
(Wien, 16-01-2025) Ein Forschungsteam der Medizinischen Universität Wien, der Universität Wien und der Yale School of Public Health hat die Darstellung von Stillen und industriell hergestellter Säuglingsnahrung in mehr als 2.500 Artikeln österreichischer Print- und Online-Medien über einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten (2002–2022) untersucht. Ziel der Studie war es, die Inhalte und Bewertungen der Medienberichte zu analysieren und deren mögliche Auswirkungen auf die öffentliche Wahrnehmung und das Stillverhalten zu beleuchten. Die Ergebnisse wurden aktuell in der Fachzeitschrift Maternal & Child Nutrition publiziert.
Die Analyse zeigt, dass in den meisten der Artikel (49%) das Stillen als Nebenthema dargestellt wurde (Hauptthema 40%). Die Berichterstattung fiel größtenteils neutral aus (66%), während etwa ein Viertel positiv über das Stillen berichtete. In lediglich 8% der Berichte wurde das Thema negativ dargestellt. Diese vorwiegend neutrale Tonart könne, so die Forscher:innen, als vorteilhaft angesehen werden, da das Stillen in einem positiven Licht dargestellt wird, aber auch Herausforderungen wie Hindernisse und Schwierigkeiten angesprochen werden. „Dies verringert den Druck auf Eltern bzw. Mütter, wenn das Stillen aus verschiedenen Gründen schwierig oder gar unmöglich ist“, so Studienleiterin Maria Wakolbinger vom Zentrum für Public Health der MedUni Wien. „Eine sachliche und ausgewogene Berichterstattung kann dazu beitragen, das Stillen in der öffentlichen Wahrnehmung zu entpolarisieren und Familien bei ihrer individuelle Entscheidung über die Ernährung ihres Kindes besser zu unterstützen.“ Stillen wurde in den untersuchten Artikeln signifikant positiver bewertet als industriell hergestellte Säuglingsnahrung (Commercial Milk Formula, CMF).
Stillen gilt als optimale Ernährung für Neugeborene, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt ausschließliches Stillen in den ersten sechs Lebensmonaten. In Österreich werden nur 1,9% der Säuglinge mit sechs Monaten ausschließlich gestillt – ein Wert, der deutlich unter den globalen Durchschnitt von 48% fällt. Die Entscheidung für das Stillen und das Stillverhalten können von vielen Faktoren beeinflusst werden. Soziale Normen, das soziale Umfeld, gesundheitliche Gründe, sowie das Marketing für CMF können dabei genauso eine Rolle spielen wie Medienberichte. Daher sei, so die Forscher:innen, wichtig zu verstehen, wie Stillen und CMF in den österreichischen Medien dargestellt werden und welche Auswirkungen diese Darstellungen auf Familien und die breite Öffentlichkeit haben können.
„Unsere Analyse zeigt zwar einen stabilen Trend in der Aufmerksamkeit für das Thema Stillen und eine neutrale bis positive Darstellung in österreichischen Medien. Die Berichterstattung über das Thema Stillen sollte weiterhin alle Ernährungsoptionen sachlich und neutral darstellen,“ betont Erstautorin Birgit Zuckerhut vom Zentrum für Public Health der MedUni Wien. Um die Qualität und Sensibilität der Berichterstattung über Stillen langfristig zu verbessern, schlagen die Forschenden gezielte Workshops und Sensibilisierungsprogramme für Journalist:innen vor. Solche Initiativen sollen ein besseres Verständnis der vielfältigen Vorteile aber auch Herausforderungen des Stillens fördern und eine nicht-stigmatisierende Kommunikation ermöglichen. Die Studie unterstreicht die Bedeutung eines ausgewogenen medialen Diskurses und die Notwendigkeit, die unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen von Müttern sichtbar zu machen.
Publikation: Maternal & Child Nutrition
Content Analysis of Austrian Print and Online Newspaper Coverage of Breastfeeding Over Two Decades.
Birgit Zuckerhut, Brigitte Naderer, Jakob-Moritz Eberl, Petro Tolochko, Leah Lercher, Elena Jirovsky-Platter, Eva Winzer, Amber Hromi-Fiedler, Rafael Pérez-Escamilla, Maria Wakolbinger.
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/mcn.13795