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Auslöser für Separierung des Lymphsystems entdeckt

Mit der Entschlüsselung des Mechanismus zur Abtrennung des Lymphsystems vom Blutgefäßsystem beantworten ForscherInnen der MedUni Wien eine bisher ungelöste Frage der Entwicklungsbiologie und Medizin. Damit eröffnet sich möglicherweise auch ein neuer Ansatz, die Metastasenbildung von Tumoren zu unterdrücken.

(Wien, 21-01-2011) Mit der Entschlüsselung des Mechanismus zur Abtrennung des Lymphsystems vom Blutgefäßsystem beantworten ForscherInnen der MedUni Wien eine bisher ungelöste Frage der Entwicklungsbiologie und Medizin. Damit eröffnet sich möglicherweise auch ein neuer Ansatz, die Metastasenbildung von Tumoren zu unterdrücken.

Das menschliche Lymphgefäßsystem ist nicht nur ein wesentlicher Bestandteil des Abwehrsystems, sondern auch notwendig für die Aufrechterhaltung des Flüssigkeitsgleichgewichtes im Gewebe, die Aufnahme von Fetten im Verdauungstrakt und es spielt eine wesentliche Rolle bei der Metastasierung von Tumoren.

Zu seiner Entstehung ist bekannt, dass sich die Lymphgefäße aus embryonalen Venen entwickeln, indem bestimmte Endothelzellen der Kardinalvenen beginnen, lymphatische Markerproteine zu produzieren (z.B. Prox-1 oder Podoplanin). An diesen „markierten“ Stellen kommt es anschließend zum Aussprossen von Endothelzellen und zur Bildung so genannter Lymphsäcke, aus welchen sich in weiterer Folge die peripheren Lymphgefäße entwickeln. Ein wesentlicher Schritt in diesem Prozess ist schließlich die Abtrennung der neu gebildeten Lymphsäcke von den Kardinalvenen, wobei der dafür verantwortliche Mechanismus bis lang noch weitgehend unklar war.

DI Dr. Pavel Uhrin und Dr. Jan Zaujec vom Institut für Gefäßbiologie der MedUni Wien konnten erstmals nachweisen, dass diese Abtrennung des lymphatischen Systems von den blutführenden Gefäßen durch die Aktivierung von Thrombozyten (Blutplättchen; kleinste Zellen des Blutes) erfolgt, die vom Markerprotein Podoplanin ausgelöst wird. Wird die Wirkung von Podoplanin unterdrückt oder die Thrombozytenaktivierung gehemmt, findet keine vollständige Abtrennung statt und es bleibt bei einer Vermengung zwischen Blut und Lymphe.
Da Podoplanin auch an der Oberfläche von Tumorzellen gebildet wird, könnte die Podoplanin-induzierte Aktivierung der Thrombozyten zudem ein wichtiger Mechanismus für das Wachstum von Tumorzellen und der Metastasierung von Tumoren sein. Somit kann die Unterdrückung der Interaktionen zwischen Podoplanin und Thrombozyten mittels blockierender Antikörper ein möglicher therapeutischer Ansatz für die Verhinderung von Progression und/oder Metastasierung der Tumorzellen sein.

Diese grundlegenden Erkenntnisse der ForscherInnen rund um Uhrin und Zaujec wurden auch im wissenschaftlichen Top-Journal BLOOD als Coverstory veröffentlicht. Erarbeitet wurden sie hauptsächlich am Institut für Gefäßbiologie und Thromboseforschung der MedUni Wien (unter der Leitung von Univ. Prof. Dr. Bernd Binder, der im August 2010 verstarb) in Zusammenarbeit mit Univ. Prof. Dr. Dontscho Kerjaschki (Leiter des Klinischen Instituts für Pathologie der MedUni Wien), der diese Studie auch initiiert hatte. Kerjaschki ist ein weltweit anerkannter Experte auf dem Gebiet des lymphatischen Systems und hatte Podoplanin in vorhergegangenen Studien als einen selektiven  Marker von lymphatischen Gefäßen, der nicht auf Blutgefäßen vorkommt, entdeckt und charakterisiert.


Zu den Personen:
DI Dr. Pavel Uhrin, geb. 1961, studierte physikalische und analytische Chemie in Bratislava und arbeitete am Institut für Tierzucht in Nitra, Slowakei. Nach dem Abschluss seiner Dissertation im Jahre 1989 im Fach Biochemie absolvierte er einen dreijährigen Auslandsaufenthalt als Postdoctoral Fellow in den USA (College of Medicine, Cincinnati). Seither ist er am Institut für Gefäßbiologie und Thromboseforschung tätig. Im Jahre 2000 wurde er in Nitra habilitiert. Uhrin ist Leiter der Transgenic Animal Core Facility (TACF) am Institut für Gefäßbiologie und Thromboseforschung und hat sich in dieser Funktion mit der Entwicklung von Knockout-Mäusen beschäftigt. Die Protein C-Inhibitor-Knockout-Maus war seinerzeit die erste an der Universität Wien entwickelte Knockout-Maus, wodurch die Forschungstätigkeit auf diesem Gebiet erfolgreich stimuliert wurde.

Mag. Vet. Med. Dr. Jan Zaujec, geb. 1972, studierte Veterinämedizin in Kosice und arbeitete am Institut für Tierzucht in Nitra, Slowakei. Im Jahr 2000 kam er als Dissertant in die Gruppe von Dr. Uhrin an die Medizinische Universität Wien und promovierte 2005 in Nitra zum Doktor der „General animal sciences and biotechnology”. Von 2006 bis 2007 arbeitete er im staatlichen Veterinärmedizinischen Institut, Abteilung für Pathologie, in Nitra, Slowakei.
Er erarbeitete am Institut für Gefäßbiologie und Thromboseforschung die Technik der Aggregation von homolog rekombinierten embryonalen Stammzellklonen, um chimäre Mäuse und in der Folge Knockout-Mäuse zu generieren. Als ausgebildeter Chirurg etablierte er auch mehrere Techniken zur Charakterisierung des Phänotyps von Knockout-Mäusen (z.B. carotic artery ligation model, femoral artery cuff model, Matrigel plug assay). Neben der Analyse des Phänotyps der Podoplanin-Knockout-Mäuse war Dr. Zaujec auch sehr wesentlich an einem Projekt beteiligt, in welchem ISG12-Knockout Mäuse generiert und charakterisiert wurden.

» Publikation:
„Novel function for blood platelets and podoplanin in developmental separation of blood and lymphatic circulation”
Pavel Uhrin, Jan Zaujec, Johannes M. Breuss, Damla Olcaydu, Peter Chrenek, Hannes Stockinger, Elke Fuertbauer, Markus Moser, Paula Haiko, Reinhard Fässler, Kari Alitalo, Bernd R. Binder, and Dontscho Kerjaschki
DOI 10.1182/blood-2009-04-216069