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Mechanismen bei postoperativen Schmerzen entdeckt

Studie zeigt neue Möglichkeit für wirksame und gezielte Therapie auf
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(c) 2012 taro911 Photographer/Shutterstock

(Wien, 23-08-2024) Eine internationale Forschungsgruppe unter der Leitung von MedUni Wien und IMBA – Institute of Molecular Biotechnology, Wien, hat entscheidende Fortschritte im Verständnis jener Mechanismen erzielt, die das Schmerzempfinden nach chirurgischen Eingriffen beeinflussen. Derzeit verfügbare Behandlungsmethoden für postoperative Schmerzen sind mit teils erheblichen Nebenwirkungen verbunden und oft nur begrenzt wirksam. Die aktuell gewonnenen Erkenntnisse zeigen eine neue Möglichkeit für eine lokale und gezielte Therapie auf. Die Studie wurde nun in der renommierten Fachzeitschrift „Science Immunology“ veröffentlicht.

Bei seinen Forschungen baute das Team um die Studienleiter Philipp Starkl, Shane Cronin und Josef Penninger auf frühere Erkenntnisse zur Rolle der Substanz Tetrahydrobiopterin (BH4) bei neuropatischen Schmerzen auf: Je höher die Konzentration von BH4, desto stärker die Nervenschmerzen. „Ob diese Korrelation auch bei postoperativen Schmerzen gilt, wurde bisher nicht untersucht“, beschreibt Josef Penninger (Klinisches Institut für Labormedizin der MedUni Wien, IMBA, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Braunschweig) die Ausgangssituation der Studie.

(c) R. Jain/S.Tikoo/MedUni Wien
Im Bild Schmerzneuronen in der Haut (pink) und Mastzellen (gelb). Blau markiert ist jene Untergruppe von Schmerzneuronen (Substanz P+Neuronen), die die naheglegenen Mastzellen aktivieren, um den Schmerz nach einer Verletzung durch einen chrirugischen Eingriff auslösen.

In einer Reihe von Experimenten an Mausmodellen mit chirurgisch ausgelösten Hautverletzungen und mithilfe neuartiger Analysemethoden brachten die Forscher:innen sowohl die zentrale Rolle von BH4 bei postoperativen Schmerzen als auch die zugrundeliegenden Mechanismen ans Licht. Wie sich herausstellte, spielt das angeborene Immunsystem dabei eine entscheidende Rolle. Denn die Signalkaskade startet in speziellen Immunzellen (Mastzellen), die in der Nähe von schmerzempfindlichen Nervenzellen in der Haut positioniert sind und nach einer Operation als Produktionsstätte für BH4 fungieren. „Bei Mäusen, deren Mastzellen kein BH4 produzierten, konnten wir eine drastisch verringerte Schmerzempfindlichkeit nach einem chirurgischen Eingriff beobachten. Umgekehrt zeigte sich, dass eine erhöhte BH4-Produktion durch Mastzellen mit stärkeren Schmerzen verbunden war“, berichtet Shane Cronin (Klinisches Institut für Labormedizin der MedUni Wien, IMBA) über Details. Mit der Schlüsselrolle von Mastzellen beim Schmerzempfinden hat das Forschungsteam auch eine mögliche Lösung für das Rätsel um die Funktion dieser Zellen im Körper gefunden: „Bisher kannte man vor allem ihren Einfluss bei allergischen Reaktionen und fragte sich, warum wir diesen Zelltyp über Hunderte von Millionen Jahren Evolution trotz seiner schädlichen und gefährlichen Rolle bei Allergien behalten haben“, unterstreicht Philipp Starkl (Universitätsklinik für Innere Medizin I der MedUni Wien) die Tragweite der Erkenntnisse.

Wirkstoff mit Potenzial entwickelt
Schmerzen sind wichtig, um den Körper vor Gefahren zu warnen und eine effiziente Heilung nach Verletzungen sicherzustellen. Postoperative Schmerzen werden allerdings in vielen Fällen chronisch und halten noch zumindest drei Monate nach dem Eingriff an, obwohl der Körper bereits geheilt ist. Bisherige Behandlungsmethoden sind mit teils erheblichen Nebenwirkungen verbunden und oft nur begrenzt wirksam. Auf der Suche nach Alternativen steht die Erforschung der molekularen und zellulären Mechanismen, die am postoperativen Schmerzempfinden beteiligt sind, schon länger im Fokus der medizinischen Wissenschaft. Mit der Blockade der BH4-Produktion in Mastzellen wurde nun ein vielversprechender Ansatz gefunden. Dazu hat das Team um Starkl, Penninger und Cronin bereits einen therapeutischen Ansatz entwickelt, bei dem eine Wirksubstanz direkt auf die Haut aufgetragen werden kann, um die BH4-Konzentration spezifisch und prophylaktisch zu verringern. „Wir sehen hier großes Potenzial für eine lokale und gezielte Therapiemöglichkeit, um sowohl postoperative Schmerzen als auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Schmerz chronisch wird, zu reduzieren“, betonen die Studienautoren im Vorfeld weiterer Untersuchungen, die die Ergebnisse vertiefen und bestätigen sollen.

Publikation: Science Immunology
Mast cell-derived BH4 and serotonin are critical mediators of 1 postoperative pain.
Philipp Starkl, Gustav Jonsson, Tyler Artner, Bruna Lenfers Turnes, Laura-Marie Gail, Tiago Oliveira, Aakanksha Jain, Nadine Serhan, Karel Stejskal, Karin Lakovits, Anastasiya Hladik, Meilin An, Keith M. Channon, Hail Kim, Thomas Köcher, Wolfgang Weninger, Georg Stary, Sylvia Knapp, Victoria Klang, Nicolas Gaudenzio, Clifford J. Woolf, Shweta Tikoo, Rohit Jain, Josef M. Penninger, Shane J.F. Cronin.
DOI: 10.1126/sciimmunol.adh0545