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Theaterperformance des Zentrums für Public Health im Tanzquartier Wien

S. Ardal Rosengren in 'Fictional Offender'. (c) Baciak

(Wien, 10-06-2011) Klaus Spiess vom Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien arbeitet an der Umsetzung medizinischer Themen für Film und Theater und kooperiert dabei mit Kunstuniversitäten und kulturellen Einrichtungen. Er folgt damit dem Beispiel anderer internationaler Universitäten wie Yale oder Stanford, indem er medizinische Wissenschaft und Kunst verbindet. Eine Arbeit der Gruppe um Klaus Spiess wird vom 16. bis 18. Juni am Tanzquartier Wien - einem der wichtigen Performance-Häuser Europas - zu sehen sein.

Menschliches Immunsystem als Inszenierung      
Die aktuelle Theaterperformance „Fictional Offender“ nimmt als Ausgangspunkt die Fragestellung, welchen Einfluss soziale Netzwerke wie YouTube oder Weblogs auf Patienten mit Immunerkrankungen nehmen. Was passiert, wenn aus „virtuellen“ Persönlichkeiten im Internet plötzlich reale „angreifbare“ Menschen werden, ist dabei zentrales Thema. Unterstützt von Videos und Texten aus dem Internet zeigt die Inszenierung, wie sich dabei Selbst- und Fremdbilder verändern und welchen Einfluss die Internationalität des World Wide Web auf die Wahrnehmung des Immunsystems durch Betroffene hat.
Diese künstlerische Auseinandersetzung mit der Fragestellung macht verständlich, mit welcher komplexen Thematik sich die Forschungsarbeit im Bereich Public Health beschäftigt und wie die Ergebnisse dieser Forschungen das öffentliche Interesse an Gesundheitsthemen stärken können.

Spiess zur Vorgangsweise und Intention der neuen Produktion: “Im Vorfeld der Produktion untersuchten wir Erzähl- und Bildmuster von Selbstdarstellungen immunologisch Erkrankter im Web. Wir bezogen soziale Plattformen, Blogs aber auch die sogenannten ‚Self-Exams Shows’ ein. Unsere Fragestellung dabei war,  wie die Deterritorialität des Webs die immunologischen Figuren des Eindringens, Abwehrens, des Täuschens und Tolerierens sprachlich beeinflusst und wie sich dies in der Selbstwahrnehmung der Betroffenen wiederspiegelt.
‚Als auf der Bühne re-inszenierte Charaktere mussten die aus den Medien extrahierten Figuren neue, weil an die anwesenden Live-Körper der Performer gebundene Verhaltensweisen entwickeln. Die Performer mussten mit ihrem Körper und ihren Stimmen die zwischen Biologie, Medien und subjektiver Figur entstehenden Leerstellen schliessen. 
Mit der szenisch erreichbaren unmittelbaren Evidenz wurde bei den Proben solange exemplifizierend, ergänzend, verschiebend und falsifizierend vorgegangen, bis die verborgene wechselseitige Abhängigkeit von subjektiven, biologischen und medialen Identitäten zur Darstellung kam.  Wir wollen damit die Schnittstelle zwischen dem anwesenden biologischen Körper und dem abwesenden Körper in den Medien mit künstlerischen Mitteln definieren. Dadurch soll für die Öffentlichkeit und für die Betroffenen eine aus wissenschaftlicher  u n d  künstlerischer Sicht angemessene imaginäre Identifikationsfigur entwickelt werden“

‚Fictional Offender’
Die Gruppe um Spiess wurde nun nach einem kompetitiven Auswahlverfahren eingeladen, die aktuelle Produktion ‚Fictional Offender’ am Tanzquartier Wien zu entwickeln.

Beteiligte Wissenschaftler und Künstler
Regie führte die Szenographin der Gruppe Lucie Strecker (D), als Performer wurden Salka Ardal Rosengren (S) und Nicholas Hoffmann (USA) engagiert. Das Gesamtkonzept für das Stück entwickelte Klaus Spiess. Philippe Riéra, Mitglied des internationalen Performance-Kollektivs Superamas begleitete die Stückentwicklung als Coach. Superamas haben 2002 mit em. Prof. R. Trappl von der Medizinischen Universität Wien kooperiert. Die aktuelle Produktion wurde vom Bundesministerium für Unterricht und Kunst, Abteilung spartenübergreifende Projekte gefördert. 
Die Performance ist im Rahmen der Serie Stückwerk (Format für junge choreographische Handschriften) zusammen mit anderen Kurzstücken vom 16.-18. Juni 2011 in den Studios des Tanzquartiers (» www.tqw.at) zu sehen.

Von der Intention zur Tradition
Bereits 2000 begann die Gruppe um Klaus Spiess im Rahmen eines FWF Projektes, sich mit Fragen filmischer Darstellung auf Krankenstationen zu beschäftigen und später mit dramaturgischen Mitteln Studierende für die Kommunikation mit PatientInnen zu sensibilisieren. Durch die Zusammenarbeit mit Kunst- und Filmuniversitäten sowie Kultureinrichtungen im In- und Ausland wurde die Verwendung künstlerischer Mittel in der Darstellung medizinischer Themen für die Öffentlichkeit, PatientInnen und StudentInnen systematisch bearbeitet.  Filme des Teams wurden inzwischen nicht nur auf zahlreichen Medizinkongressen gezeigt, sondern sind auch im web-channel der renommierten britischen “Tate Modern“ online zu sehen. Ein nachbearbeitetes Video-Still einer Inszenierung mit Ärzten und Medizinstudenten wurde 2009 im Rahmen des Art and Science Schwerpunkts des Fonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung (FWF) mit dem ersten Preis als ‚Bild des Jahres’ ausgezeichnet.

Ao. Univ. Prof. Dr. med. univ. Klaus Spiess arbeitet am MedUni Wien Zentrum für Public Health am Institut für Medizinische Psychologie. Sein beruflicher Schwerpunkt ist der Bereich Arts and Humanities in Medicine.
Zentrum für Public Health an der Medizinischen Universität Wien
"Public Health" ist ein multidisziplinärer Bereich, der sowohl Natur- als auch Sozial- und Kulturwissenschaften inkludiert. Auf Basis der biomedizinischen Erkenntnisse und in sinnvoller Ergänzung dazu werden quantitative Methoden, wie in der Epidemiologie oder Biostatistik, aber auch qualitative Methoden der Sozial- und Kulturwissenschaften angewandt, um gesundheitsrelevante Daten zu erfassen, aktuelle und historische Einflüsse von Gesellschaft und Umwelt auf Gesundheit und Krankheit aufzudecken, deren Bedeutung für die gesamte Bevölkerung zu analysieren sowie bevölkerungsbezogene Maßnahmen für die Prävention, Gesundheitsförderung, verbesserte medizinische Versorgung, Änderung des Verhaltens und Kontrolle der Umweltbedingungen entwickeln zu können.

Das Ziel von Public Health ist, den physischen und psychischen Gesundheitszustand der Bevölkerung durch gesundheitsbezogene Initiativen in Forschung, Entwicklung, Bildung und Öffentlichkeitsarbeit sowie durch Beratung nationaler und internationaler Gremien zu verbessern. Die Forschung in "Public Health" schafft die zur Erreichung dieser Ziele notwendigen wissenschaftlichen Grundlagen.

MedUni Wien Zentrum für Public Health
» www.meduniwien.ac.at/zph