
(Wien, 07. Juli 2025) Das von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG) ins Leben gerufene Förderprogramm Klinische Forschungsgruppen (KFG) ist Österreichs erste kollaborative Forschungsinitiative mit klarem Fokus auf patient:innenorientierte, medizinisch relevante Themen auf dem Gebiet der nicht-kommerziellen klinischen Forschung. Die LBG schließt damit seit 2022 eine Lücke im klinischen Forschungsbereich und in der Übersetzung zwischen Grundlagenforschung und anwendungsnaher Entwicklung. Heute wurden im Rahmen eines Pressegesprächs gemeinsam mit Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung Eva-Maria Holzleitner, LBG-Präsidentin Freyja-Maria Smolle-Jüttner und Vizerektorin für Forschung und Innovation der MedUni Wien Michaela Fritz drei neue KFG in den Bereichen Onkologie und Neurologie vorgestellt.
Mit einer Fördersumme von insgesamt 24 Millionen Euro aus Mitteln des BMFWF und des Fonds Zukunft Österreich können sich nun dank der LBG drei Forschungsgruppen vollständig auf ihre Forschung konzentrieren. „Das Förderprogramm unterstreicht Österreichs Engagement für eine patient:innennahe und praxisorientierte klinische Forschung. Wir sind damit nicht nur Förderin, sondern gestalten aktiv mit: als Brückenbauerin zwischen Praxis und Wissenschaft. Wir sorgen für evidenzbasierte Innovation in der Gesundheitsversorgung und stärken dadurch den Gesundheits- und Forschungsstandort“, so Eva-Maria Holzleitner, Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung.
Auch LBG-Präsidentin Freyja-Maria Smolle-Jüttner zeigt sich erfreut: „Das große Interesse an unserem KFG-Programm zeigt eindrucksvoll, welches Potenzial in der klinischen Forschung in Österreich steckt. Mit den drei neuen Klinischen Forschungsgruppen setzen wir auf exzellente, interdisziplinäre Teams, die wissenschaftliche Erkenntnisse unmittelbar zum Nutzen der Patient:innen weiterentwickeln. Unser Ziel ist es, klinische Forschung noch näher an die Bedürfnisse der Patient:innen heranzuführen und gleichzeitig neue Impulse für exzellente Wissenschaft im Bereich der Life Sciences zu setzen.“
„Das neue Programm setzt genau dort an, wo es am meisten gebraucht wird: bei der Förderung von Synergien und einer intensiveren Zusammenarbeit innerhalb unserer wissenschaftlichen Community“, sagt Michaela Fritz, Vizerektorin für Forschung und Innovation der MedUni Wien. „Gerade im Bereich der investigator-driven studies – also wissenschaftsgetriebene Studien – sehen wir einen enormen Bedarf. Die Klinischen Forschungsgruppen schaffen hier nicht nur eine wertvolle Struktur, sondern ermöglichen es auch, interdisziplinäre Forschung gezielt und nachhaltig zu stärken. Es ist ein großartiges Programm, das langfristig zur strukturellen Verbesserung unseres Forschungsstandorts beitragen wird.“
Die drei KFG im Überblick: Lebensqualität bei Darm-, Blasenkrebs und Epilepsie verbessern
Der diesjährige Call fokussiert gemäß der „EU-Mission Cancer“ auf Krebsforschung. Nach einer umfassenden Ausschreibung wurden die drei neuen Forschungsgruppen „CRC-Res“, „StrikeBC“ und „EPICONN“ von einer hochkarätigen internationalen Expert:innen-Kommission ausgewählt und werden nun für bis zu acht Jahre und mit jeweils bis zu ca. acht Millionen Euro gefördert:
CRC-Res: Therapieresistenzen bei Darmkrebs mit personalisierten Tumormodellen bekämpfen
Bei rund 50 Prozent der Patient:innen mit Darmkrebs ist eine Heilung derzeit nicht möglich. Das Hauptproblem entsteht, sobald sich Metastasen bilden und lediglich Chemo- oder Immuntherapie als Behandlungsoptionen verbleiben. Zwar zeigen viele Betroffene zunächst gute Therapieerfolge, doch im Verlauf entwickelt sich häufig eine Therapieresistenz. Erschwerend kommt hinzu, dass jeder Tumor individuell ist – keiner gleicht dem anderen.
