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MedUni Wien trauert um Gustav Paumgartner

Langjähriger Gastprofessor an der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie verstorben
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(Wien, 25-09-2023) Die MedUni Wien trauert um Univ. Prof. Dr. Gustav Paumgartner, der im Alter von 89 Jahren verstorben ist. Nach seiner Emeritierung als Professor für Innere Medizin und Direktor der Medizinischen Klinik II an die Ludwig-Maximilians-Universität München war Paumgartner seit 2013 als Gastprofessor an der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie an der Universitätsklinik für Innere Medizin III der Medizinischen Universität Wien weiterhin wissenschaftlich aktiv.

Gustav Paumgartner wurde 1933 in Neumarkt in der Steiermark geboren und erhielt seine Schulbildung am Lichtenfels Gymnasium in Graz. Ein erster Auslandsaufenthalt als junger Stipendiat an der Princeton University erweckte bereits sehr früh seine tiefe Faszination für die biologischen Wissenschaften. In weiterer Folge absolvierte er sein Medizinstudium in Graz und Wien wo er 1960 promovierte. Danach war er am Pharmakologischen Institut bei Otto Kraupp und an der Medizinischen Klinik II der Universität Wien als Assistent und Oberarzt tätig. Ein weiterer Forschungsaufenthalt führte ihn zu Carroll Leevy am New Jersey College of Medicine in die USA, wo er die Grundlagen für die Indocyanin Grün (ICG) Clearance als Leberfunktionstest entdeckte. Von Wien ging er 1971 an das Institut für Klinische Pharmakologie der Universität Bern, wo er sich in Klinischer Pharmakologie und Hepatologie habilitierte und zum Extraordinarius sowie zum Vizedirektor des Institutes ernannt wurde. Dort führte Paumgartner weitere bahnbrechende Arbeiten zum heutigen Verständnis der Gallensäurensekretion durch. 1979 folgte er einem Ruf als ordentlicher Professor für Innere Medizin und als Direktor der Medizinischen Klinik II an die Ludwig-Maximilians-Universität München. Nach seiner Emeritierung 1999 leitete er bis 2010 die Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Mit seiner Rückkehr nach Wien war er seit 2013 als Gastprofessor an der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie an der Universitätsklinik für Innere Medizin III im Hans Popper Labor für Molekulare Hepatologie weiterhin wissenschaftlich aktiv. Damit hat sich der Kreislauf seiner unglaublich produktiven, über 50-jährigen wissenschaftlichen Karriere, die in Wien begonnen und geendet hat, geschlossen.

Der Schwerpunkt der wissenschaftlichen und klinischen Tätigkeit von Gustav Paumgartner lag auf dem Gebiet der Gallensekretion und ihrer Störungen im Rahmen cholestatischer Lebererkrankungen. Als ein „Physician Scientist“ war es ihm immer ein zentrales Anliegen, Grundlagenforschung und klinische Forschung miteinander zu verbinden. Neben grundlegenden physiologischen und pathophysiologischen Erkenntnissen zu den Mechanismen der Gallensekretion und Cholestase, widmete sich seine Forschung intensiv der Rolle von Gallensäuren als Therapeutika wie z.B. der Ursodeoxycholsäure zur Behandlung des Gallensteinleidens und chronischer cholestatischer Leberkrankheiten wie der primär biliären Cholangitis (PBC) und primär sklerosierenden Cholangitis (PSC). Gustav Paumgartner war immer federführend an der Anwendung neuester Techniken in der Erforschung von Krankheitsmechanismen und Entwicklung neuer Therapiekonzepte beteiligt, beispielhaft seien hier die massenspektrometrische Analyse von Gallensäuren bei Lebererkrankungen und die Entwicklung der Stoßwellen-Lithotripsie in der konservativen Behandlung von Gallensteinen genannt. Seine Arbeiten fanden in über 500 wissenschaftlichen Veröffentlichungen in den Topjournalen des Fachgebietes der Inneren Medizin, Gastroenterologie und Hepatologie, sowie Buchbeiträge und Kapitel in den international führenden Lehrbüchern  (z.B. Harrison’s Principles of Internal Medicine) ihren Niederschlag.

