Patient:innen Organisation Braintrust, UK) begleitet.

„Die Förderung „Klinische Forschungsgruppen“ der Ludwig Boltzmann Gesellschaft ist eine für die klinisch akademische Forschung bisher einzigartige Förderungsmöglichkeit In Österreich“, erklärt Studienleiterin Anna Sophie Berghoff, „ATTRACT ist ein schon viele Jahre überlegtes, hoch innovatives Studienprojekt, bisher fehlte jedoch die Möglichkeit eine akademische Studie dieser Größe in Österreich zu finanzieren.“ Und „Mentor“ Matthias Preusser fügt hinzu: „ATTRACT wird auch von internationalen Kolleg:innen als führendes Forschungsprojekt angesehen und bringt erstmals hier in Österreich personalisierte Therapie auf Basis von individualisiertem Medikamentenscreening im Rahmen einer randomisierten Studie zur Anwendung bei Patient:innen mit neu diagnostiziertem Glioblastom“.

Zusätzlich wird eine einzigartige Biobank aufgebaut, welche PDCs, Informationen zum Ansprechen verschiedener Wirkstoffe, Tumorgewebeproben und ausführliche klinische Informationen für weiterführende funktionelle und translationale Forschung zur Verfügung stellt. Hierbei sollen Therapieresistenz und -sensitivität mittels genetischer, epigenetischer und metabolischer Methoden an PDCs und Tumorgewebeproben untersucht werden. Unter Einbeziehung von digitalisierten histologischen Schnitten sowie radiologischer Daten werden die Ergebnisse mit klinischen Informationen korreliert. Eine integrative, KI-basierte Datenanalyse soll die Identifizierung von neuen, plattformübergreifenden Biomarkern ermöglichen. ATTRACT wird daher umfassende Einblicke in die Biologie des Glioblastoms ermöglichen und somit die Grundlage für die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden bilden.

“Disease-driving mechanisms in patients with portal hypertension”
Thomas Reiberger (Head) und Michael Trauner (Mentor)

Die Portale Hypertension (PH) ist eine schwerwiegende Komplikationen von Patient:innen mit Lebererkrankungen und die Hauptursache für die leberbedingte Sterblichkeit, die weltweit mehr als 2 Millionen (4 % aller) Todesfälle ausmacht. Als einzige (off-label) Therapie stehen nicht-selektive Betablocker (NSBBs) zur Verfügung, wobei nur etwa 60% der Patient:innen auf diese Therapie ansprechen. Seit >30 Jahren wurde keine andere wirksame medizinische Behandlung in der klinischen Praxis etabliert. Ein besseres Verständnis der molekularen Mechanismen für das Fortschreiten und die Rückbildung der PH bei Lebererkrankungen wird dazu beitragen, dringend benötigte PH-Behandlungen für betroffene Patient:innen zu finden.  

Die klinische Forschungsgruppe (KFG) MOTION besteht aus einem Team klinischer Expert:innen der Medizinischen Universität Wien für Hepatologie, Radiologie und Anästhesie mit intensivmedizinischem Fokus auf Gerinnungsstörungen sowie Grundlagenwissenschafter:innen am Zentrum für Molekulare Medizin (CeMM) und an der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie (Universitätsklinik für Innere Medizin III). Basierend auf Erfahrungen aus bereits laufenden prospektiven Biobank-Registerstudien, in die Patient:innen mit Leberzirrhose (VICIS: Vienna Cirrhosis Study, clinicaltrials.gov NCT03267615) und vaskulären Lebererkrankungen (VALID: Vienna Vascular Liver Disease Study, clinicaltrials.gov NCT03541057) eingeschlossen werden, wird der Schweregrad der PH mittels invasivem Goldstandard, der Lebervenendruckmessung (HVPG) und modernen nicht-invasiven Verfahren, wie der Leber- (LSM) und Milz-Elastographie (SSM) charakterisiert. Das Hepatische Hämodynamiklabor (Vienna Hepatic Hemodynamic Lab) der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie am Universitätsklinikum AKH Wien unter der Leitung von Mattias Mandorfer (Deputy-Head der KFG MOTION) nimmt bei der Optimierung dieser Methodiken seit Jahren eine internationale Vorreiterrolle ein.

