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Gen-regulatorisches Protein spielt überraschende Rolle bei Entstehung von Hautkrebs

Wiener WissenschafterInnen decken Rolle von HDAC1 bei der Entstehung von Hauttumoren auf.

(Wien 15-11-2013) Eine aktuelle Studie von Wiener WissenschafterInnen der Max F. Perutz Laboratories (MFPL) der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien deckt eine unerwartete Funktion der Histon-Deacetylase 1 (HDAC1) bei der Entstehung von Hautkrebs auf. Zudem zeigen die Ergebnisse von Christian Seiser und seinem Team, dass beim Einsatz von HDAC-Hemmern in der Krebstherapie Vorsicht geboten ist.

Hauttumore –wenn bei der Heilung von Schürf- und Schnittwunden etwas schief läuft
Das größte Organ unseres Körpers – die Haut – schützt uns nicht nur vor dem Austrocknen, sondern auch vor äußeren Einflüssen. Da es dabei aber schon mal zu größeren oder kleineren Wunden kommen kann, muss das Hautgewebe zur Selbsterneuerung fähig sein, damit diese auch wieder heilen können. Während des Heilungsprozesses werden neue Hautzellen gebildet, welche die alten beschädigten Zellen ersetzen. Auf molekularer Ebene sorgen verschiedenste Signale dafür, dass sich undifferenzierte Vorläuferzellen in Hautzellen weiterentwickeln. Dabei muss allerdings ganz genau kontrolliert werden, wie viele neue Zellen sich bilden und welche der alten Zellen sie ersetzen. Läuft dabei etwas schief, können Hautkrankheiten aber auch Hautkrebs die Folge sein. Da Hauttumore die häufigste menschliche Krebserkrankung darstellen, ist es enorm wichtig die molekularen Mechanismen ihrer Entstehung zu erforschen, denn nur so können Medikamente zur Behandlung dieser Krebsarten entwickelt werden.

Chromatin oder wie DNA im Zellkern verpackt wird
Ein zellulärer Prozess, von dem man sicher weiß, dass er bei der Hautentwicklung eine wichtige regulatorische Rolle spielt, nennt sich Chromatinmodifikation. Beim Chromatin handelt es sich um die DNA einer Zelle, die um eine zylinderförmige Proteinstruktur – die sogenannten Histone – gewickelt ist. Nur durch diese Verpackung passt die DNA einer Zelle überhaupt in deren Zellkern. An die Histone können wiederum verschiedene kleine chemische Gruppen angebracht werden, die bestimmen wie eng sich die DNA um den Zylinder wickeln kann und somit wie fest sie verpackt ist. Dieser Verpackungsstatus bestimmt, welche Proteine eine Zelle zu einem bestimmten Zeitpunkt produziert werden. Das legt zum Beispiel während der Embryonalentwicklung fest, welche Zellen sich in Muskelzellen, Hirnzellen oder eben in Hautzellen weiterentwickeln. Chromatinmodifikationen spielen aber auch bei der Regulation des Wachstums und der Differenzierung von Hautzelllen ein wichtige Rolle.

Angriffspunkt für Krebsmedikamente: HDACs
Eine Typ von Protein, das Chromatin modifiziert, ist die Histon-Deacetylase (HDAC), von der man 18 Varianten im Menschen kennt. HDAC-Hemmer sind bereits als Krebsmedikamente zugelassen, allerdings wirken sie zumeist auf mehrere HDAC Varianten. Um Nebenwirkungen zu minimieren, müsste ihre Spezifität noch verbessert werden. Dass dies ein großes Problem ist, und das Hemmen der falschen HDAC Variante das Fortschreiten einer Krebserkrankung sogar beschleunigen kann, hat nun das Team um Christian Seiser an den MFPL der Medizinischen Universität Wien eindrucksvoll gezeigt. In dem Projekt, das auch vom Österreichischen Genom-Forschungsprogram GEN-AU unterstützt wurde, untersuchte das Team die beiden Varianten HDAC1 und HDAC2, die nicht nur sehr ähnliche Funktionen haben, sondern aufgrund früherer Forschungsergebnisse auch als vielversprechende Angriffspunkte für Krebsmedikamente gehandelt wurden.

„Das Ausschalten der Funktion von HDAC1 oder HDAC2 in unserem Mausmodell hatte keine Auswirkungen. Stellten wir jedoch die Funktion von HDAC1 ganz und die von HDAC2 teilweise ab, waren schwere Entwicklungsstörungen und die Entstehung spontaner Hauttumore die Folge,“ erklärt Christian Seiser. Zur genaueren Untersuchung nutzte das Team ein Hauttumor-Modellsystem, dass von Maria Sibilia am Institut für Krebsforschung der Medizinischen Universität Wien entwickelt wurde. Dabei zeigte sich, dass das Abschalten von HDAC1 die Entstehung von Hauttumoren beschleunigt, während das Abschalten von HDAC2 keine Auswirkungen hatte.

Diese Ergebnisse kamen zur großen Überraschung aller, denn ursprünglich hatte man erwartet, dass das Abschalten oder Hemmen von HDAC1 das Fortschreiten des Krebses stoppen würde. Bei Hautkrebs tritt allerdings das Gegenteil ein, was laut Christian Seiser zeigt „dass es unerlässlich ist, dass wir die Rolle der verschiedenen HDAC Varianten in verschiedenen Zell- und Krebsarten genau untersuchen und verstehen, bevor wir HDAC-Hemmer wirkungsvoll als Medikamente einsetzen können.“

Publikation im EMBO Journal:
Mircea Winter, Mirjam A Moser, Dominique Meunier, Carina Fischer, Georg Machat, Katharina Mattes, Beate M Lichtenberger, Reinhard Brunmeir, Simon Weissmann, Christina Murko, Christina Humer, Tina Meischel, Gerald Brosch, Patrick Matthias, Maria Sibilia and Christian Seiser: Divergent roles of HDAC1 and HDAC2 in the regulation of epidermal development and tumorigenesis. EMBO Journal (November 2013). DOI:10.1038/emboj.2013.243