Skip to main content English

Sabina Baumgartner-Parzer

Titel: ao. Univ.Prof.in Dr.in
Assessorin "European Molecular Genetics Quality Network"

Warum haben Sie sich für eine wissenschaftliche Karriere entschieden? Was waren da die Gründe?

Interessanterweise wollte ich immer in die Wissenschaft, wahrscheinlich deswegen, weil mir nichts anderes eingefallen ist, was mich wirklich reizen würde. Im Gymnasium weiß man ja nicht genau, was Wissenschaft und Universität bedeutet. Aber ich habe gewusst, dass ich keine Lehrerin werden will; Wirtschaft hat mich nicht besonders interessiert. In den gesundheitlichen Bereich bin ich vielleicht auch durch die Erkrankung meiner Mutter, die relativ früh an MS erkrankt ist. Damals hat es keine wirklich guten Therapien gegeben und deshalb haben sich meine Eltern und damit auch wir als Kinder mit gesunder Ernährung und auch mit anderen Methoden beschäftigt. Medizin wollte ich nicht unbedingt studieren, weil mich der Seziersaal und der Anatomiekurs abgeschreckt haben, völlig zu Unrecht, wie ich später bemerkt habe. Als ich schon da (Anm.: an der MedUni Wien) war, habe ich nebenbei den Anatomiekurs etc.  gemacht. Aber zum Zeitpunkt der Matura konnte ich mich dazu nicht durchringen, da war das abschreckend. Da hab ich mir gedacht: „Nein, also das halte ich womöglich nicht aus.“ Zu diesem Zeitpunkt stand auch nicht die Arbeit mit den PatientInnen im Vordergrund, sondern eher das Interesse am Hintergrund der Erkrankungen, vor allem molekulare Mechanismen und was man gegen Krankheiten tun kann. Und obwohl ich auf der Boku (Anm.: Universität für Bodenkultur) Biotechnologie studiert habe, war schon relativ klar, dass ich in den medizinischen Bereich wollte. Das war dann auch nicht ganz Zufall, dass ich hier gelandet bin. Ich war beim Studium ein Jahr schneller als geplant, da hat sich dann der Studienkommissionsvorsitzende an mich gewandt und hat gefragt, ob er irgendwas für mich tun kann. Ich habe damals gesagt, dass ich auf die Medizin möchte. Da hat er gemeint er ruft Frau Professor Mannhalter an, das ist eine Studienkollegin von ihm. Ich bin mich dann vorstellen gegangen und das war´s dann. Ich habe bei Frau Professor Mannhalter dissertiert und dann hat mich Professor Waldhäusl in seine Abteilung geholt und da bin ich jetzt seit 1990.         



Wie verlief Ihr wissenschaftlicher Weg?

Ich bin im Rahmen meiner Dissertation bei Frau Professor Mannhalter bereits in den molekularbiologischen Bereich gekommen, obwohl meine Dissertation ja protein-biochemisch war, mit Dialysemembranen. Wie bereits erwähnt, bin ich zum Ende meiner Dissertation von Professor Waldhäusl angesprochen worden, ob ich nicht bei ihm in den Laborbereich kommen wollte. Zuerst haben mich die Tierversuche, für die er mich haben wollte, abgeschreckt und ich habe gesagt: „Das mache ich nicht.“ Und so bin ich dann mit einem neuen Angebot über Zellkultur auf die Endokrinologie gekommen. Professor Waldhäusl hat immer schon auch die Nichtmediziner sehr gefördert. Das Labor war ihm sehr wichtig und dadurch hatte ich dann relativ freie Hand bei dem, was ich gemacht habe. Ich habe dann auch relativ bald, weil mich das immer interessiert hat, Aufgaben für die Allgemeinheit übernommen, also beispielsweise war ich dann bald Strahlenschutzbeauftragte. Ich habe mich in die Routine eingebracht, weil mich das auch interessiert hat. Damals haben wir noch die ganze Schilddrüsendiagnostik gemacht und dann habe ich auch begonnen mich mit der Routinediagnostik in der Molekularbiologie zu beschäftigen, weil ich da schon immer einen Sinn gesehen habe, eben auch etwas für die PatientInnen zu tun und wirklich im medizinischen Bereich etwas zu bewerkstelligen. Durch diese Tätigkeit habe ich relativ bald Laborverantwortung gehabt, die mir Professor Waldhäusl auch zugestanden hat, vorab noch mit einem zweiten Kollegen gemeinsam. Seit Professor Luger der Chef der Abteilung ist, nach der Emeritierung von Professor Waldhäusl also, habe ich den Laborbereich gesamt übernommen und bin die Leiterin der Forschungslabors. Für die Molekularbiologie haben wir dazwischen auch angestrebt, prädiktive Diagnostik zu machen. Das bedeutet, dass wir vom Ministerium auch für prädiktive Diagnostik für bestimmte Stoffwechselerkrankungen zugelassen sind. Dadurch dass die Molekularbiologie und die Routinediagnostik sehr von Qualität getrieben sind und Zertifizierungsprozesse wichtig sind, bin ich später auch die Qualitätsmanagerin der Abteilung geworden und wir haben noch vor dem Gesamtzertifikat des AKH´s 2008 das ISO-Zertifikat als Abteilung bekommen. In Summe kann ich nur sagen, dass meine Chefs mich immer gefördert haben. Für diese Personen war das Labor immer wichtig. Und ich glaube, dass insgesamt auch meine Anstrengungen für die Gesamtheit, abseits von meiner persönlichen Arbeitsgruppe und meinem persönlichen Forschungsinteresse, dazu beigetragen haben, dass ich fest Fuß fassen konnte, trotz Kindern und so weiter und so fort.

