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Krebskongress: Ungerechter Zugang zu Arzneimitteln

Christoph Zielinski von der MedUni Wien fordert europaweit gleiche Bedingungen für die Kranken.

(Madrid/Wien, 26-09-2014) Der Zugang zu potenziell lebensverlängernden Krebsmedikamenten ist weltweit sehr unterschiedlich. Das zeigen zwei neue Studien, die auf dem Europäischen Krebskongress mit 18.000 Teilnehmern (ESMO; bis 30 September) in Madrid vorgestellt worden sind. Der Wiener Onkologe Christoph Zielinski forderte aus diesem Anlass europaweit gleiche Bedingungen für die Kranken.

Um Ungleichheiten schon bei der Dauer des Zulassungsverfahrens von Krebstherapien durch die Arzneimittelbehörden zu analysieren, haben Sunil Verma (Sunnybrook Odette Cancer Center, Toronto, Kanada) und Nardin Samuel diese Dauer für 41 Krebsmedikamente in Kanada, den USA und den EU-Ländern verglichen. Sie fanden heraus, dass die durchschnittliche Dauer des Zulassungsverfahrens bei der US-Behörde FDA sechs Monate kürzer war als in der EU (EMA) - und 7,6 Monate kürzer als in Kanada. Das für Blutkrebs zugelassene Azactidin hatte die größte zeitliche Differenz: Die EMA hat Azactidin um 10,3 Monate schneller zugelassen als Health Canada, aber 55,8 Monate nach der FDA.

Die schnellste Zulassungszeit unter den untersuchten Krebsmedikamenten hatte Cabazitaxel, das von der FDA für metastasierenden Prostatakrebs 17 Tage nach dem Antrag des Herstellerunternehmens registriert wurde. In Kanada betrug die Zulassungszeit 11,63 Monate und in Europa 11,03 Monate. Lange dauernde Zulassungsprozesse, so die Studienautoren, haben Einfluss auf die Behandlung von Krebspatienten: "Es bedarf deshalb eines Dialogs zwischen der Industrie, den Zulassungsbehörden, Patientenorganisationen, Forschungsorganisationen und Krebsspezialisten, wie wir die Wartezeit bis zur Zulassung verkürzen können, und gleichzeitig die Sicherheit der zugelassenen Medikamente sicherstellen."

Christoph Zielinski, Leiter des Comprehensive Cancer Center der MedUni Wien und des Wiener AKH: "Es bedarf eines europaweit gleichen Zugangs zu diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen für Menschen mit Krebs. Sie haben ein Recht auf die zügige Zulassung innovativer Medikamente, und sie haben einen Anspruch darauf, dass diese Medikamente für sie leistbar sind. Europa muss auch zu einer Sozial- und Gesundheitsunion werden."

In einer weiteren Studie hat Felipe Ades vom Institute Jules Bordet in Brüssel herausgefunden, dass Patientinnen in Osteuropa einen schlechteren Zugang zu Trastuzumab, einem Medikament gegen HER2-positiven Brustkrebs, hatten als Frauen in Westeuropa und den USA, wobei diese Unterschiede durchaus Auswirkungen auf die Überlebensrate haben können. HER2-positive Tumoren machen etwa 20 Prozent aller Fälle von Brustkrebs aus.

Die Forscher hatten zuvor gezeigt, dass Unterschiede bei den Gesundheitsausgaben zwischen einzelnen EU-Ländern existieren und dass diese Unterschiede in einem Zusammenhang mit unterschiedlichen Überlebensraten bei Krebs stehen. "Je höher die Ausgaben, desto weniger Patienten starben nach der Diagnose Krebs", sagt Ades.

Nun haben die Forscher herausgefunden, dass Unterschiede im Einsatz innovativer und lebensrettender Medikamente eine der Ursachen für diese Diskrepanzen sein könnten. Nationale Registerdaten zeigen, dass in Osteuropa in den Jahren 2001 bis 2013 nicht ausreichend Trastuzumab eingekauft wurde, um alle Patienten zu behandeln, die davon profitieren könnten. "Unser Nachweis, dass Trastuzumab in Ländern mit höherer Brustkrebsüberlebensrate häufiger eingesetzt wird, unterstützt die Vorstellung, dass der Einsatz lebensrettender Medikamente einer der wichtigen Faktoren in der Verbesserung der Überlebensrate von Brustkrebs."

Aus onkologischer Sicht sei es eine medizinische und ethische Notwendigkeit, dass möglichst viele Patientinnen und Patienten in ganz Europa und weltweit von den Fortschritten der modernen Krebsmedizin profitieren, so Zielinski, auch Leiter der Universitätsklinik für Innere Medizin I in Wien. "Die beiden neuen Studien bestätigen, dass der Zugang zu einer optimalen Krebsbehandlung in der EU unterschiedlich ausgeprägt ist. Engpässe gibt es aber nicht nur bei Krebsmedikamenten im engeren Sinn, sondern auch bei den in der Behandlung des Tumorschmerzes unentbehrlichen Opioid-Schmerzmitteln. Das ergibt eine Bilanz, die nach Verbesserung verlangt."