Wien, 28-11-2024) Eine aktuelle Forschungsarbeit des Interuniversitären Kooperationszentrums Wasser und Gesundheit von MedUni Wien, TU Wien und Karl Landsteiner Universität Krems schafft weltweit erstmals die Möglichkeit kleinräumige, durch Binnenschiffe verursachte Abwasser- und Fäkalieneinträge in Fließgewässern präzise nachzuweisen. Dafür wurde eine neue integrative Methode entwickelt. Der erste praktische Einsatz auf einem 230 Kilometer langen Streckenabschnitt der Donau belegte zum einen das hohe Eintragspotential der Binnenschifffahrt bei nicht ordnungsgemäßer Abwasserentsorgung, deutete zum anderen aber auch an, dass im Untersuchungszeitraum eine ordnungsgemäße Entsorgung erfolgte. Die in der Fachwelt viel beachtete Methodik wurde nun international mit allen Details veröffentlicht. Dies ermöglicht ihren Einsatz auch in anderen schiffbaren Gewässern der Welt.
In den letzten Jahren tauchten immer wieder stark emotional geprägte Vorwürfe auf, dass Flusskreuzfahrt-, Linien- und Frachtschiffe zu einem lokalen und starken Fäkalieneintrag in der Donau führen könnten. Ein Team um Andreas Farnleitner (KL Krems und TU Wien) und Alexander Kirschner (MedUni Wien) machte sich daher daran, das Eintragspotential aus dieser Quelle erstmals wissenschaftlich zu berechnen und gleichzeitig eine Methode zu entwickeln, das wahre Ausmaß präzise und mit hoher räumlicher Auflösung zu ermitteln. Als Ergebnis konnte nun ein weltweit einzigartiges Verfahren zur Abschätzung und Erfassung von Abwassereinträgen der Binnenschifffahrt vorgestellt werden. Konkret angewendet wurde diese dabei bereits an einem 230 km langen Streckenabschnitt, der sowohl die Wachau als auch Wien umfasste.
Dreistufiges Verfahren
Am von Regina Sommer und Andreas Farnleitner geleiteten ICC Water & Health, das aus Forschungsgruppen der TU Wien, der MedUni Wien und der Karl Landsteiner Privatuniversität Krems besteht, fließen die wissenschaftlichen Kompetenzen der gesundheits-bezogenen Wasserqualitätsanalyse in Österreich zusammen. In dieser Studie arbeitete das ICC Water & Heath eng mit der Abteilung Wasserwirtschaft der Niederösterreichischen Landesregierung zusammen. „Unsere neu entwickelte Methode“, erläutert Alexander Kirschner (Institut für Hygiene und Angewandte Immunologie der MedUni Wien) „basiert auf einem dreistufigen Verfahren, das theoretische Vorhersagen des Verschmutzungspotentiales, exakte Feldnachweismethoden und komplexe statistische Berechnungen integriert.“
Die Methode umfasst in einem ersten Schritt die Berechnung der möglichen Einträge von Fäkalindikatorbakterien (E. coli) innerhalb eines bestimmten Flussabschnittes (sogenanntes „Pollution Source Profiling“). Dabei werden die theoretisch möglichen Einträge aus kommunalen Kläranlagen und aus der Binnenschifffahrt getrennt berechnet. Grundlage dieser Berechnungen sind bekannte Größenordnungen für die Anzahl an relevanten Fäkalindikatorbakterien, die Menschen pro Tag ausscheiden (aus Einwohner-, Touristen-, Passagier- und Besatzungszahlen ermittelt). Außerdem fließen Daten zur Klärleistung bestehender Anlagen in die Berechnungen mit ein. „Anschließend“, so Farnleitner, „haben wir zwei Szenarien berechnet. Eines, in dem wir von einem sachgemäßen Abwassermanagement an Bord der Binnenschiffe ausgehen – also vorschriftsgemäße Entsorgung bzw. Reduzierung mikrobiologischer fäkaler Belastungen – und ein zweites, in dem wir das Gegenteil annehmen. Das heißt beispielsweise, dass die Abwässer auf Kreuzfahrtschiffen nicht geklärt werden und somit der Eintrag maximal ist.“
Auch Satellitendaten fließen ein
Der zweite Schritt der neuen Methode umfasst umfangreiche Feldmessungen, um die tatsächliche Belastung mit Fäkalindikatorbakterien zu erfassen. Dabei setzte das Team sowohl auf die traditionell angewandte standardisierte Kultivierungsmethode als auch auf modernste molekulargenetische Methoden, die das Team um Farnleitner in den letzten Jahren maßgeblich mitentwickelt hat. Zusätzlich wurden zahlreiche chemische und physikalische Werte der jeweiligen Wasserproben ermittelt. Eine komplexe statistische Analyse bildet dann anschließend den letzten Schritt der neuen Methode. In diese Analyse fließen dabei Satellitendaten (Automated Identification System, AIS) über Schiffsbewegungen im untersuchten Flussabschnitt ein.
„Der Vergleich zwischen den beiden Szenarien aus dem ersten Schritt und den gemessenen Werten“, so Sophia Steinbacher, Erstautorin der Studie und Mitarbeiterin des Zentrums, „ermöglichte es uns dann, mit sehr hoher räumlicher und zeitlicher Genauigkeit Aussagen über die tatsächliche Belastung der Donau mit mikrobiologischen Fäkaleinträgen aus der Binnenschifffahrt zu machen. So konnten wir im analysierten Zeitraum von März 2019 bis März 2020 keine unsachgemäßen Einträge feststellen.“ Für das Team deutet dies darauf hin, dass die Schifffahrt sich an eine vorschriftsmäßige Entsorgung hielt. Eine essenzielle Annahme, insbesondere wenn man das berechnete, hohe Eintragspotential - bei unsachgemäßer Entsorgung - berücksichtigt. Dieses lässt in jedem Fall ein regelmäßiges Monitoring der Wasserqualität für angeraten erscheinen.
Die Auswirkung moderner Abwassermanagementmethoden konnte das Team in den letzten Jahren auch in mehreren anderen und sehr umfassenden Analysen entlang des gesamten Flussverlaufs nachweisen (Joint Danube Survey). Dabei zeigte sich, dass sich die Belastung mit Fäkalindikatorbakterien im Oberlauf der Donau – der weitestgehend durch EU-Staaten verläuft – in den letzten Jahrzehnten sehr verbessert hat. Dazu ist sie im Allgemeinen deutlich niedriger als im mittleren und unteren Flusslauf, der durch mehrere Nicht-EU-Länder führt.
Publikationen:
Water Research
Assessing the impact of inland navigation on the faecal pollution status of large rivers: A novel integrated field approach. S. D. Steinbacher, A. Ameen, K. Demeter, D. Lun, J. Derx, G. Lindner, R. Sommer. R. B. Linke, C. Kolm, K. Zuser, M. Heckel, A. Perschl, G. Blöschl, A. P. Blaschke, A. K. T. Kirschner, A. H. Farnleitner, Water Research 261 (2024).
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0043135424009291
Environmental Science and Pollution Research
Long‑term impact of basin‑wide wastewater management on faecal pollution levels along the entire Danube River. A. K. T. Kirschner, I. Schachner‑Groehs, G. Kavka, E. Hoedl, A. Kovacs, A. H. Farnleitner. Environmental Science and Pollution Research (2024) 31:45697–45710.
https://link.springer.com/article/10.1007/s11356-024-34190-0