 

Was sind Ihre Stärken? Wie konnten sie diese für Ihre Karriere nutzen? Oder für den Weg bis dorthin, wenn sie es noch nicht als Karriere bezeichnen wollen.

Ich habe immer relativ großes Durchhaltevermögen gehabt, ich bleibe an etwas dran. Ich bin auch immer konsequent und ich würde sagen auch zuverlässig. Was ich übernehme, das mache ich. Ich brauche wenig Schlaf. Das hat sich später als äußerst günstig herausgestellt, ich habe nie mehr als 5 oder 6 Stunden geschlafen. Früher auch schon nicht. Später war das praktisch, anhand der Kinder habe ich dies erst gemerkt. Und früher war mir auch nicht so bewusst, dass ich ziemlich gut organisiert bin. Ich kann gut schachteln und effizient die Dinge abwickeln. Ich bin prinzipiell optimistisch, das heißt wenn irgendwas nicht gut geht, bin ich sofort dabei zu sagen, ok, das hat wahrscheinlich auch irgendeinen positiven Effekt, dass das nicht geklappt hat. Und stürze mich sozusagen auf die nächste Möglichkeit etwas draus zu machen!     

 

Was sind Ihre wichtigsten Ressourcen gewesen, um Karriere machen zu können?

Ich glaube schon ein gewisser Ehrgeiz und ein Optimismus, dass man immer vorwärts schaut. Ich schaue nicht zurück sondern denke darüber nach, was ich als nächstes machen kann? Was liegt jetzt an? Und was mich selber angeht, habe ich eben Selbstbewusstsein und Organisationstalent. Und was jetzt das Umfeld anbelangt, mein Mann, der mir zumindest finanziell den Rücken frei gehalten hat, weil ab einem gewissen Zeitpunkt schon relativ viel für Kinderbetreuung drauf gegangen ist. Im Prinzip auch meine langjährigen MitarbeiterInnen, auf die ich mich verlassen konnte. Und als die Kinder da waren, halt auch die Schwiegermutter. Also, prinzipiell ist man schon sehr auf sich gestellt, finde ich, wenn man einen gewissen Erfolg haben möchte und hat schon viel. Das wichtigste ist die Unterstützung des Ehepartners und das Umfeld, in dem Fall waren es primär meine MitarbeiterInnen.          

 

Was war Ihr größter Misserfolg und was haben Sie daraus gelernt?

Ich glaube, eine Karriere ist ein permanenter Misserfolg, es wird dauernd ein Projekt abgelehnt, man muss es wieder schreiben - dass Publikationen beim ersten Mal  angenommen werden, ist äußerst unwahrscheinlich. Dadurch dass ich immer schaue, was kann man jetzt daraus machen, hat mich das nie so tief getroffen. Meine erste Frage ist immer: was lerne ich daraus, was kann ich besser machen? Daraus habe ich gelernt, dass man eine relativ hohe Frustrationstoleranz haben muss. Ansonsten hält man das nicht aus. Man muss einfach das Projekt verbessern, wieder einreichen. Auf die Reviewer-Kritik eingehen, wieder einreichen. Dass ein Paper abgelehnt wird, ist normal. Und meistens ist die Kritik auch nicht umsonst. Also, bei einem Journal sehe ich das schon wirklich gelassen, aber wenn man älter ist, und das schon dreißigmal hinter sich hat, dann ist man natürlich gelassener als bei den ersten Publikationen. Da darf man sich wirklich nicht aufreiben, es ist oft auch ungerecht. Da darf man sich auch nichts vormachen, wenn es unter einem anderen Namen hingekommen wäre… denn es ist schon so, dass die Netzwerke zählen. Und wenn das zu einem Reviewer kommt, der die Gruppe kennt, den man selber kennt… es ist so. Also das weiß man am Anfang nicht, aber je länger man in dem Geschäft ist, desto mehr sieht man, dass einfach die Netzwerke und die Beziehungen zählen. Und dass dies auch unbewusst bei manchen Dingen bei den Gutachtern einfließt. Und manchmal ist das auch völlig normal. Es gibt ja überall zu viele Arbeiten, also die Journals können nicht alle publizieren, das geht sich platzmäßig nicht aus. Ich war ja selbst bei „Diabetologia“ im Editorial Board ob man da dann wirklich immer die beste Wahl trifft, wage ich zu bezweifeln. Das geht halt nicht anders. Und bei den Projekten ist es genauso.             

