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Neue Methoden zur Behandlung von Hörverlust

Viraler Vektor führt gentherapeutische Wirkstoffe in das Innenohr
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(Wien, 21-03-2022) Ein synthetischer viraler Vektor und ein spezieller chirurgischer Ansatz ermöglichen einen effizienten Gentransfer in das Innenohr zur Behandlung von Störungen des Hör- und Gleichgewichtssinns. Diese neue Methode erfordert nur einen einzelnen chirurgischen Eingriff und ist damit effizienter und schonender als andere Behandlungsansätze. Die Ergebnisse der Studie, unter Leitung des Forschungszentrums Mass Eye and Ear an der Harvard Medical School und unter Mitwirkung der MedUni Wien, wurden aktuell im Journal „Nature Communications“ publiziert.

Am Mass Eye and Ear, einem Forschungszentrum und Lehrkrankenhaus der Harvard Medical School in den USA, werden aktuell neue Methoden zur Behandlung von Hörverlust und Gleichgewichtsstörungen erforscht. Lukas Landegger von der Universitätsklinik für Hals- Nasen- und Ohrenkrankheiten der MedUni Wien ist Teil des internationalen Teams, das eine neue Gentherapie im Innenohr untersucht. Die ForscherInnen konnten im Primatenmodell zeigen, dass der virale Vektor Anc80L65 durch ein spezielles chirurgisches Verfahren effizient genetisches Material in das Innenohr übertragen hat. Dies ebnet den Weg für eine Methode, die in klinischen Studien zur Behandlung von Hörverlust und Gleichgewichtsstörungen eingesetzt werden kann.

Die neuen Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein AAV-Vektor (Adeno-assoziiertes Virus) namens Anc80L65 mit einem neuartigen chirurgischen Ansatz kombiniert werden kann, um Gene in das Innenohr zu bringen. Um das Innenohr zu erreichen, entwickelten die ForscherInnen eine chirurgische Methode, um sich vorsichtig Zugang zur so genannten runden Fenstermembran zu verschaffen, die eine Öffnung vom Mittelohr zum Innenohr darstellt. Im Innenohr angekommen, wird die Gentherapie über einen viralen Vektor verabreicht. Dieser Ansatz wurde von der Cochlea-Implantat-Chirurgie inspiriert, die ebenfalls einen Zugang zum Innenohr erfordert.

Effizienter und praktikabler Gentransfer in das Innenohr
Das Innenohr ist ein unberührter Raum mit vielen komplizierten Strukturen, was bedeutet, dass invasive Operationen auf ein Minimum beschränkt werden sollten. Die Gentherapie ist vorteilhaft, da es sich um eine einmalige Behandlung handelt, die einen einzigen chirurgischen Eingriff erfordert.
In der neuen Studie untersuchten die ForscherInnen, wie wirksam zwei AAV-Technologien – AAV1, ein etablierter Vektor für den Einsatz in der Hörschnecke, und das synthetische Anc80L65 – auf die inneren Haarzellen, die primären Tonsensoren im Ohr, wirken. Die chirurgischen und molekularen Aspekte der Verabreichung an das Innenohr erwiesen sich als sicher und gut verträglich, was nach Ansicht der AutorInnen die Tür für künftige Anwendungen beim Menschen öffnet.

Schwerhörigkeit, eine globale Epidemie, die unbehandelt bleibt
Weltweit sind mehr als 400 Millionen Menschen von Schwerhörigkeit betroffen. Die häufigste Form der Schwerhörigkeit ist die so genannte Schallempfindungsschwerhörigkeit, die in der Regel durch eine Schädigung der empfindlichen Strukturen im Innenohr und die Zerstörung der für das Hören zuständigen Haarzellen verursacht wird. Mehr als die Hälfte aller Fälle von Taubheit im Kindesalter sind genetisch bedingt und werden durch Mutationen in über 120 verschiedenen Genen verursacht, was den Bedarf an einer gentherapeutischen Lösung erhöht. Auch Gleichgewichtsstörungen können ihren Ursprung im Innenohr haben und mit einem solchen Ansatz behandelt werden.

Entwicklung von Behandlungen für unheilbare Krankheiten
Studien, bei denen dieser chirurgische Ansatz und AAV zur Erprobung von Gentherapien für einige der spezifischen Gene, die zu Hörverlust führen, in Tiermodellen eingesetzt werden, laufen derzeit, in der Hoffnung, dass diese Forschung eines Tages in Behandlungen für Menschen umgesetzt werden kann. Die Technologie wird untersucht, um nicht nur Gene hinzuzufügen, sondern auch Gene auszuschalten, die für die Haarzellen toxisch sind.

Service: Nature Communications
Choice of vector and surgical approach enables efficient cochlear gene transfer in nonhuman primate
Eva Andres-Mateos, Lukas D. Landegger, Carmen Unzu, Jean Phillips, Brian M. Lin, Nicholas A. Dewyer, Julio Sanmiguel, Fotini Nicolaou, Michelle D. Valero, Kathrin I. Bourdeu, William F. Sewell, Rudolph J. Beiler, Michael J. McKenna, Konstantina M. Stankovic & Luk H. Vandenberghe
https://doi.org/10.1038/s41467-022-28969-3