(Wien, 28-11-2024) Können kleine Eiweißmoleküle aus Pflanzen, Insekten, Kegelschnecken oder Schlangen als Bauplan für Wirkstoffe mit reduzierten Nebenwirkungen dienen? Dieser Frage will das internationale Konsortium „Biodiversity2Drugs“ unter der Leitung von Michael Freissmuth und Christian Gruber von der MedUni Wien im Rahmen von BIODIVERSA+ nachgehen. Das Projekt vereint 25 Partner aus 18 Ländern und widmet sich der nachhaltigen Erforschung natürlicher Peptidressourcen zur Entwicklung neuer Medikamente. Österreichischer Fördergeber ist der FWF, die Laufzeit beträgt drei Jahre.
Am Institut für Pharmakologie des Zentrums für Physiologie und Pharmakologie der MedUni Wien liegt der Fokus von „Biodiversity2Drugs“ auf der Entdeckung und Isolierung von Peptiden aus einer Vielzahl natürlicher Quellen, z. B. Abwehrpeptide aus Pflanzen, Peptidhormone aus Insekten und Peptidgifte aus Kegelschnecken oder Schlangen. Mit Hilfe computergestützter Verfahren werden diese Moleküle aus großen genomischen Datensätzen identifiziert und durch chemische Extraktion isoliert. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der pharmakologischen Analyse zellulärer Rezeptoren, insbesondere der sogenannten G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (engl.: GPCRs), die zu den wichtigsten Zielstrukturen für Medikamente zählen.
„Unser Ziel ist es, neue Wirkstoffkandidaten mit spezifischen Bindungseigenschaften und optimierten pharmakologischen Eigenschaften zu identifizieren, die eine bessere Wirksamkeit bei geringeren Nebenwirkungen aufweisen“, so die Projektleiter Michael Freissmuth und Christian Gruber. Damit sollen zum einen der molekulare Mechanismus der Signalübertragung erklärt werden und zum anderen neue Therapien gegen chronische Schmerzen, Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose und Morbus Crohn sowie zur Behandlung anderer chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen entwickelt werden.
Das Gesamtprojekt „Biodiversity2Drugs“ befasst sich mit der nachhaltigen Erforschung terrestrischer und aquatischer Bioressourcen und der gezielten Umsetzung dieser Naturstoffe in die Arzneimittelentwicklung. Ziel ist die Entwicklung und Erforschung der Wirkweise von innovativen Wirkstoffen, die nachhaltig aus natürlichen Quellen isoliert und umweltschonend hergestellt werden können, um so zum Schutz und Erhalt der globalen Biodiversität beizutragen. Das Konsortium bringt führende Expert:innen aus den Bereichen Peptidforschung, Ökologie und Evolution, Bioinformatik, Chemie und Pharmakologie zusammen, um das unschätzbare Potenzial der Natur in die medizinische Anwendung zu überführen.
Zur Person:
Michael Freissmuth
Michael Freissmuth studierte in Wien Medizin, wurde als Pharmakologe in Wien und in Dallas ausgebildet und ist Professor und Leiter des Instituts für Pharmakologie und des Zentrums für Physiologie und Pharmakologie an der Medizinischen Universität Wien. Seine Forschungsarbeit konzentriert sich auf die Mechanismen der Signalübertragung im Nervensystem, insbesondere auf Transportproteine und Rezeptoren, die bei neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen eine zentrale Rolle spielen. Freissmuth wirkt als Experte in wichtigen nationalen Gremien mit, u.a. als ein Vorsitzender der Heillmittelevaluierungskommission (des Dachverbands der österreichischen Sozialversicherungen) und des Bewertungsboards für spezialisierte, hochpreisige Arzneimittel.
Christian Gruber
Christian Gruber ist Biochemiker, und promovierte an der University of Queensland in Australien. Ein „Lise Meitner“-Postdoc-Stipendium führte in 2008 an ans Institut für Pharmakologie der Medizinischen Universität Wien. Nach Forschungsaufenthalten in Südamerika und Australien, ist er seit 2016 Associate Professor am Institut für Pharmakologie der MedUni Wien. Für seine Forschung wurde er u.a. mit dem Heribert-Konzett Preis der Österreichischen Pharmakologischen Gesellschaft (2013) und dem Dr. Willmar Schwabe Award der Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung (2014) ausgezeichnet. Die Forschungsschwerpunkte seiner Arbeitsgruppe sind die Untersuchung der pharmakologischen Wirkung und der biochemischen Mechanismen von Peptidhormonen aus Insekten, Pflanzentoxinen und Tiergiften und deren mögliche Anwendung als Arzneistoffkandidaten für Autoimmunerkrankungen und Schmerzbehandlung zu untersuchen. (https://www.gruber-lab.com)