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Faktor für gesünderes Altern gefunden – auch bei starkem Übergewicht

Enzym HO-1 als Faktor identifiziert. Menschen mit niedrigem HO-1-Wert bleiben trotz Übergewicht gesünder.

(Wien, 03-07-2014) Etwa jede/r Fünfte in Österreich gilt als schwer übergewichtig (adipös), Tendenz steigend. Drei Viertel der Betroffenen leiden unter Folgeerkrankungen wie zum Beispiel Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder auch Krebs. Ein Viertel gilt aber trotz starkem Übergewicht als grundsätzlich gesund – und bleibt es oft auch. Die Ursache dafür haben nun Arbeitsgruppen vom Klinischen Institut für Labormedizin der MedUni Wien, vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg und der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Salzburg entdeckt: Den Unterschied macht das Enzym HO-1. Menschen mit niedrigen HO-1-Werten bleiben trotz Übergewicht gesünder. Diese Entdeckung könnte generell ein gesünderes Altern ermöglichen, da HO-1 bei zahlreichen altersbedingten Entzündungen eine Rolle spielen dürfte.
 
Die Teams unter der Leitung von Harald Esterbauer (Klinisches Institut für Labormedizin der MedUni Wien) untersuchten an Hand verschiedener Modelle, welche Faktoren krankmachendes von nicht-krankmachendem Übergewicht unterscheiden. Gemeinsam mit der Arbeitsgruppe von Wolfgang Patsch (Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Salzburg) gelang es dabei zu zeigen, dass das Enzym HO-1 (Hämoxygenase-1) mit hoher Sicherheit das Risiko für Typ 2 Diabetes und Fettleber voraus sagen kann: Waren die HO-1 Werte in der Leber und im Fettgewebe hoch, dann waren auch zahlreiche anerkannte Indikatoren einer Insulinresistenz deutlich erhöht, also im krankhaften Bereich. Diese Vorhersagekraft von HO-1 war unabhängig von Körpergewicht, Bauchumfang oder Fettanteil im Bauchraum.

„Diese vom Körpergewicht und Körperbau unabhängige Vorhersagekraft von HO-1 ist völlig überraschend. Das ließ uns vermuten, dass wir einem neuen Risikofaktor für ungesundes dick sein auf der Spur sind“, so Esterbauer. Offen war jedoch noch, ob das Enzym HO-1 nur einen neuen Indikator für krankhaftes Übergewicht darstellt oder sogar ursächlich am Ausbrechen von Typ 2 Diabetes und Fettleber beteiligt ist. Um diese Frage zu klären, schalteten die Wiener Forscher gemeinsam mit der Arbeitsgruppe um Andrew Pospisilik (Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg) im Mausmodell das Enzym in unterschiedlichen für den Stoffwechsel zentralen Organen ab. Positive Effekte zeigte das Abschalten in den Leberzellen und in den Fresszellen, den sogenannten Makrophagen.
 
HO-1 als Treiber für Diabetes
Das zentrale Ergebnis der Studie, die nun im Top-Journal „Cell“ publiziert wurde: Die Mäuse nahmen zwar nach dem Ausschalten von HO-1 weiter zu und wurden bei Fettfütterung dick, erlitten aber kaum Folgeerkrankungen. So wird unter anderem das Ausbilden einer krankhaften Fettleber verzögert bzw. vollständig verhindert, auch die Leberschäden gehen deutlich zurück. Die Zellen bleiben trotz starkem Übergewicht empfindlich auf Insulin. Esterbauer: „Das deutet stark darauf hin, dass HO-1 als völlig neuer und zentraler Schlüsselspieler an der Schnittstelle zwischen Übergewicht und dessen Folgeerkrankungen wirkt.“

Zugleich konnten die ForscherInnen auch ein jahrelang währendes, zentrales Dogma der HO-1-Forschung widerlegen: Bisher war angenommen worden, dass das Enzym entzündungshemmend ist. Genau das Gegenteil ist der Fall, HO-1 fördert chronische, kalte Entzündungsprozesse im Körper, das heißt, Entzündungen ohne Fieber. Und es fördert die Insulinresistenz und damit Diabetes mellitus und die Leberverfettung.

Therapie-Ansatz für gesünderes Altern
Derartige chronische Entzündungen sind generell Risikofaktoren. Nicht nur für Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen, sondern auch für sogenannte neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer, aber auch für Krebs. Esterbauer: „Daher könnte unsere Entdeckung in weiterer Folge dazu führen, dass eine Hemmung von HO-1 als höchst interessantes Ziel für therapeutische Ansätze generell dazu beitragen kann, ein gesünderes Altern zu ermöglichen. Denn wir konnten auch nachweisen, dass die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zelle, ohne das Enzym HO-1 viel, viel besser arbeiten.“

Behandlung von Übergewicht als "Erkrankung" möglich
Wirkstoffe, die in diese Richtung zielen, gibt es bereits, erklärt Esterbauer: „Und zwar aus der medikamentösen Behandlung der weit verbreiteten Gelbsucht bei Neugeborenen.“ Trotz dieser guten Basis für die Entwicklung von Pharmaka werde es – nach den jetzt nötigen klinischen Studien – noch rund zehn Jahre dauern, bis die neuen Erkenntnisse zu HO-1 therapeutisch und im klinischen Alltag eingesetzt werden können, so die Einschätzung der Teams aus Wien und Freiburg.

Im Juni 2013 hatte die Amerikanische Medizin-Gesellschaft (American Medical Association) beschlossen, schweres Übergewicht (Adipositas) als Krankheit einzustufen. Da Adipositas nicht zwangsläufig mit negativen Auswirkungen auf den Stoffwechsel einhergehen muss, ist diese Entscheidung nicht unumstritten. Die vorliegenden Forschungsergebnisse könnten maßgeblich dazu beitragen, Personen mit krankhafter Adipositas frühzeitig zu identifizieren. Auch ergeben sich neue Ansatzpunkte zur nachhalten Behandlung und Prävention von Typ 2 Diabetes und Fettleber, beides häufige Folgen von krankmachendem Übergewicht.
 
CELL: Heme Oxygenase-1 Drives Metaflammation and Insulin Resistance in Mouse and Man.

Alexander Jais, Elisa Einwallner, Omar Sharif, Klaus Gossens, Tess Tsai-Hsiu Lu, Selma M. Soyal, David Medgyesi, Daniel Neureiter, Jamile Paier-Pourani, Kevin Dalgaard, J. Catharina Duvigneau, Josefine Lindroos Christensen, Thea-Christin Zapf, Sabine Amann, Simona Saluzzo, Florian Jantscher, Patricia Stiedl, Jelena Todoric, Rui Martins, Hannes Oberkofler, Simone Müller, Cornelia Hauser-Kronberger, Lukas Kenner, Emilio Casanova, Hedwig Sutterlüty-Fall, Martin Bilban, Karl Miller, Andrey V. Kozlov, Franz Krempler, Sylvia Knapp, Carey N. Lumeng, Wolfgang Patsch, Oswald Wagner, J. Andrew Pospisilik, and Harald Esterbauer. 1Co-Erstautoren. Cell 158, 25-40, July 3, 2014.
DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.cell.2014.04.043

 

Audio-Interview mit Harald Esterbauer - hier geht's zum Stream.