(Wien, 11-03-2022) Mit dem Veronika-Fialka-Moser-Diversitäts-Preis ehrt die MedUni Wien jährlich sechs Projekte, die sich mit Vielfalt und Diversity in der Medizin beschäftigen. Die diesjährigen PreisträgerInnen wurden im Rahmen des Tages der Medizinischen Universität Wien verkündet.
Um die bewusste Auseinandersetzung mit Diversität an der Medizinischen Universität Wien gezielt zu fördern, vergibt die MedUni Wien jährlich den Veronika-Fialka-Moser-Diversitäts-Preis. Damit sollen Leistungen in diesem Bereich honoriert und Vielfalt sichtbar gemacht werden. Der Preis ist nach Veronika Fialka-Moser, Professorin für Physikalische Medizin, benannt, um ihre langjährigen Verdienste im Bereich Diversity Management an der MedUni Wien zu würdigen.
In diesem Jahr wurden mit dem Preis herausragende Beiträge in den Kategorien Engagement und Diplomarbeiten ausgezeichnet. Pro Kategorie wird ein Preisgeld in Höhe von 2.000 Euro verliehen. MitarbeiterInnen als auch AbsolventInnen und Studierende der MedUni Wien konnten Beiträge einreichen.
PreisträgerInnen Kategorie Engagement
Erster Platz: Charlotte Rösel und Igor Grabovac
Promoting Work-based Equality for LGBTIQ+ Youth - WE Project
Das WE-Project von Charlotte Rösel und Igor Grabovac in Zusammenarbeit mit internationalen Partner*innen hat zum Ziel, vielfältige Diskriminierungserfahrungen von jungen LGBTIQ+ Personen am Arbeitsplatz deutlich zu machen. Dafür wurden die Perspektiven betroffener LGBTIQ+ Personen in sechs verschiedenen EU-Ländern durch qualitative Interviews und quantitative Daten erfasst. Mit diesen Daten wurden eine frei zugängliche Lernplattform und Workshops entwickelt, die auch diejenigen Personen über Diversität von sexuellen Orientierungen und Genderidentitäten informieren und weiterbilden, die bisher noch nicht mit dieser Thematik in Berührung gekommen waren. Die kostenlose Lernplattform bietet Unternehmen, Organisationen, Universitäten und Forschungseinrichtungen die Möglichkeit, sich zu LGBTIQ+ Themen zu informieren und für den eigenen Bedarf zu nutzen – etwa für Schulungszwecke für Mitarbeiter*innen. Durch die zusätzlichen Workshops in sechs EU-Ländern wurde die Lernplattform vorgestellt und kontinuierlich weiterentwickelt. Zudem haben die Workshops zur Vernetzung von LGBTIQ+ Organisationen und Forschenden beigetragen. Dadurch werden der nachhaltige Austausch und Diskurs zu LGBTIQ+ Themen in der Gesellschaft gefördert. Zum Abschluss wurde das Projekt bei einer live übertragenen Konferenz bei der Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU in Brüssel vorgestellt.
Zweiter Platz: Veronika Riedl-Schlauss und Stefan Riedl
Unterwegs zwischen den Geschlechtern: Paradigmenwechsel im Management von Kindern- und Jugendlichen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung. Neue bedürfnisgerechte Versorgungskonzepte
Das Projekt von Veronika Riedl-Schlauss und Stefan Riedl beschäftigt sich mit Variationen der Geschlechtsentwicklung (VdG). Dabei kommt es auf Grund einer genetischen, chromosomalen, hormonellen oder anatomischen Variation zu einer Abweichung von der 'typisch' weiblichen/männlichen Geschlechtsentwicklung bzw. des Erscheinungsbilds der Genitalien. In Österreich sind davon jährlich ca. 50-70 Neugeborene betroffen. Da eine interdisziplinäre Schnittstelle zwischen involvierten medizinischen Fachkräften und psychosozialer Begleitung bisher in Österreich nicht existiert hat, wurde die Beratungsstelle UNTERWEGS ins Leben gerufen. In Kooperation mit der Ambulanz für Varianten der Geschlechtsentwicklung an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der MedUni Wien wurde ein neues Versorgungsmodell gemäß internationalen klinischen Guidelines geschaffen, um Menschen mit VdG und ihren Familien psychosoziale Begleitung unkompliziert und niederschwellig zugänglich zu machen.
Dritter Platz: Andreas Böck
Lebenswerk. 35 Jahre interkulturelle, interinstitutionelle und interdisziplinäre Lehrtätigkeit
Andreas Böck wird für seinen Beitrag zur intra- und interuniversitären Lehre im In- und im Ausland in den vergangenen 35 Jahren ausgezeichnet. Ziel seiner Arbeit war es immer, die jüngere Generation zu inspirieren und zu motivieren, über Grenzen hinaus zu lernen. Zu den herausragenden Leistungen von Andreas Böck zählen seine internationalen Lehr- und Führungstätigkeiten: Er war Vorstand des Active Commitees des Al Ain Hospitals in Abu Dhabi, einer interaktiven Plattform zur Förderung und Verbesserung der interkulturellen Kommunikation, und Gastprofessor an den medizinischen Fakultäten der Universitäten in Targu Mures und Temesvar in Rumänien. Er gründete zudem die erste Kinderschutzgruppe im Mittleren Osten, die Unterstützung unabhängig von Herkunft, gesellschaftlicher Stellung oder Religion zusicherte. In Österreich ist er Initiator und Mitbegründer der Österreichischen Selbsthilfegruppe für primäre Immundefekte (OESPID) und Vorstand der Organisation „Rettet-das-Kind, Österreich“. An der MedUni Wien war Andreas Böck zudem maßgeblich an der Implementierung des Neuen Curriculums für das Fach Kinder- und Jugendheilkunde beteiligt.
