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MedUni Wien: Meilenstein in der Muskelforschung

(Wien, 15-04-2011) - Genomische Instabilität als Bindeglied zwischen Muskeldystrophien und Sarkom-Entstehung entschlüsselt. MuskelforscherInnen der MedUni Wien zeigen, dass Gene, die bisher mit Muskeldystrophien assoziiert waren, auch Tumor-Gene sind. Sie schlagen damit erstmals eine Brücke zwischen Muskeldystrophien und Krebserkrankungen und öffnen damit neue Forschungs- und Behandlungswege.

(Wien, 15-04-2011) - Genomische Instabilität als Bindeglied zwischen Muskeldystrophien und Sarkom-Entstehung entschlüsselt. MuskelforscherInnen der MedUni Wien zeigen, dass Gene, die bisher mit Muskeldystrophien assoziiert waren, auch Tumor-Gene sind. Sie schlagen damit erstmals eine Brücke zwischen Muskeldystrophien und Krebserkrankungen und öffnen damit neue Forschungs- und Behandlungswege.

Bild: In einer Muskelbiopsie von einem erst 9 Monate alten Duchenne-Patienten ist in fast allen Zellkernen DNA-damage-response nachweisbar (Pfeile): gamma-H2Ax-Immunhistochemie

Muskeldystrophien sind durch fortschreitende Muskelschwäche gekennzeichnet und führen zu einer verkürzten Lebenserwartung. Obwohl die genetischen Ursachen für die meisten Muskeldystrophien in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten aufgeklärt werden konnten, ist der molekulare Mechanismus bislang ungeklärt.  Für die betroffenen PatientInnen besteht nach wie vor nach wie vor keine Aussicht auf Heilung. In Österreich sind von diesen seltenen Erbkrankheiten („rare diseases“) mit meist dramatischem Verlauf insgesamt mehrere tausend PatientInnen, zumeist Kinder und Jugendliche, betroffen.

Genomische Instabilität als Schlüsselmechanismus
In „PLoS Genetics“, einem der führenden Genetik-Journale, beschreibt Wolfgang Schmidt vom Neuromuskulären Forschungszentrum der MedUni Wien (Leitung Reginald Bittner) den Mechanismus der pathologischen Prozesse bei Muskelsdystrophien. Demnach haben alle Muskeldystrophien eine Veränderung auf der Ebene des Erbguts (DNA) gemein, die man bisher primär aus der Tumorbiologie kennt: genomische Instabilität. Die pathologischen Veränderungen am Chromatin, insbesondere die DNA-Schäden liegen bereits in frühesten Stadien vor, in denen bei Patientinnen mit Muskeldystrophie noch keinerlei pathologische Gewebsveränderungen oder klinische Symptome nachweisbar sind. Das Ausmaß der fehlerhaften Chromosomenzahlen nimmt mit dem Krankheitsverlauf zu.


Zwei Myoblastenkerne von einem Patienten mit Dysferlinopathie (Gliedergürtel Muskeldystrophie 2B) mit Trisomie 8 (grünes in-situ-Hybridisierungssignal) während 2 Kopien für das Chromosom 18 (rot) vorliegen.

In Mausmodellen für verschiedene humane Muskeldystrophien zeigen die AutorInnen, dass sich im hohen Alter spontan maligne Muskel-Tumore, sogenannte Sarkome, entwickeln. Die Kombination von zwei verschiedenen Muskeldystrophie-Gendefekten führten darüber hinaus zu einer markant häufigeren und deutlich früheren Sarkom-Entstehung. In diesem Aspekt verhalten sich also Muskeldystrophie-Gene exakt wie „etablierte“ Tumorsuppressor-Gene.

Von der Dystrophie zum Tumor
Mit großer Bedeutung für weitere Studien gelang es den ForscherInnen daraufhin zu zeigen, dass ein biologisches Kontinuum von der Muskeldystrophie bis hin zu schnell wachsenden, malignen Sarkomen existiert. So fanden sie in dystrophischen Muskeln von Mäusen, die noch keine sichtbaren Tumore entwickelt hatten, immer wieder „Mikrosarkome“ zwischen den Muskelfasern: „Diese Zellnester wurden bis dato immer für Ansammlungen von Makrophagen oder Histiozyten gehalten - also Zellen, denen immunologische Funktionen als auch Abräumfunktionen von abgestorbenen Muskelfasern zugeschrieben wurde. Auf Grund unserer Erkenntnisse beurteilen wir nun die Vermehrung von Bindegewebs- und Fettzellen in dystrophischen Muskeln anders“, sagt Studienleiter Reginald Bittner. Muskeldystrophie-PatientInnen sollen - so die Hoffnung der ForscherInnen - in Zukunft von den enormen Anstrengungen und Fortschritten auf dem Gebiet der Tumortherapien profitieren.

High-Tech Mikroskop als Turbo für die Muskelforschung
Der jetzt publizierte wissenschaftliche Durchbruch beruht auf mehreren Jahren Forschung und wurde letztlich durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit vieler Mitwirkender an der Schnittstelle zwischen Erforschung und Diagnostik von Muskelerkrankungen am Neuromuskulären Forschungszentrum und dessen Kooperationspartnern ermöglicht. Für die weitere Erforschung wurde das Neuromuskuläre Forschungszentrum kürzlich in einer gemeinsamen Sponsoringaktion von Nikon Instruments, dem Harley-Davidson Charity-Fonds und der Molecular Machines & Industries AG mit einem  Laser-Mikrodissektions-Mikroskop ausgestattet. Mit diesem „Harley-CharityScope“ ist es möglich, aus histologischen Präparaten einzelne Zellen oder Areale, die von Interesse sind, mittels Laser herauszuschneiden und weiteren detaillierten biochemischen und molekularbiologischen Untersuchungen zuzuführen.

Publikation: 
Schmidt WM, Uddin MH, Dysek S, Moser-Thier K, Pirker C, et al. (2011) DNA Damage, Somatic Aneuploidy, and Malignant Sarcoma Susceptibility in Muscular Dystrophies. PLoS Genet 7(4): e1002042. doi:10.1371/journal.pgen.1002042