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Krankheits-Gen für häufige Epilepsie im Kindesalter entdeckt

Veränderungen dieses Gens führen zu Störungen der Funktion eines wichtigen Ionenkanals im Gehirn.

(Wien 12-08-2013) Mehr als 50 Millionen Menschen weltweit leiden unter Epilepsie, ein Drittel davon sind Kinder. Die häufigsten Epilepsieformen bei Kindern treten ohne erkennbare Ursache auf und betreffen nur bestimmte Hirnregionen, sie werden idiopathische fokale Epilepsien genannt (IFE). Charakteristisch für IFE ist ein Anfalls-Ursprung in der so genannten Rolandischen Region des Gehirns. Jetzt ist es unter maßgeblicher Mitarbeit von MedUni Wien-ForscherInnen in zwei europaweiten Forschungsnetzwerken gelungen, das erste Krankheits-Gen für die IFE zu identifizieren.

Es handelt sich dabei um das Gen GRIN2A. Veränderungen dieses Gens führen zu Störungen der Funktion eines wichtigen Ionenkanals im Gehirn, der die elektrische Erregbarkeit von Nervenzellen beeinflusst. Das kann vermehrte elektrische Entladungen im Gehirn und damit das Auftreten epileptischer Anfälle erklären. Die Ergebnisse der Studie, die in den zwei Forschungsnetzwerken EuroEPINOMICS und IonNeurOnet, herausgearbeitet worden sind, wurden jetzt im Top-Journal „Nature Genetics“ publiziert.

Das Forschungsprojekt entstand aus der Zusammenarbeit vieler europäischer Forschergruppen mit einem gemeinsamen Ziel: die genetischen Ursachen dieser kindlichen Epilepsie zu verstehen. "Entscheidend für das Zustandekommen unseres Durchbruchs war die enge Kooperation von klinisch forschenden ÄrztInnen mit GrundlagenwissenschafterInnen", erklärt Fritz Zimprich von der Universitätsklinik für Neurologie der MedUni Wien, der die am Projekt beteiligten ForscherInnen aus Wien, Graz und Innsbruck koordinierte. "Ein Drittel der mit modernsten genetischen Methoden untersuchten PatientInnen stammt aus Österreich.

Insgesamt wurde Genmaterial von 400 PatientInnen mit IFE analysiert. Bei 7,5 Prozent der Erkrankten fanden die WissenschafterInnen Veränderungen des Gens GRIN2A. Diese Mutationen stören bei der „Rolando-Epilepsie“, mit einem Anteil von 15 Prozent eine der häufigsten Formen der kindlichen Epilepsie, die Funktion des so genannten NMDA-Rezeptors, eines wichtigen Ionenkanals im Gehirn. Der Ionenfluss eines solchen Kanals beeinflusst und bestimmt die elektrische Erregbarkeit von Nervenzellen.

Unklar ist allerdings noch, wie es von der Mutation im Gen des NMDA-Rezeptors zur  Epilepsie kommen kann. Zimprich: „Wir sehen nur die Erkrankung als Ergebnis der Mutationen, den Mechanismus erfassen wir noch nicht.“ Nächstes Ziel ist es, auch diese Vorgänge zu verstehen. Das ist auch die Voraussetzung für die Entwicklung noch besser wirksamerer und verträglicherer antikonvulsiver Medikamente.

Forschungscluster Neurowissenschaften der MedUni Wien
Der Forschungscluster „Neurowissenschaften“ ist einer von fünf  Forschungsclustern an der MedUni Wien. In diesen und den anderen vier Fachgebieten werden in der Grundlagen- wie in der klinischen Forschung vermehrt Schwerpunkte an der Medizinischen Universität Wien gesetzt. Die weiteren vier Forschungscluster sind Krebsforschung/Onkologie, vaskuläre/ kardiale Medizin, Allergologie/Immunologie/Infektiologie und Bildgebung (Imaging).

Service: Nature Genetics
Mutations in GRIN2A cause idiopathic focal epilepsy with rolandic spikes.”
J. Lemke, D. Lal, E. Reinthaler, I. Steiner, M. Nothnagel, M. Alber, K. Geider, B. Laube, M. Schwake, K. Finsterwalder, A. Franke, M. Schilhabel, J. Jähn, H. Muhle, R. Boor, W. van Paesschen, R. Caraballo, N. Fejerman, S. Weckhuysen, P. De Jonghe, J. Larsen, R. Möller, H. Hjalgrim, L. Addis, S. Tang, E. Hughes, D. Pal, K. Veri, U. Vaher, T. Talvik, P. Dimova, R. Lopez, J. Serratosa, T. Linnankivi, A. Lehesjoki, S. Ruf, M. Wolff, S. Buerki, G. Wohlrab, J. Kroell, A. Datta, B. Fiedler, G. Kurlemann, G. Kluger, A. Hahn, D. Haberlandt, C. Kutzer, J. Sperner, F. Becker, Y. Weber, M. Feucht, H. Steinböck, B. Neophythou, G. Ronen, U. Gruber-Sedlmayr, J. Geldner, R. Harvey, P. Hoffmann, S. Herms, J. Altmüller, M. Toliat, H. Thiele, P. Nürnberg, C. Wilhelm, U. Stephani, I. Helbig, H. Lerche, F. Zimprich, B. Neubauer, S. Biskup, S. von Spiczak. Nature Genetics, July 18 2013, doi: 10.1038/ng.2728.