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„Pac-Man“ im Zellkern entdeckt

Die Gene des Menschen sind nicht immer gleichermaßen aktiv, die Regulation erfolgt unter anderem über molekulare Schalter. In einer aktuellen Publikation präsentiert Dr. Alwin Köhler gemeinsam mit einem internationalen Team, wie der Proteinkomplex SAGA einen dieser Schalter bedient.

(Wien, 18-05-2010) Die 25.000 Gene des Menschen sind im Laufe unseres Lebens nicht gleichermaßen aktiv, die Regulation der Aktivität erfolgt unter anderem über das Umklappen molekularer Schalter. In einer aktuellen Publikation im internationalen Top-Journal „Cell“ präsentiert Dr. Alwin Köhler von den Max F. Perutz Laboratories der MedUni Wien gemeinsam mit einem internationalen Team, wie der Proteinkomplex SAGA einen dieser Schalter bedient.

Die DNA in einer menschlichen Zelle umfasst 3 Milliarden Basenpaare und ist ausgestreckt ungefähr 1,8 Meter lang. Damit die DNA trotzdem im Zellkern Platz hat, ist sie eng um Histon-Proteine gewickelt, was unter dem Elektronenmikroskop wie eine Perlenkette aussieht.

Die DNA ist die Vorlage für die Produktion von Proteinen. Je nachdem, welche Proteine erzeugt werden sollen, werden bestimmte Stellen – die jeweils zuständigen Gene - der DNA abgelesen (transkribiert). Dazu muss die DNA bei Bedarf von dem Histon gelöst werden. Hier hilft das kleine Protein Ubiquitin, das als Markierung zunächst an die Histone geheftet werden muss. Wird Ubiquitin später vom Histon abgetrennt, kann das Ablesen eines Gens eingeleitet werden. Für diesen wichtigen Schritt ist ein Enzym - die Deubiquitinase Ubp8 - verantwortlich, die im Rahmen der Studie von Alwin Köhler genau unter die Lupe genommen wurde. „In unserer Studie haben wir die Struktur und Funktionsweise von Ubp8 entschlüsselt. Es sieht ein bisschen wie ein kleiner Pac-Man aus, der das Ubiquitin von den Histonen herunterbeisst.“ erklärt er. „Die zweite Frage war nun, wie der Pac-Man gesteuert wird, damit er zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle zubeißt“.

Das Enzym Ubp8 ist alleine inaktiv, denn das unkontrollierte Entfernen von Ubiquitin, einem universellen Signalmolekül, würde leicht ein Chaos in der Zelle erzeugen. Es benötigt das Zusammenspiel von drei anderen Proteinen, um Ubp8 zu aktivieren. Erst wenn alle drei Aktivatoren an Ubp8 gebunden haben, ist der Pac-Man funktionstüchtig und kann Ubiquitin von Histonen abtrennen. „Das besondere an diesem Mechanismus ist, dass die Aktivierung von Ubp8 in mehreren Stufen erfolgt und die drei Regulatorproteine spezielle Aufgaben haben, nämlich den Pac-Man zusammenzuhalten, das Histon zu erkennen und das „Fresszentrum“ zu öffnen.

Als Untersuchungsobjekt dient den Wissenschaftlern die Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae), die sich relativ leicht gentechnisch manipulieren lässt. Da viele Proteine und Prozesse bei Hefen und Menschen auf molekularbiologischer Ebene sehr ähnlich sind, lassen sich die gewonnenen Erkenntnisse auf höhere Lebewesen übertragen und können zum besseren Verständnis verschiedener Krankheiten beitragen.
Das menschliche Pendant zur Protease Ubp8 (USP22) ist beispielsweise in Tumorzellen häufig überaktiv, während Fehlfunktionen eines der Aktivatoren – beim Menschen unter der Bezeichnung Ataxin-7 bekannt – an neurodegenerativen Erkrankungen beteiligt ist. Obwohl das Zusammenspiel der Aktivatoren und Ubp8 darin aufgeklärt werden konnte, bleiben noch viele Fragen offen, meint Köhler: „Die drei Aktivatoren von Ubp8 scheinen noch viele andere Funktionen im Rahmen der Genregulation zu erfüllen. Wir haben zwar einen Teil des Puzzles zusammengesetzt, aber bis wir das gesamte Bild erkennen können, liegt noch viel Arbeit vor uns!“.


Originalpublikation:
Alwin Köhler, Erik Zimmermann, Maren Schneider, Ed Hurt, Ning Zheng:
» “Structural Basis for Assembly and Activation of the Heterotetrameric SAGA Histone H2B Deubiquitinase Module”; Cell, April 2010


Zur Person:
Dr. Alwin Köhler ist seit Anfang des Jahres Junior Group Leader an den Max F. Perutz Laboratories der MedUni Wien und forscht mit seiner Gruppe an diesem komplexen Mechanismus der Genregulation und an der Organisation des Zellkerns. Zuvor war er am Biochemie-Zentrum der Universität Heidelberg tätig, wo er auch zusammen mit Partnern aus den USA (Ning Zheng, University of Seattle) an der nun publizierten Studie arbeitete.