
(Wien, 17-07-2025) Laut WHO können derzeit nur rund zehn Prozent des globalen Transplantationsbedarfs gedeckt werden – weil es einerseits an Spenderorganen fehlt und weil andererseits nur ein Bruchteil der gespendeten Organe tatsächlich genutzt wird. Um diesem Ungleichgewicht zu begegnen, konzentriert sich die Forschung zunehmend auf die Entwicklung neuer Methoden zur Beurteilung, Erhaltung und nötigenfalls Reparatur von Spenderorganen. Ein internationales Fachgremium unter maßgeblicher Beteiligung von Andreas Zuckermann von der MedUni Wien hat diese neuartigen medizinischen Strategien nun analysiert, um gespendete Organe besser nutzbar zu machen. Die Übersichtsarbeit wurde im Top-Journal „The Lancet“ publiziert.
Im aktuell veröffentlichten Teil der „Lancet“-Artikelserie zum Thema Organspenden erörtert das hochkarätige wissenschaftliche Team Möglichkeiten zur genaueren Beurteilung der Transplantationstauglichkeit und zur aktiven Verbesserung der Qualität von Spenderorganen. Im Fokus stehen dabei neue technische Verfahren wie die sogenannte Perfusion: Dabei werden entnommene Organe außerhalb des Körpers mit einer speziellen Flüssigkeit durchströmt, um ihre Funktion zu testen, zu erhalten oder sogar zu verbessern. „Ein Großteil der gespendeten Organe wird heute aus Sorge um deren Qualität nicht transplantiert – allein in den USA werden jährlich rund 50.000 potenziell transplantierbare Organe verworfen“, sagt Studien-Mitautor Andreas Zuckermann von der Universitätsklinik für Herz- und Thorakale Aortenchirurgie der MedUni Wien. „Dabei zeigen neue wissenschaftliche Untersuchungen, dass viele dieser Organe mit geeigneten Maßnahmen sehr wohl für eine Transplantation geeignet wären.“
Perfusion als entscheidender Fortschritt in Transplantationsmedizin
Zur Bewertung der Organfunktion vor der Transplantation kommen neben bildgebenden Verfahren und biochemischen Parametern zunehmend auch funktionelle Tests und histologische Analysen zum Einsatz. Bei der Perfusion kann zusätzlich der Stoffwechsel des Organs überwacht und gezielt beeinflusst werden. So lassen sich beispielsweise Entzündungsreaktionen reduzieren, vorhandene Virusinfektionen unschädlich machen oder die Blutgruppe ändern. „Diese Entwicklungen zeigen, dass wir immer besser in der Lage sind, Organe nicht nur zu beurteilen, sondern auch aktiv zu verbessern“, sagt Andreas Zuckermann über die Fortschritte in der Transplantationsmedizin. Als mögliche künftige Lösung wird auch die Xenotransplantation (Transplantation tierischer Organe) diskutiert – insbesondere die Verwendung genetisch modifizierter Schweineorgane, die bereits in ersten klinischen Studien getestet werden.
Die moderne Organtransplantation begann mit der erfolgreichen Nierentransplantation zwischen eineiigen Zwillingen im Jahr 1954. Seither haben Fortschritte in Chirurgie, Immunologie und Intensivmedizin dazu beigetragen, Transplantationen zu einer etablierten Therapie für viele schwerkranke Patient:innen zu machen. Dennoch bleibt der Mangel an Spenderorganen eine zentrale Herausforderung – während gleichzeitig gespendete Organe oftmals nicht genutzt werden. In Europa betrifft das z. B. 21 Prozent der gespendeten Nieren oder 58 Prozent der Herzen. Medizinische Strategien, mit denen die Zahl tatsächlich transplantierbarer Organe erhöht und die Wartezeiten für Patient:innen verkürzt werden soll, sind nur ein Teil der Lösung: „Die Herausforderung liegt nicht allein in der medizinischen Machbarkeit, sondern auch in ethischen, organisatorischen und gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen“, so Zuckermann, dessen Beteiligung am internationalen Fachgremium die weltweit anerkannte Bedeutung der MedUni Wien auf dem Gebiet der Transplantationsmedizin unterstreicht.
Publikation: The Lancet
Scientific advances in the assessment, modification, and generation of transplantable organs for patients with end-stage organ diseases.
Ciara M Shaver, Peter P Reese, Adam Griesemer, Andreas Zuckermann, Matthew Bacchetta
https://doi.org/10.1016/S0140-6736(25)00239-9