Im Rahmen der KFG werden drei ‚investigator-driven‘ klinische Studien an Patient:innen mit (i) kompensierter Leberzirrhose (cACLD), (ii) dekompensierter Leberzirrhose (dACLD) und (iii) vaskulären Lebererkrankungen (PSVD) durchgeführt, die vielversprechende neue Therapien zur PH testen: Die TECA Studie untersucht die Effekte des Renin-Angiotensin System (RAS) Blockers Telmisartan auf den HVPG bei cACLD Patient:innen, nachdem das RAS eine zentrale Bedeutung beim Vernarbungsprozess (Fibrosierung) der Leber spielt. In der NOPE Studie werden die Effekte von Norfloxacin, das v.a. am Darmmikrobiom und der bakteriellen Translokation ansetzt, auf den HVPG untersucht. Durch die Norfloxacintherapie erhoffen sich die Forscher auch eine Hemmung der systemischen Entzündungsprozesse und somit eine geringere Rate an schwerwiegenden Komplikationen bei dACLD Patient:innen. In der EXPOSURE Studie wird die Sicherheit und präliminäre Effektivität des direkten Blutgerinnungshemmers Edoxaban bei PSVD Patient:innen untersucht, nachdem bei vaskulären Lebererkrankungen häufig eine prothrombotische Neigung vorliegt.

In insgesamt 8 Workpackages werden von der KFG MOTION grundlegende Pathomechanismen der Portalen Hypertension untersucht, so kommen moderne Peptid- und Enzymassays zur Charakterisierung des klassischen und alternativen RAS zum Einsatz, Genexpressionsanalysen durch RNA-Sequenzierung von Lebergewebe und Darmbiopsien, Bestimmung des intestinalen Mikrobioms und Untersuchungen von Blutmetaboliten in der CeMM Core-Facility for Metabolomics. Weiters werden detaillierte Analysen der Blutgerinnungskaskade bei cACLD, dACLD und PSVD Patient:innen durchgeführt, mit denen auch die Effekte der Edoxaban-Therapie in der EXPOSURE Studie überwacht werden. In einem eigenen Radiomics Workpackage kommen Machine-Learning Modelle zum Einsatz, um den enormen Dateninput moderner CT-Schnittbildgebungsverfahren zu verarbeiten und zu analysieren. Im einem weiteren Workpackage werden vaskuläre Veränderungen bei PH unter anderem durch die Einzel-Zell-Sequenzierung von isolierten, zirkulierenden Endothelzellen untersucht, sowie systemischen Angiogenese-Botenstoffe durch Multiplex-ELISAs und strukturelle Veränderungen an den Lebersinusoiden durch histologische Färbungen charakterisiert.

Zusammenfassend, zielt das Team der KFG Motion darauf ab, spezifische pathophysiologische Mechanismen der PH bei kompensierter (cACLD) und dekompensierter (dACLD) Zirrhose sowie bei PSVD durch modernste Technologie und State-of-the-Art Methodik zu erforschen, um die Diagnose, nicht-invasive Überwachung, Therapie und Prognose von Patient:innen mit PH zu verbessern.

Forschungsprogramme mit einem klaren Fokus auf patient:innenorientierte, medizinisch relevante Themen
Die Ausschreibung zu LBG Klinische Forschungsgruppen (KFG) setzt sich zum Ziel, mittelfristig angelegte, kollaborative Forschungsprogramme mit einem klaren Fokus auf patient:innenorientierte, medizinisch relevante Themen im Gebiet der nicht-kommerziellen klinischen Forschung zu fördern.

Unterstützt wird die Erarbeitung innovativer Forschungsergebnisse in der krankheits- oder patient:innenorientierten klinischen Forschung im Rahmen von investigator-initiated klinischen Studien, mit der Möglichkeit der Integration translationaler Aspekte. Gleichzeitig sollen im Sinne der Nachwuchsförderung jungen klinischen Forscher:innen hochqualitative Trainingsmöglichkeiten geboten werden. Die KFG soll ein kohärentes Forschungsprogramm adressieren, welches aus mehreren Arbeitspaketen/Teilprojekten besteht.

Das Gesamtbudget der Ausschreibung 2022/23 beträgt 24 Mio, Euro (16 Mio. vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) und 8 Mio. Euro vom Fonds Zukunft Österreich). Teilnehmende Institutionen müssen mindestens 10% der KFG-Kosten aus Eigenmitteln einsetzen. Dauer: 4 + 4 Jahre (zweite Förderperiode nach erfolgreicher Zwischenevaluierung)

In der Kurzantragsfrist der ersten Ausschreibung wurden 44 Anträge eingebracht. Nach der Evaluierung durch die internationale Expert:innen-Kommission wurden 8 Gruppen zur Vollantragsrunde sowie zur Präsentation ihrer Vorhaben vor der Expert:innen-Kommission eingeladen, und letztendlich 3 Anträge zur Förderung Ihrer KFG ausgewählt.

Der dritte Grant dieser Ausschreibung ging an Sebastian Reinstadler von der Medizinischen Universität Innsbruck für das Projekt "Austrian Digital Heart Program". Er wird in einem bevölkerungsbasierten und österreichweiten Ansatz untersuchen, ob durch eine digitale Strategie Vorhofflimmern möglichst frühzeitig erkannt und behandelt werden kann. Menschen sollen demnach mit ihrem eigenen Smartphone Vorhofflimmern erkennen und dessen Therapie überwachen können.