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Faktoren für Verschwörungsglauben erforscht

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(Wien, 07-02-2024) Im Zuge der COVID-19-Pandemie wurde, insbesondere bei der Impfdebatte, die Macht von Verschwörungstheorien deutlich. Welche Faktoren verstärken den Glauben an diese Trugbilder? Diesen Themenkomplex analysierten Emilie Han und Eva Schernhammer von der MedUni Wien in Zusammenarbeit mit der Universität für Weiterbildung Krems im Rahmen einer Studie, die kürzlich in „SN Social Sciences“ publiziert wurde.

Drei Fragekomplexe standen im Fokus der Forschungsarbeit: Welche Faktoren stehen im Zusammenhang mit pandemiebezogenem Verschwörungsglauben während der COVID-19-Pandemie? Welcher Zusammenhang besteht zwischen Bildung und sozioökonomischen Faktoren und dem Glauben an pandemiebezogene Verschwörungstheorien? Und: Können Komplexitätsdenken und bestimmte Persönlichkeitsmerkmale als „Schutzfaktoren“ gegen Verschwörungsvorstellungen identifiziert werden? Die Daten zu diesen Fragen wurden zwischen Juli und August 2021 im Rahmen einer Online-Umfrage unter 3.067 Erwachsenen erhoben. Die Teilnehmer:innen waren zwischen 18 und 90 Jahren alt, deutschsprachig und in Deutschland, Österreich oder der Schweiz wohnhaft. Der Fragebogen, erstellt von Mitgliedern des Forschungsteams, umfasste 74 Fragen zu Lebensstil, Gesundheit und COVID-19-bezogenen Maßnahmen und Verhaltensweisen. Die Analyse berücksichtigte individuelle Persönlichkeitsmerkmale, umfeldspezifische Faktoren und Komplexitätsdenken. Unter Komplexitätsdenken wird die Fähigkeit verstanden, auch nicht-evidente Strukturen und Zusammenhänge in komplexen realen Systemen zu erkennen, sowie die damit in Verbindung stehenden Anpassungsfähigkeiten und selbst-entstehenden Eigenschaften.

So zeigte sich, dass vor allem höhere Werte von Komplexitätsdenken, aber auch ein höherer Bildungsgrad sowie ein höheres Haushaltseinkommen mit einem niedrigeren Wert an Verschwörungsglauben zusammenhängen. Der Impfstatus der Studienteilnehmer:innen war am stärksten mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit des Glaubens an Verschwörungen assoziiert. Teilnehmer:innen, die angaben, dass weder sie selbst noch ihre engen Kontaktpersonen geimpft waren, hatten eine zehnmal höhere Wahrscheinlichkeit, einen hohen Wert bei Verschwörungsglauben zu erzielen, als geimpfte Teilnehmer:innen. Ein weiterer Zusammenhang zeigte sich bei regelmäßigen Besucher:innen religiöser Zusammenkünfte. Ihre Werte bei Verschwörungsglauben waren sechsmal so wahrscheinlich im hohen Bereich. Auch bei Nichtwähler:innen bzw. Studienteilnehmer:innen, die zuletzt eine Oppositionspartei gewählt haben, wurde eine größere Wahrscheinlichkeit für höhere Verschwörungsglaubenswerte nachgewiesen, im Vergleich zu Personen, die eine der gegenwärtig regierenden Parteien gewählt hatten. Hohe Extrovertiertheit ging ebenfalls mit erhöhten Werten bei Verschwörungsglauben einher.

Hohe Werte bei Vertrauen und Optimismus gingen hingegen mit niedrigen Werten bei Verschwörungsglauben einher. Das Vorhandensein einer größeren Anzahl von engen Kontaktpersonen scheint bei den Befragten ebenso mit einem geringeren Verschwörungsglaubenswert zu korrelieren. Nicht zuletzt zeigte sich, dass es bei Teilnehmer:innen mit Studienabschluss um 33 Prozent unwahrscheinlicher war, dass sie einen hohen Wert bei Verschwörungsglauben aufwiesen, als bei Menschen mit Mittelschulausbildung. Bildung ist ein wichtiger Faktor, der die kognitive Kapazität für Komplexität erhöhen kann, indem Menschen lernen, analytisch zu denken und die Nuancen verschiedener komplexer Situationen zu erkennen, anstatt sie zu vereinfachen, so die Schlussfolgerung der Studienautor:innen. Entsprechend könne (Weiter)Bildung von komplexem Denken eine langfristige Strategie zur Verringerung der Neigung zu Verschwörungsglauben darstellen.

Publikation: SN Social Sciences
Association of personality traits and socio‑environmental factors with COVID‑19 pandemic‑related conspiratorial thinking in the D‑A‑CH region
Emilie Han, Jakob Weitzer, Brenda M. Birmann, Martin Bertau, Lukas Zenk,  Guido Caniglia, ·Manfred D. Laubichler, Eva S. Schernhammer, Gerald Steiner
https://doi.org/10.1007/s43545-023-00790-9