 

War es für Ihre Karriere hinderlich, dass Sie eine Frau sind oder hat es einen Zeitpunkt gegeben, zu dem das überhaupt ein Thema war?

Ich würde schon sagen ja, also bei mir ist schon angeklungen, vor allem zu Beginn meiner Karriere, wie ich mir das denn mit Kindern vorstelle, das ging bis zu Verhütungsfragen. Ich war damals 21 Jahre alt und über diese Fragen schon einigermaßen überrascht. Später war das Thema dann, dass ich ja „gut verheiratet“ sei und deshalb einen Posten nicht unbedingt bräuchte. Insofern wurde ich schon anders behandelt. Und was ich schon sehe, ist, und bei mir war es besonders so, weil mein Mann ein internationaler Top Manager ist, der sehr viel weg ist, dass ich praktisch außer am Wochenende alleinerziehend war und  ich deshalb keine Zeit zum Netzwerken hatte. Davon sind, glaube ich, immer noch mehr Frauen als Männer betroffen, vor allem in der Zeit, in der die Kinder klein sind. Das ist aus meiner Sicht ein eklatanter Nachteil für die Karriere. Das habe ich dann auch gesehen, als ich mal zwei Jahre Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Endokrinologie und Stoffwechsel war, also 2011-2012, da war ich dann automatisch mehr in den Netzwerken drinnen, weil als Präsidentin wird man dann ganz einfach in dieser Funktion zu verschiedenen Dingen eingeladen. Da habe ich dann schon gemerkt, dass einem das viele Türen öffnet. Das ist auch nichts Schlechtes, denn wenn man im Gespräch ist und die Person kennt, dann fällt einem halt die als Erste ein die auch bei der Abendveranstaltung ist und natürlich nicht die, die um 5 nach Hause geht und bei den Kindern ist . Das ist normal, aber es ist schon ein Nachteil, finde ich.

 

Falls Sie Kinder haben: Was ist bzw. war an Unterstützung besonders hilfreich?

Die finanzielle Unterstützung von meinem Mann habe ich vorhin schon erwähnt. Mittlerweile ist es, glaube ich, schon besser geworden, aber zu meiner Zeit hat es in Niederösterreich, wir wohnen im Bezirk Mödling, keine oder kaum Krabbelstuben gegeben. Da war der Kindergarten für Kinder ab 3 Jahren und um halb 2 zu Mittag wieder geschlossen. Außerdem war die Kinderbetreuung in Niederösterreich am Vormittag gratis und am Nachmittag nicht, dazu der Kindergarten im Sommer 4-6 Wochen geschlossen. Damit fängt man als vollberufstätige Frau wirklich wenig an. Tagesmütter gibt es wenige, und insofern ist es unheimlich wichtig einerseits die staatlichen Möglichkeiten auszubauen, also Kindergartenplätze, Nachmittagsbetreuungsplätze zu schaffen. Von meiner Seite aus muss ich sagen, schon das Verständnis bzw. auch das Selbstbewusstsein der übrigen Frauen ist wichtig. Sich zu sagen trauen, dass die Besprechung für eine bestimmte Zeit anberaumt ist und dass man nach dieser Zeit auch geht. Denn man kann bestimmte Dinge effizient gestalten und eigentlich braucht jeder einen Zeitplan, um effizient arbeiten zu können.

 

Welchen Ausgleich suchen Sie in der Freizeit?

Also das ist schon die Familie-  ich genieße das jetzt auch, für meine Töchter da zu sein, die brauchen mich nicht unbedingt mehr, aber jetzt ist es schön, Zeit mit ihnen zu verbringen. Dann Sport, lesen, und im Prinzip Freunde treffen, das wieder mehr aufleben lassen, wenn die Kinder jetzt außer Haus sind.       

 

Tipps und Tricks

Mir fällt ein: sich nicht beirren lassen, Selbstbewusstsein zeigen, die eigenen Leistungen herausstellen, das tut man als Frau viel zu wenig, als junge Frau noch weniger. Die männlichen Kollegen sind da viel besser, die können das perfekt im Vergleich zu den Frauen. Ich halte es für unheimlich wichtig am Abend dann eben noch netzwerken zu gehen, auch wenn viele Kolleginnen meinen, dass es zu stressig, zu mühsam sei. Das würde ich empfehlen, das erleichtert einfach vieles. Eine Frau hat es schon schwer genug,  besonders wenn die Kinder klein sind. Deshalb denke ich, das Netzwerken ist vielleicht eine Erleichterung. Da bekommt man Chancen, die man sonst vielleicht nicht bekäme und kann sich dadurch beweisen. Und optimistisch sein, alles als Verbesserungsmöglichkeit sehen. Kritik nicht persönlich nehmen, das sagt sich immer leicht, aber es ist wirklich wichtig, Kritik als Möglichkeit etwas zu verbessern und weiterzukommen zu sehen.