PreisträgerInnen Kategorie Diplomarbeiten
Erster Platz: Lovro Markovic
Associations between patient-doctor relationship and healthcare utilization with quality of life in trans-identifying people in Austria: a pilot project
Die Diplomarbeit von Lovro Markovic befasst sich mit trans*- und nicht-binären (TNB) Patient*innen und deren Erfahrungen im österreichischen Gesundheitssystem. Dadurch, dass es in Österreich vor dieser Studie keine Erhebung zu den Erfahrungen von trans*- und nicht-binären Patient*innen gab, war das Ziel dieser Arbeit, einen ersten Überblick über die Situation, mit der diese Bevölkerungsgruppe im österreichischen Gesundheitssystem konfrontiert sind, zu verschaffen. Ein weiteres Ziel war es, Schwachstellen in der Versorgung zu identifizieren, um eine Grundlage für weitere Datenerhebungen zu schaffen, sowie Empfehlungen zur Verbesserung der medizinischen Versorgung von TNB Patient*innen geben zu können. Die Ergebnisse der Diplomarbeit wurden in einem peer-reviewed wissenschaftlichen Journal veröffentlicht. Dadurch sind sie einem globalen Publikum zugänglich und bilden eine (Vergleichs-)Grundlage für einen mitteleuropäischen Kontext der Versorgung von TNB Patient*innen. Die Studie zeigt, dass Ärzt*innen spezielle kommunikative und inhaltliche Fertigkeiten im Umgang mit TNB-Patient*innen benötigen. Angesichts vieler Berichte von negativen Erfahrungen zeigt sich ein Bedarf an Optimierung in der medizinischen Versorgung und im Umgang mit TNB-Patient*innen.
Zweiter Platz: Simon Reichert (Verfasser) und Türkan Akkaya-Kalayci (Betreuerin)
Lebensqualität von Kindern zwischen 6 und 12 Jahren vor und nach psychopharmakologischer Therapie – transkulturelle und geschlechtsspezifische Unterschiede (Eine explorative Fragebogenstudie)
Das Ziel der Diplomarbeit von Simon Reichert war es herauszufinden, ob es Unterschiede in der berichteten Lebensqualität zwischen 6- bis 12-jährigen an ADHS erkrankten Buben und Mädchen mit und ohne Migrationshintergrund vor und unter leitliniengerechter Therapie gibt. Die Studie zeigte, wie wichtig es ist, eine Situation aus mehreren Blickwinkeln zu betrachten. Die Auswertung der verschiedenen Bereiche (Lebensqualität, Symptomausprägung) im Selbst- und Fremdurteil einmal vor und einmal unter leitliniengerechter Therapie ermöglicht jeweils sieben Beurteilungspunkte zum jeweiligen Zeitpunkt pro Kind. Im Zusammenspiel mit dem sozioökonomischen Datensatz und dem gemischtethnischen Studienaufbau ist es gelungen, einen äußerst umfangreichen Datensatz aufzubauen, der aus vielen Blickrichtungen eine Situation beleuchtet und einen vielfältigen Überblick über die Faktoren Gender und Ethnie bei an ADHS erkrankten Kindern bietet. Die Arbeit ist somit als Übersichtsarbeit zu betrachten, die Grunderkenntnisse vieler früheren Einzelanalysen (zum Teil) bestätigt und in einem Datensatz vereint. Die intersektionale Auswertung dieses Projektes wird weitergeführt und in Zukunft in Studien, die Teilbereiche genauer beleuchten sollen, publiziert.
Dritter Platz: Florian Reichl (Verfasser) und Yen Y. Tan (Betreuerin)
Characterization of men with pathogenic germline BRCA1/2-mutations
In seiner Diplomarbeit beschäftigt sich Florian Reichl mit Brustkrebs bei Männern. Bisher sind nur wenige Studien zu Brustkrebs bei Männern vorhanden, in Österreich ist diese Diplomarbeit die erste Untersuchung dieses Themas. Im Jahr 2018 wurden in Österreich insgesamt 5.628 neue Brustkrebsfälle diagnostiziert. Davon waren 1,2 % Männer, wobei die Inzidenz jedes Jahr steigt. Die Arbeit soll das Bewusstsein dafür schärfen, dass Brustkrebs nicht nur eine Frauenkrankheit ist, sondern auch Männer betreffen kann, insbesondere Männer mit einer bestimmten Genmutation. Die Wahrscheinlichkeit, diese Mutation vererbt zu bekommen oder an Söhne und Töchter weiterzugeben, ist bei Männern und Frauen gleich groß. Die Arbeit hat somit auch deutlich gemacht, dass männliche Träger dieser Mutation besser identifiziert werden müssen. Durch die Präsentation der Ergebnisse der Studie auf einem Symposium wurde das Thema auch auf internationaler Ebene vorgestellt und diskutiert.