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Neue Methode für Analyse von Gehirnprozessen entwickelt

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(c) 2022 Usama0309/Shutterstock

(Wien, 18-02-2024) Ein internationales Forschungsteam unter maßgeblicher Beteiligung von Adam Gosztolai von der MedUni Wien hat eine neue computergestützte Methode entwickelt, die es ermöglicht, neuronale Aktivitätsmuster im Gehirn verschiedener Lebewesen präzise zu analysieren und zu vergleichen. Die Methode namens MARBLE (MAnifold Representation Basis LEarning) nutzt moderne Algorithmen des maschinellen Lernens, um komplexe, dynamische Prozesse im Gehirn zu entschlüsseln, kann aber auch die Forschung in anderen Bereichen voranbringen. Die Studienergebnisse wurden im renommierten Fachjournal „Nature Methods“ veröffentlicht.

„Angenommen, zwei Individuen müssen die gleiche geistige Aufgabe lösen, zum Beispiel den Weg zur Arbeit finden. Wie können wir wissen, dass die beiden gleich denken? Mit anderen Worten: Können uns die Signale eines kleinen Teils der Neuronen im Gehirn allein sagen, ob wir die gleichen oder unterschiedliche Denkstrategien zur Lösung der Aufgabe verwenden?“, verdeutlicht Studienautor Adam Gosztolai vom Institut für Artificial Intelligence des Zentrums für Medical Data Science der MedUni Wien die Ausgangsfrage der Forschung. Die Antwort darauf ist für die Neurowissenschaften von grundlegender Bedeutung, um Ergebnisse aus Forschungsexperimenten mit verschiedenen Tieren validieren zu können. Bisher gibt es nur wenige Hinweise darauf, ob unterschiedliche Lebewesen eine bestimmte experimentelle Aufgabe tatsächlich mit denselben dynamischen Mustern in ihren Gehirnen darstellen. „Die Frage geht jedoch auch über die Neurowissenschaften hinaus, da dynamische Prozesse in verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen vorkommen und somit die Notwendigkeit besteht, dynamische Phänomene auf der Grundlage einer unvollständigen Messung von Systemzuständen zu vergleichen“, sagt Gosztolai.

Um die verborgene Struktur der Hirndynamik unter verschiedenen Versuchsbedingungen und bei unterschiedlichen Tieren aufzudecken, hat ein Forschungsteam der Universität Würzburg, der École Polytechnique Fédérale de Lausanne, des Imperial College London und der MedUni Wien die computergestützte Methode MARBLE entwickelt. Sie beruht auf einer geometrischen Zerlegung der Dynamik, ähnlich den Teilen eines Puzzles. MARBLE versteht sich als Methode zur Beschreibung der Puzzleteile mit Hilfe einer speziellen Form von Deep Learning, die auf gekrümmte Räume ausgelegt ist, die natürliche mathematische Räume für komplexe nichtlineare dynamische Muster des Gehirns sind. „In unserer Arbeit zeigen wir, dass die Dynamik des Gehirns verschiedener Tiere, die die gleiche mentale Strategie anwenden, aus den gleichen dynamischen Puzzlestücken besteht, die jedoch in unterschiedliche gekrümmte Räume eingebettet sind“, erklärt Erstautor Adam Goszolai.

Sei es bei Navigationsaufgaben wie dem Finden des Arbeitswegs, bei motorischen Aufgaben wie dem Greifen nach dem Arm oder auch bei abstrakten kognitiven Aufgaben: Mit dem neuen Verfahren lassen sich Dynamiken nicht nur vergleichen, sondern auch mit hoher Genauigkeit dekodieren. Damit eignet sich MARBLE für Brain-Machine-Interface-Anwendungen, bei denen komplexe neuronale Aktivitäten während motorischer oder kognitiver Funktionen zuverlässig in Handlungen dekodiert werden müssen wie z. B. bei der Interaktion mit einer Gliedmaßenprothese.

Die Entwicklung von MARBLE stellt einen wichtigen Fortschritt für die Neurowissenschaften dar, da sie eine präzise Analyse neuronaler Aktivitätsmuster ermöglicht und die Basis für ein besseres Verständnis von Gehirnfunktionen schafft. Die mathematische Grundlage der Methode sei jedoch keineswegs auf Gehirnsignale beschränkt. „Wir gehen davon aus, dass unser Werkzeug auch Forscher:innen in anderen Bereichen der Lebens- und Naturwissenschaften zugute kommen wird, die mehrere Datensätze gemeinsam analysieren wollen“, ist Adam Gosztolai überzeugt.

Publikation: Nature Methods
MARBLE: Interpretable representations of neural population dynamics using geometric deep learning.
Adam Gosztolai and Robert L. Peach (equal contribution), Alexis Arnaudon, Mauricio Barahona, Pierre Vandergheynst.
Doi: 10.1038/s41592-024-02582-2
https://www.nature.com/articles/s41592-024-02582-2