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70 Prozent der Kokain-Proben sind mit einem Wurmmittel verunreinigt

Aktuelle Studie am Zentrum für Physiologie und Pharma-kologie der MedUni Wien.

(Wien 09-01-2014) Ein alarmierendes Ergebnis: In über 70 Prozent der Proben, die in der Vergangenheit als Kokain verkauft wurden, ist neben dem Suchtmittel auch ein für den Menschen gefährliches Wurmmittel aus der Tiermedizin enthalten. Diese gesundheitsgefährdende Praxis von Dealern wurde nun am  Zentrum für Physiologie und Pharmakologie der MedUni Wien untersucht.

Wer glaubt, es bei Kokain mit einer „reinen“ Substanz zu tun zu haben, liegt fast immer falsch. Denn mehr als 90 Prozent des auf der Straße verkauften Kokains ist mit unterschiedlichen Streckmitteln versetzt. Und immerhin fast drei Viertel wird mit Levamisol – einem für den Menschen gesundheitsgefährdenden Wurmmittel für Pferde und andere Paarhufer – gestreckt.

Während die Dealer beim „Strecken“ eines Suchtgifts nur den Profit steigern wollen, wird durch Zugabe des Tiermedikaments Levamisol noch ein weiterer Effekt erreicht: Nach der Aufnahme wird Levamisol im Körper zu Aminorex verstoffwechselt. Diese ebenfalls schwer gesundheitsschädliche Substanz zeigt eine starke amphetaminartige Wirkung bei den DrogenkonsumentInnen. Die Dealer machen sich damit ein Phänomen zunutze, das bereits aus dem Pferde-Rennsport bekannt war.

Diese Erkenntnisse sind die wichtigsten Eckdaten einer Studie, die soeben in einem „Special issue“ des Top-Journals „Neurochemistry International“ veröffentlicht wurde. Beteiligt waren ForscherInnen der MedUni Wien vom Zentrum für Physiologie und Pharmakologie des Instituts für Pharmakologie (Leitung: Harald Sitte) in Zusammenarbeit mit dem Drogenprojekt „checkit!“ am Klinischen Institut für Labormedizin KILM (wissenschaftliche Leitung: Rainer Schmid/MedUni Wien) und einer Forschungsgruppe der Universität Wien (Leitung: Gerhard Ecker).

Ausgangspunkt der Studie waren die laufenden Untersuchungen von Suchtmitteln durch die Wiener Informations- und Beratungsstelle „checkit!“. Sie stellte in den vergangenen Jahren laufend massive Beimengungen von Levamisol fest und initiierte deshalb die Studie.

Studie widerlegt bisherige wissenschaftliche Annahme
„Das Spannende ist, dass hier erstmals zwei komplett unterschiedliche Substanzklassen gemeinsam vorkommen, von denen die Wissenschaft bisher annahm, dass sie einander wegen ihrer gegensätzlichen Wirkungen für den Suchtmittelmissbrauch ausschließen würden“, so Harald Sitte von der MedUni Wien. Weshalb dies bei der gleichzeitiger Einnahme von Kokain und Levamisol doch nicht so ist, konnten die verantwortlichen ForscherInnen Tina Hofmaier und Oliver Kudlacek ebenfalls klären: Die Wirkung von Aminorex – dem sogenannten Metaboliten von Levamisol – setzt dann ein, wenn die von Kokain bereits abklingt. Dadurch verlängert sich für den Konsumenten der von Kokain erwartete Effekt.

Prävention und Aufklärung sind ein wirksamer Schutz
Die Studie bestätigt einmal mehr, dass in Drogen häufig nicht oder nicht nur das drinnen ist, was sich Drogenkonsumenten erwarten. Wissenschaftlich geklärt sind die genauen Mechanismen und Wirkungen vieler Substanzkombinationen bisher allerdings nur ansatzweise. Klar ist jedoch, dass Drogen-Cocktails in der Regel noch gefährlicher sind als die einzelnen Substanzen. Sitte: „Auch deshalb sind Prävention und Aufklärung im Zusammenhang mit dem missbräuchlichen Konsum von Suchtmitteln so wichtig.“

Service: Neurochemistry International
„Aminorex, a metabolite of the cocaine adulterant levamisole, exerts amphetamine like actions at monoamine transporters.“ Tina Hofmaier, Anton Luf, Amir Seddik, Thomas Stockner, Marion Holy, Michael Freissmuth, Gerhard F. Ecker, Rainer Schmid, Harald H. Sitte, Oliver Kudlacek. Neurochemistry International (2013),  http://dx.doi.org/10.1016/j.neuint.2013.11.010.