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Geophagie: Risikofaktor für schwangere Frauen aus Afrika

(Wien, 26-11-2010) Geophagie – das Essen von Lehmerde – ist weltweit verbreitet und vor allem aus Sub-Sahara Afrika dokumentiert. Allerdings gibt es bereits erste Warnhinweise, dass auch in Industrieländern mit hoher MigrantInnenpopulation aus Afrika Geophagie zunimmt. In einer MedUni Wien Studie wurden jetzt erstmals weltweit relevante Bodenproben untersucht und die Gefahrenquellen beschrieben.

Erde oder Lehm wird insbesondere von schwangeren und stillenden Frauen konsumiert, aber auch von Kindern. Obwohl in weiten Teilen Afrikas weit verbreitet, ist das Phänomen noch relativ wenig dokumentiert und es gibt zu dieser Praxis deshalb nur sehr wenige Daten. Einige wenige Studien belegen aber, dass zwischen 46-73% schwangerer oder stillender Frauen regelmäßig Lehm konsumieren, die Menge reicht dabei von 1-100g täglich. Es gibt verschiedene Hypothesen, warum Geophagie praktiziert wird; die zwei plausibelsten sind, dass es gegen Schwangerschaftsübelkeit wirken kann, sowie als Lieferant wichtiger Spurenelemente (speziell Eisen) dienen könnte.

Da dieses Phänomen weit verbreitet ist und mögliche Implikationen für die Gesundheit schwangerer Frauen und Kinder birgt, wurden 88 Proben aus ganz Afrika, sowie aus Europa und den USA gesammelt und auf Verunreinigung mit Bakterien und Pilzen, sowie Geohelminthen, und deren Belastung mit Schwermetallen (Blei, Quecksilber und Cadmium) überprüft. Die Ergebnisse wurden von der Unit Ethnomedizin und International Health, Abteilung Allgemein- und Familienmedizin, unter der Leitung von Dr.in Ruth Kutalek in Kooperation mit anderen Instituten der Medizinischen Universität Wien, sowie nationalen und internationalen Partnern nun im renommierten Top-Journal „Transactions of the Royal Society of Tropical Medicine and Hygiene“ publiziert.

Die mikrobielle Belastung mit Bakterien und Pilzen lag bei durchschnittlich 440 KBE/g, mit Spitzenwerten bis zu 120.000 KBE/g. Besonders hoch war die Belastung mit Blei bei durchschnittlich 40mg/kg und Spitzenwerten bis zu 148mg/kg, die Belastung mit Quecksilber und Cadmium waren mit durchschnittlich 0,05mg/kg und 0,055mg/kg geringer. In unseren samples konnte keine Verunreinigung mit Wurmeiern festgestellt werden, was die oft geäußerte These widerlegt, dass Wurmerkrankungen bei Erwachsenen in Afrika durch Geophagie bedingt sein könnten.

Besonders die hohen Bleiwerte sind problematisch, weil schwangere und stillende Frauen regelmäßig Lehmerde zu sich nehmen. Sowohl bei Erwachsenen als auch bei Neugeborenen besteht das Risiko sehr bald kritische Mengen zu erreichen. Blei ist Plazenta durchgängig und geht in die Muttermilch über. Jede Exposition mit diesem Neurotoxin sollte bei Schwangeren und Neugeborenen deshalb vermieden werden, denn negative Effekte können schon bei einer Bleibelastung entstehen, die weit unter den aktuellen Unbedenklichkeits-Richtwerten liegt, wie auch eine heuer veröffentlichte Studie der MedUni Wien gezeigt hat. Weitere Forschungen sollen nun zeigen, wie bioverfügbar das Blei ist, und welche anderen Belastungen mit Umweltgiften durch das Konsumieren von Lehmerde entstehen können.


» Publikation in "Transactions of the Royal Society of Tropical Medicine and Hygiene"