Gustav Paumgartner war einer der ersten Editor-in-Chief des Journal of Hepatology, der den Aufschwung des nun international führen Leberjournals entscheidend geprägt hat, sowie Associate Editor von Hepatology und European  Board Member des New England Journal of Medicine. In der European Association for the Study of the Liver (EASL) diente er als Generalsekretär, Präsident und Ehrenpräsident. Für seine Arbeiten erhielt er zahlreiche Ehrungen und Preise, u.a. auch den EASL Recognition Award 2017 der europäischen Lebergesellschaft, er war auch Fellow des Royal College of Physicians und Ehrenmitglied der American Association of Physicians.

An der Hepatologie und der Wissenschaft blieb er über seine Emeritierung hinaus aktiv engagiert und stand als Mentor den jüngeren Kolleg:innen der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie an der MedUni Wien immer mit Rat und Tat zur Seite. Seine visionären und bahnbrechenden Ideen waren eine große Inspiration und Motivation für die gesamte hepatologische und gastroenterologische Forschungsgemeinschaft weltweit. In der Geschichte der Hepatologie wird er als Forscher und Mentor zahlreicher internationaler Karrieren immer einen besonderen Platz einnehmen. Er erkannte und förderte eine Vielzahl an jungen Talenten, er war einer der wenigen Ordinarien, die auch bei größeren internationalen Meetings auch bei den Postern der jüngsten Mitarbeiter:innen anzutreffen waren. Mit seiner großzügigen und in sich ruhenden Persönlichkeit hatte er die Gabe, dass diese stimulierenden und sehr in die Tiefe gehenden Diskussionen – trotz offensichtlicher Unterschiede in Wissen und Erfahrung – vom Gegenüber immer als „auf gleicher Augenhöhe“ empfunden wurden. Es ging ihm immer um den Inhalt und nie um Rang oder Namen. Trotz seiner großen Errungenschaften war sein Auftreten immer von Bescheidenheit und Demut vor dem Leben geprägt, was sich neben seiner klinischen und wissenschaftlichen Tätigkeit auch in seiner Liebe zur Natur, Musik und Literatur ausdrückte. Zusätzlich zur Organisation zahlreicher großer internationaler Meetings auf dem Gebiet der Gastroenterologie und Hepatologie wusste er mit seinen sommerlichen Retreats im väterlichen Pichlschloss in Neumarkt seine herzliche Gastfreundschaft mit Natur und wissenschaftlicher Exzellenz zu verbinden. „Make a plan and stick to it“ war ein Motto, das sich von seiner Arbeit bis hin zur Absolvierung manch hochsommerlicher (oft gewittergeneigter) Bergtour durchzog. Gerne verwies er im Zusammenhang mit der Bedeutung des Serendipitätsprinzips in der Wissenschaft auf Johann Wolfgang von Goethe: „Die Gelegenheiten sind die wahren Musen, sie rütteln uns auf aus Träumereien und man muß es ihnen durchaus danken“.

Seine Kolleg:innen, Mitarbeiter:innen, Schüler und Freunde verlieren mit Gustav Paumgartner einen inspirierenden Forscher, Kliniker, Mentor und Lehrer und allseits bewunderten hochgeschätzten, großzügigen Menschen, der mit seinen bahnbrechenden und zukunftsweisenden Gedanken und Ideen immer seiner Zeit voraus war. Unsere Anteilnahme gilt seiner Familie! Wir alle an der Medizinischen Universität Wien, aber auch alle Freunde und Kolleg:innen weltweit werden ihn sehr vermissen und in dankbarer und ehrenvoller Erinnerung bewahren.

Univ. Prof. Dr. Michael Trauner,
Leiter der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie
im Namen aller Kolleginnen und Kollegen