Die Klinische Forschungsgruppe „CRC-Res“ unter der Leitung von Johannes Längle von der Universitätsklinik für Allgemeinchirurgie der Medizinischen Universität Wien hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit personalisierten Tumormodellen neue therapeutische Ansätze zu identifizieren, um Therapieresistenzen zu bekämpfen. Dafür werden Stücke von Tumorgeweben entnommen und im Labor gezüchtet, um so gezielt zu untersuchen, welche Wirkstoffkombination den besten therapeutischen Effekt verspricht.
StrikeBC: Überlebenschancen und Lebensqualität von Menschen mit Blasenkrebs verbessern
Blasenkrebs ist weltweit die neunthäufigste Krebserkrankung – und die Zahl der Betroffenen nimmt stetig zu. Die Krankheit belastet nicht nur die Patient:innen stark, sondern auch das gesamte Gesundheitssystem. Eine besondere Herausforderung bei der Behandlung ist der individuell sehr unterschiedliche Krankheitsverlauf.
Unter der Leitung von Bernhard Englinger von der Universitätsklinik für Urologie der Medizinischen Universität Wien verfolgt die Klinische Forschungsgruppe „StrikeBC“ das Ziel, die Behandlung von Blasenkrebs zielgerichtet, individuell und schonender zu gestalten. Dafür werden eine Vielzahl an Informationen gesammelt – zum Beispiel aus Blut- und Gewebeproben, bildgebenden Untersuchungen und aus Laborexperimenten mit Modellen, die die Krankheit nachbilden. Mithilfe moderner Datenanalyse-Methoden wird anschließend untersucht, wie diese Informationen zusammenwirken. Das Forschungsziel ist, Behandlungen zu entwickeln, die individuell auf jede Person zugeschnitten sind und so die Überlebenschancen und Lebensqualität von Menschen mit Blasenkrebs zu verbessern.
EPICONN: Vorausschauende und personalisierte Behandlung für fokale Epilepsie
Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die wiederkehrende Anfälle verursacht. Wenn diese Anfälle von bestimmten Bereichen des Gehirns ausgehen, spricht man von einer fokalen Epilepsie. Diese kann sowohl die körperliche als auch die geistige Gesundheit beeinträchtigen, das Sozialleben einschränken und die Lebenserwartung verringern. Bei den meisten Betroffenen lassen sich die Anfälle mit Medikamenten kontrollieren. Allerdings spricht etwa ein Drittel der Patient:innen nicht auf die medikamentöse Behandlung an.
Ein neuer wissenschaftlicher Ansatz geht davon aus, dass die Ursachen der Epilepsie nicht auf einzelne Hirnregionen beschränkt sind, sondern weite Netzwerke im Gehirn betreffen. Die Forschungsgruppe „EPICONN“ unter der Leitung von Silvia Bonelli-Nauer von der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Wien hat sich zum Ziel gesetzt, diese komplexen Veränderungen zu identifizieren. Dazu werden biologische Merkmale des Gehirns – sogenannte Biomarker – identifiziert. Diese ermöglichen es, die individuell bestmögliche Behandlung schneller zu finden. Darüber hinaus liefern sie Erkenntnisse darüber, wie sich Epilepsie auf das Gehirn auswirkt, welche Faktoren zusammenhängen, wie sie sich auf den Therapieverlauf auswirken und wer besonders unter Begleiterscheinungen leidet. Das Ziel ist eine vorausschauende und personalisierte Behandlung, die die Lebensqualität von Menschen mit Epilepsie deutlich verbessert.
In den ersten vier Jahren sollen 300 Personen mit fokaler Epilepsie zur Teilnahme an der Studie eingeladen werden. In einer zweiten Förderperiode über weitere vier Jahre sollen die gewonnenen Erkenntnisse in mehreren österreichischen Epilepsiezentren in die Praxis umgesetzt werden.