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Internationaler Frauentag: Weibliche Herzen reagieren sensibler auf Stress

Gender Medicine: Stress im Alltag wirkt sich auf Frauenherzen besonders ungünstig aus

(Wien, 04-03-2016) Während Männer in den vergangenen zwanzig Jahren immer weniger häufig an Herzinfarkten versterben, hat sich das tödliche Risiko vor allem für jüngere Frauen deutlich erhöht. Die Gender Medicine konnte bereits aufzeigen, dass Frauen andere Symptome aufweisen. Eine neuere Erkenntnis ist, dass sich Stress im Alltag auf Frauenherzen besonders ungünstig auswirkt. Das betonte Alexandra Kautzky-Willer, Professorin für Gender Medicine der MedUni Wien, anlässlich des bevorstehenden internationalen Frauentags am 8. März 2016.

Man weiß heute längst, dass Frauen medizinisch anders ticken als Männer. Dies wirkt sich auf die richtige Erkennung von Symptomen ebenso aus, wie auf die passenden therapeutischen Maßnahmen. Etwa im Fall des Herzinfarkts kam es bei Frauen oft zu Fehldiagnosen, weil ihr Körper sehr oft andere Alarmsignale sendet als der männliche.

In Österreich sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen über 65 Jahren und bei Männern über 45 Jahren die häufigste Todesursache, wie das Gesundheitsministerium angibt. Jährlich sterben 47 Prozent der Frauen und 38 Prozent der Männer an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Verantwortlich für die höhere Sterblichkeitsrate sind bekannte Risikofaktoren wie Rauchen, erhöhte Blutfette, niedriges HDL-Cholesterin, hoher Blutdruck, Diabetes, Bauchfett und Bewegungsmangel. Die meisten davon wirken sich bei Frauen dramatischer aus als bei Männern. Dazu kommen frauenspezifische Risiken wie etwa irreguläre Zyklen, eine frühe Menopause, Schwangerschaftskomplikationen wie Schwangerschaftsdiabetes oder eine Schwangerschaftsvergiftung, die Pille oder Hormonersatztherapien. Frauen haben bei Herz-Kreislauferkrankungen auch öfters Diabetes als Grunderkrankung, wodurch das Risiko eines Herzinfarktes deutlicher als bei Männern erhöht wird. Nach der Menopause steigt der Blutdruck generell an und die Blutfette und die Körperfettverteilung ändern sich tendenziell ungünstig, was das Risiko ebenfalls zusätzlich erhöht.

Frauen haben andere Risikofaktoren als Männer
Alexandra Kautzky-Willer erklärt: „Frauen haben bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine andere Altersverteilung, andere Cluster von Risikofaktoren und auch die Gefäßveränderungen am Herzen unterscheiden sich morphologisch. Außerdem ist die Diagnosestellung und Therapie oft schwieriger: Untersuchungen wie ein EKG oder eine Ergometrie sind weniger aussagekräftig, selbst die Herzinfarkt-Blutmarker könnten bei Frauen durch neue spezifische Grenzwerte verbessert und neue geschlechtsspezifische Biomarker etabliert werden. Beim akuten Koronarsyndrom haben Frauen oft eine nicht-obstruktive, funktionelle Koronararterienerkrankung und bei der Herzschwäche eine Störung der Füllfunktion des Herzens mit erhaltener Auswurfsleistung im Vergleich zu Männern. Für beide Erkrankungsformen sind die Langzeitergebnisse prinzipiell etwas besser, aber es liegen weniger Studien und Leitlinien zur Behandlung vor“. Ein aktueller ExpertInnenbericht zeigt ´das spezielle Risiko von Frauen und wichtige zukünftige Forschungsfelder der Gendermedizin auf.

Der Einfluss von psychosozialem Stress auf die Herz-Gesundheit bei Frauen wurde bisher unterschätzt. Die mehrfache Belastung durch Beruf, Haushalt und häusliche Pflege von Angehörigen bedingen Stresssymptome, die sich organisch im Herzen manifestieren können. Studien haben gezeigt, dass vor allem Migrantinnen eine hohe Gefährdung für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufweisen. Kautzky-Willer: „Neben Übergewicht und Diabetes spielen hier auch posttraumatische Belastungsstörungen eine größere Rolle“

Zur akuten Entlastung rät Kautzky-Willer Frauen dazu, Erholungsphasen aktiv in den Alltag einzubauen und auf ausreichende körperliche Aktivität zum Stressabbau zu achten. Dazu können auch Wellness-Angebote und Stressreduktionsprogramme beitragen, wie es sie in Frauengesundheitszentren gibt. Studien ergaben, dass Frauen tatsächlich von solchen Anwendungen, wie Entspannungstherapien, Massagen etc. entlastet werden und nach einer derartigen Behandlung bessere Werte aufweisen. Sinnvoll wäre es auch, mehr ambulante Angebote im Rehabilitations-Bereich zu etablieren. Frauen neigen allgemein dazu, aus Sorge um die Vernachlässigung des Haushaltes nach Operationen und Krankheiten keine Rehabilitationskuren in Anspruch zu nehmen.

Neuartige Cholesterinsenker als Chance für Frauen
Medikamente wirken bei Frauen anders als bei Männern. Wenn ein Herzinfarkt droht, verordnet der Arzt oft Statine als Cholesterinsenker, um riskante Gefäßverkalkungen zu vermeiden. Frauen erreichen die LDL-Cholesterinzielwerte weniger oft und vertragen diese Medikamente außerdem häufig nicht so gut wie Männer. Abhilfe könnte, so die MedUni Wien-Expertin, eine erst im Vorjahr in Europa zugelassene Klasse von Medikamenten auf Antikörper-Basis schaffen, die sogenannten PCSK9-Hemmer. Während Statine verhindern, dass LDL-Cholesterin entsteht, indem sie ein dafür benötigtes Eiweiß blockieren, regen PCSK9-Hemmer Leberzellen an, verstärkt LDL aus dem Blut zu entfernen. Das Arzneimittel muss regelmäßig unter die Haut gespritzt werden.

Service: The EUGenMed, Cardiovascular Clinical Study Group: Gender in caradiovascular diseases: Impact on clinical manifestations, managment, and outcomes. Eur Heart J 2015.

Fünf Forschungscluster an der MedUni Wien
Insgesamt sind fünf Forschungscluster der MedUni Wien etabliert. Dort werden in der Grundlagen- wie in der klinischen Forschung vermehrt Schwerpunkte an der MedUni Wien gesetzt. Die Forschungscluster umfassen medizinische Bildgebung, Krebsforschung/Onkologie, kardiovaskuläre Medizin, medizinische Neurowissenschaften und Immunologie. Die Gender Medicine-Forschung an der MedUni Wien fällt in den Themenbereich des Clusters für kardiovaskuläre Medizin.