
(Toronto/Wien/Exeter, 11-07-2025) – Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Wissenschafter:innen des SickKids-Krankenhauses in Toronto, des Princess Margaret Cancer Centre, der Dalhousie University, der Universität Exeter (UK) und der Medizinischen Universität Wien hat eine bisher unbekannte Schutzstrategie von Zellen aufgedeckt. Die Studie, veröffentlicht im Top-Journal Science, zeigt, wie zwei Zellkompartimente – Mitochondrien und Peroxisomen – direkt zusammenarbeiten, um sich gegen sogenannte „oxidative Stressfaktoren“ zu verteidigen.
Oxidativer Stress entsteht, wenn in Zellen zu viele reaktive Sauerstoffverbindungen (ROS) gebildet werden – das passiert etwa bei der Energieproduktion in den Mitochondrien. Diese Moleküle können Zellen schädigen und stehen im Zusammenhang mit Krankheiten wie Diabetes, Alzheimer oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Ein neues Schutzsystem wird sichtbar
Die Forscher:innen entdeckten, dass Mitochondrien nicht auf sich allein gestellt sind, wenn es darum geht, sich gegen ROS zu schützen. Stattdessen können sie überschüssige ROS direkt an Peroxisomen abgeben – eine Art „Entsorgungsstation“ innerhalb der Zelle. Dies geschieht über eine neu entdeckte Kontaktstelle zwischen den beiden Zellkompartimenten.
Zwei spezielle Eiweiße, PTPIP51 in den Mitochondrien und ACBD5 in den Peroxisomen, bilden dabei eine Art Brücke, über die die schädlichen Moleküle weitergeleitet werden. Beide Proteine sind auch im Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankungen von Interesse und könnten künftig neue Therapieansätze ermöglichen.
„Bisher ging man davon aus, dass jedes Zellkompartiment seine ROS-Probleme für sich löst“, erklärt Johannes Berger von der Abteilung Pathobiologie des Nervensystems am Zentrum für Hirnforschung der MedUni Wien und Co-Autor der Studie. „Unsere Ergebnisse zeigen jedoch, dass Zellen ein koordiniertes Verteidigungssystem besitzen, das über die Grenzen einzelner Organellen hinausgeht.“
Neue Perspektiven für Therapien
Die Erkenntnisse erweitern bisherige Annahmen über die Wirkung von Antioxidantien. Statt allgemein gegen ROS vorzugehen, könnte es sinnvoller sein, gezielt in bestimmten Zellbereichen wie den Peroxisomen anzusetzen.
„Da eine gestörte ROS-Balance mit vielen Krankheiten verbunden ist, eröffnet diese Entdeckung neue Wege, wie wir die zelluläre Selbstverteidigung gezielt stärken könnten“, erklärt Johannes Berger. „Diese Entdeckung zeigt, wie wichtig es ist, Zellorganellen nicht isoliert zu betrachten, sondern als ein koordiniertes Netzwerk. Das kann unser Verständnis von Gesundheit und Krankheit grundlegend verändern.“
Weltweites Team
Die Forschung ist das Ergebnis einer engen internationalen Zusammenarbeit von Expert:innen aus Zellbiologie, Biochemie und Bildgebung. Beteiligte Institutionen sind neben der Medizinischen Universität Wien das Hospital for Sick Children, Toronto, das Princess Margaret Cancer Centre (Toronto) die Dalhousie University (Halifax), und die University of Exeter (UK).
Finanziert wurde das Projekt durch Fördermittel aus Kanada, Österreich und Großbritannien, darunter von den Canadian Institutes of Health Research (CIHR), dem österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) und dem britischen BBSRC.
Publikation: Science
ROS transfer at peroxisome-mitochondria contact regulates mitochondrial redox
Authors: Laura F. DiGiovanni, Prabhsimran K. Khroud, Ruth E. Carmichael, Tina A. Schrader, Shivneet K. Gill, Kyla Germain, Robert Y. Jomphe, Christoph Wiesinger, Maxime Boutry, Maki Kamoshita, Daniel Snider, Garret Stubbings, Rong Hua, Noel Garber, Christian Hacker, Andrew D. Rutenberg, Roman A. Melnyk, Johannes Berger, Michael Schrader, Brian Raught, Peter K. Kim
doi.org/10.1126/science.adn2804