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Chronisch entzündliche Darmerkrankungen erhöhen das Thromboserisiko

Vor einiger Zeit konnten WissenschafterInnen der MedUni Wien zeigen, dass chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) ein Risikofaktor für die Entstehung von Thrombosen sind. Jetzt belegt eine weitere Studie, dass CED auch das Wiederauftreten der Blutgerinnselbildung begünstigen kann.

(Wien, 11-10-2010) Vor einiger Zeit konnten Wissenschafter-Innen der MedUni Wien zeigen, dass chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED), deren Hauptformen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa darstellen, ein Risikofaktor für die Entstehung von Thrombosen sind. Jetzt belegt eine weitere Studie, dass CED auch das Wiederauftreten der Blutgerinnselbildung  nach Beendigung  einer gerinnungshemmenden  Therapie begünstigen kann. Der viel beachtete Artikel wurde jetzt auch im international anerkannten Fachjournal „Gastroenterology“ veröffentlicht.

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) treten in den Industriestaaten immer häufiger auf. In Österreich ist die Anzahl der PatientInnen im stationären Bereich in den vergangenen 15 Jahren um 270% gestiegen. Die Ursache der CED ist nicht bekannt. Oft ist eine Dauertherapie, unter anderem mit immunsuppressiv wirksamen Medikamenten, erforderlich. Dennoch kommt es nicht selten zu einer fortschreitenden Darmschädigung mit der Entwicklung von Komplikationen, die ein operatives Vorgehen erfordert. Zusätzlich kann es auch zu extraintestinalen (außerhalb des Darms gelegenen) Manifestationen und Komplikationen kommen, wozu auch Thrombosen und potentiell lebensbedrohliche Lungenembolien zählen.

Dass CED einen allgemeinen Risikofaktor für das Auftreten von venösen Thrombosen (VTE) darstellen, konnte bereits vor einiger Zeit in einer Studie*) der MedUni Wien nachgewiesen werden. Unsicher war bisher jedoch, ob sie auch das Risiko für das erneute Auftreten von Thrombosen (Rethrombosen) erhöhen und deshalb eine längerdauernde Gerinnungshemmung anzustreben ist.

Erstmalig führte daher ein Team unter der Leitung von Ao.Univ. Prof. Dr. Gottfried Novacek von der Universitätsklinik für Innere Medizin III, Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie, eine diesbezügliche landesweite Multicenter Studie durch, bei der 14 führende Zentren auf dem Gebiet CED in Österreich eingebunden waren. Diese Untersuchung erfolgte in Kooperation mit der Universitätsklinik für Innere Medizin I der MedUni Wien, insbesondere vertreten durch Frau Ao.Univ. Prof.in Dr.in Sabine Eichinger.
Im Rahmen der Studie wurden annähernd 3.000 PatientInnen mit CED nach einer früheren Thrombose untersucht. In der Folge wurde die Rate einer neuerlichen Thrombose bei CED PatientInnen mit der Rethromboserate eines großen Kontrollkollektivs der Universitätsklinik für Innere Medizin I der MedUni Wien verglichen (Austrian Study on Recurrent Venous Thromboembolism-AUREC, Principal Investigator Ao. Univ. Prof. Dr. Paul A. Kyrle).
Sowohl die für den Vergleich herangezogenen 86 CED-PatientInnen als auch die 1255 Kontrollpersonen hatten als erste Thrombose eine tiefe Arm- oder Beinvenenthrombose und/oder eine Lungenembolie, die spontan auftraten und somit nicht durch eine maligne Erkrankung, eine Operation, ein Trauma oder eine Schwangerschaft begünstigt waren. Es zeigte sich, dass 5 Jahre nach Beendigung der Gerinnungshemmung nach der ersten Thrombose bereits 33% der CED-PatientInnen, aber nur 22% der Kontrollpersonen eine neuerliche Thrombose erlitten haben.

Dieses Ergebnis belegt, dass PatientInnen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen nicht nur ein erhöhtes Risiko für eine Erst- sondern auch für eine neuerliche Thrombose haben.  Damit konnte CED als unabhängiger Risikofaktor für eine Thrombosebildung bestätigt werden, was die Therapieentscheidung beeinflussen kann.

Novacek zum Ergebnis der Studie: „Damit konnte erstmals gezeigt werden, dass PatientInnen mit CED ein erhöhtes Risiko für eine neuerliche Thrombose haben und daher Kandidaten für eine verlängerte blutgerinnungshemmende Therapie sind. Selbstverständlich ist dabei das eventuell erhöhte Risiko für eine durch die Gerinnungshemmung provozierte Blutung zu beachten.“


» Publikation in Gastroenterology:
Inflammatory bowel disease is a risk factor for recurrent venous thromboembolism.
Novacek G, Weltermann A, Sobala A, Tilg H, Petritsch W, Reinisch W, Mayer A, Haas T, Kaser A, Feichtenschlager T, Fuchssteiner H, Knoflach P, Vogelsang H, Miehsler W, Platzer R, Tillinger W, Jaritz B, Schmid A, Blaha B, Dejaco C, Eichinger S.
Gastroenterology. 2010 Sep;139(3):779-87, 787.e1. Epub 2010 Jun 12. doi:10.1053/j.gastro.2010.05.026


Zur Person:
Ao.Univ. Prof. Dr. Gottfried Novacek, geb. 1960, studierte an der Universität Wien Medizin und absolvierte die Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin mit dem Zusatzfach Gastroenterologie und Hepatologie. Die Habilitation erfolgte 1999.
Seine Lehrtätigkeit bezieht sich ebenfalls auf das Gebiet Gastroenterologie und Hepatologie, insbesondere CED, wo auch sein Forschungsschwerpunkt liegt, zu dem er bereits zahlreiche Publikationen veröffentlicht hat.
Novacek ist Mitglied etlicher Fachgesellschaften, unter anderem von ECCO (European Crohn’s and Colitis Organisation), AGA (American Gastroenterology Association) und ÖGGH (Österr. Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie), außerdem bekleidet er den 2nd National Representative für Österreich bei ECCO.


*)Doz. Dr. Wolfgang Miehsler: Miehsler W, et al: Is inflammatory bowel disease an independent and disease specific risk factor for thromboembolism? Gut 2004;53:542-8.