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Bessere Kommunikation beim Sex wirkt ähnlich wie "Lustpille für die Frau"

Störungen der weiblichen Sexualfunktion oft auch ein Ausdruck von Alltagsstress

(Wien, 19-10-2015) Eine Hormonbehandlung mit Oxytocin verbessert das sexuelle Erleben von Frauen mit Sexualfunktionsstörungen. Das zeigt eine Studie der MedUni Wien, die nun im renommierten Journal „Fertility and Sterility“ publiziert wurde. Allerdings hatte eine Vergleichsgruppe, die mittels Nasenspray nur ein Placebo erhielt, ähnlich verbesserte Werte. Störungen der weiblichen Sexualfunktion sind daher nicht nur ein chemischer Mangel im Hormonhaushalt, sondern oft auch ein Zeichen von fehlender Kommunikation mit dem Partner und ein Ausdruck von Alltagsstress. Das betont Michaela Bayerle-Eder, Internistin und Sexualmedizinerin an der MedUni Wien.

Dem als „Bindungshormon“ bekannten Oxytocin wird auch sexualitätsfördernde Wirkung zugesprochen. Um dies zu untersuchen, verwendeten 30 Frauen in einer acht Monate laufenden Langzeitstudie der MedUni Wien, die an der Klinik für Klinische Pharmakologie durchgeführt wurde, Oxytocin-Nasenspray unmittelbar vor dem Sexualakt. Bei den Probandinnen handelte es sich um Frauen mit Sexualfunktionsstörungen (Erregungsprobleme, Orgasmusprobleme, Schmerzen, u.a.). Gemeinsam mit ihren Partnern führten die Frauen ein Tagebuch und beurteilten anhand eines Fragebogens, wie sich der Sex während der Behandlung verändert hatte. Einer Vergleichsgruppe wurde im gleichen Zeitraum Placebo verabreicht.

Das Resultat: Zwar verbesserten sich das Sexualleben und die sexuelle Zufriedenheit bei den Frauen unter Oxytocin-Behandlung signifikant, allerdings hatte die Gruppe, die nur Placebo zu sich genommen hatte, ebenfalls deutlich verbesserte Werte.

Sexualität als „höchste“ Form der Kommunikation zweier Menschen
Das beweist für Projektleiterin Michaela Bayerle-Eder, Internistin und Sexualmedizinerin der MedUni Wien (dzt. an der endokrinologischen Abteilung der Universitätsklinik für Frauenheilkunde tätig), wie enorm wichtig die Kommunikation mit dem Partner für die sexuelle Zufriedenheit ist: “Offenbar brachte allein die Tatsache, dass sich die Frauen im Zuge der Studie intensiver mit ihrer Sexualität auseinandersetzten und mit ihrem Partner über Sex sprachen, schon messbare Verbesserungen.“ Daher liegt der Schluss nahe, dass oft nur Missverständnisse den Paaren das lustvolle Erleben ihrer Sexualität verleiden. „Oft ist eher Stress im Alltag die Ursache für sexuelle Beschwerden als irgendein chemischer Mangel im Hormonhaushalt der Frau.“ Daher sei es ratsam, bei sexuellen Problemen möglichst bald ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und der Ursache auf die Spur zu kommen.

„Viagra für die Frau“ kein Wundermittel
Ähnliche Ergebnisse in klinischen Studien zeigte ein Wirkstoff namens Flibanserin, der nun im dritten Anlauf von der US-Zulassungsbehörde FDA (Federal Drug Administration) zugelassen wurde und im Oktober 2015 unter dem Namen „Addyi“ auf den US-Markt kommt. Dieser medial als Lustpille oder „Viagra für die Frau“ bezeichnete Wirkstoff verändert das Hormongleichgewicht im Gehirn und soll so die Lust der Frau steigern und zu besserem Sex führen. Aber auch hier wurde in der Placebo-Gruppe eine deutliche Verbesserung der Sexualfunktion gesehen. Und dieser Wirkstoff hat unangenehme Nebenwirkungen wie Schwindel, Müdigkeit und Übelkeit und darf nur von ÄrztInnen verschreiben werden, die zur Anwendung eingeschult und eine Berechtigung von der FDA erhalten haben. „Von der Lustpille für die Frau sind wir also weit entfernt“, erklärt Bayerle-Eder und fordert: „ Bis zu 40 Prozent der Frauen und über 30 Prozent der Männer leiden an Sexualfunktionsstörungen und damit verminderter Lebensqualität, bei chronisch kranken Patientinnen und Patienten sind es sogar bis 90 Prozent. Um den ‚WHO-Kriterien 2006‘ zur Erhaltung der Gesundheit gerecht zu werden, ist es wichtig, der ‚Sexualmedizin‘ in der medizinischen Aus- und Weiterbildung einen wichtigen Stellenwert einzuräumen.“

Service: Fertility and sterility
Effect of long-term intranasal oxytocin on sexual dysfunction in premenopausal and postmenopausal women: a randomized trial. Muin DA., Wolzt M., Marculescu R., Sheikh Rezaei S., Salama M., Fuchs C., Luger A., Bragagna E., Litschauer B., Bayerle-Eder M. http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S001502821500432X


Sexualmedizinisches Symposium in Wien

Das von 20. bis 21. November 2015 im Hörsaalzentrum der MedUni Wien im AKH Wien (Währinger Gürtel 18-20) stattfindende Symposium „Sexualmedizin interdisziplinär“ beleuchtet das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln. Es richtet sich an VertreterInnen sämtlicher medizinischer Disziplinen, die mit Sexualfunktionsstörungen befasst sind. In einer öffentlich zugänglichen Keynote wird Alice Schwarzer (21. November, 18 Uhr) unter dem Titel "40 Jahre nach dem kleinen Unterschied" einen Vortrag über die Entwicklung der weiblichen Sexualität halten. Information: sexualmedizin.or.at