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PET Studie zeigt erstmals Zusammenspiel zweier Transporter an der Blut-Hirn-Schranke auf

Gehirnverteilung eines dualen ABCB1/ABCG2 Substrats in einer Person ohne (obere Reihe) und einer Person mit ABCG2 Polymorphismus (untere Reihe), jeweils ohne (links) und mit (rechts) ABCB1 Hemmung. In der Person mit ABCG2 Polymorphismus kommt es bei ABCB1 Hemmung zu einer größeren Erhöhung der Gehirnverteilung als in der Person ohne Polymorphismus, was auf verminderte ABCG2 Aktivität hinweist.
Genvariationen erhöhen Risiko für unerwünschte Arzneimittel-Wechselwirkungen im Gehirn

(Wien, 05-04-2016) Ein Forschungsteam der MedUni Wien hat in Zusammenarbeit mit dem AIT Austrian Institute of Technology zwei neue PET Tracer entwickelt, die es erlauben, die Aktivität von Arzneistoff-Transportern an der Blut-Hirn Schranke zu messen. Die aktuell im Fachjournal „Clinical Pharmacology & Therapeutics“ erschienene Studie konnte zeigen, dass Personen mit einem genetischen Polymorphismus in einem Transporter-Gen eine verminderte Transporter-Aktivität an der Blut-Hirn Schranke haben, was zu einem erhöhten Risiko für unerwünschte Arzneistoff Wechselwirkungen am Gehirn führen kann.

Die Blut-Hirn Schranke ist eine Barriere zwischen dem Blut und dem Gehirn, die das Gehirn vor Fremdsubstanzen schützt. Ein wesentlicher Teil dieser Schutzfunktion wird von sogenannten ABC-Transportern ausgeübt, die kleine Moleküle daran hindern können, die Blut-Hirn Schranke zu passieren. Diese Transporter verhindern aber auch, dass viele Arzneistoffe ins Gehirn gelangen und dort wirksam werden.

In Studien an Tiermodellen konnte gezeigt werden, dass die beiden Transporter ABCB1 (P-glykoprotein) und ABCG2 (Breast Cancer Resistance Protein) an der Blut-Hirn Schranke zusammenarbeiten und duale ABCB1/ABCG2 Substrate wie Tyrosinkinase Inhibitoren (z.B. Gefitinib, Erlotinib, Lapatinib) daran hindern, ins Gehirn zu gelangen. Wird die Aktivität nur eines der beiden Transporter herabgesetzt, verhindert der andere Transporter weiterhin die Passage durch die Blut-Hirn-Schranke. Durch diesen ausgeklügelten Schutzmechanismus können duale ABCB1/ABCG2-Substrate nur dann das Gehirn erreichen, wenn beide Transporter inaktiv sind.

Funktion im Tiermodell auch beim Menschen nachgewiesen
Bis dato war nicht bekannt, ob dieses wichtige funktionelle Zusammenspiel zwischen ABCB1 und ABCG2 auch an der Blut-Hirn-Schranke des Menschen existiert. Ein Forscherteam der MedUni Wien um Oliver Langer und Martin Bauer von der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie (interimistische Leitung: Markus Zeitlinger) hat in enger und langjähriger Zusammenarbeit mit der klinischen Abteilung für Nuklearmedizin (Leitung: Marcus Hacker) der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin (Leitung: Christian Herold), Rudolf Karch vom Institut für Biosimulation und Bioinformatik (Leitung: Wolfgang Schreiner) und dem AIT Austrian Institute of Technology zwei neue Radiotracer für die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) entwickelt ([11C]Tariquidar, [11C]Elacridar), die es erstmals erlauben, die Aktivität von ABCB1 und ABCG2 an der Blut-Hirn Schranke nicht-invasiv zu messen.

In der Studie konnte in gesunden ProbandInnen gezeigt werden, dass die alleinige Hemmung von ABCB1 zu keiner nennenswerten Erhöhung der Gehirnverteilung von dualen ABCB1/ABCG2 Substraten führt, was erstmals ein funktionelles Zusammenspiel von ABCB1 und ABCG2 an der Blut-Hirn Schranke des Menschen belegt.

Individuelle Genvariationen machen Blut-Hirn-Schranke durchlässig
In Personen mit einem genetischen Polymorphismus des ABCG2 Gens (c.421C>A) – das würde rund 20 Prozent der Bevölkerung entsprechen – kam es hingegen bei Hemmung von ABCB1 zu einer deutlichen Erhöhung von gemessenen dualen ABCB1/ABCG2 Substraten im Gehirn.

Dies zeigt zum ersten Mal, dass die Aktivität von ABCG2 an der Blut-Hirn Schranke von Trägern des ABCG2 Polymorphismus herabgesetzt ist. Demnach können Arzneistoffe, die von ABCG2 transportiert werden, besser in das Gehirn von Trägern des Polymorphismus gelangen als bei nicht betroffenen Personen. Andererseits kann durch den Polymorphismus auch das Risiko für transporterbedingte Arzneistoff-Wechselwirkungen erhöht sein, wodurch es in bestimmten Fällen zu unerwünschten Nebenwirkungen von Arzneistoffen im Gehirn kommen könnte.

Diese Studie ist ein wichtiger Beitrag zur personalisierten Medizin, indem sie erstmals die Auswirkungen genetischer Polymorphismen und gezielter Transporter-Blockade auf Konzentrationen von Arzneistoffen im Zentralnervensystem aufzeigt.

Gefördert wurde diese Studie durch die FWF Projekte KLI 480-B30 (PI: Oliver Langer) und F3513-B20 (PI: Markus Müller) des FWF Spezialforschungsbereich 35 „Transmembrane Transporters in Health and Disease“ (Sprecher: Harald Sitte).

Service: Clinical Pharmacology & Therapeutics
A pilot PET study to assess the functional interplay between ABCB1 and ABCG2 at the human blood-brain barrier. Bauer M, Römermann K, Karch R, Wulkersdorfer B, Stanek J, Philippe C, Maier-Salamon A, Haslacher H, Jungbauer C, Wadsak W, Jäger W, Löscher W, Hacker M, Zeitlinger M, Langer O http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26940368