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Therapieoption für drogenabhängige Schwangere

Als Pionierarbeit kann eine soeben publizierte internationale Multicenterstudie unter Federführung der MedUni Wien angesehen werden, die die Auswirkungen von Drogenersatztherapien während der Schwanger-schaft auf Mutter und Kind untersuchte. Die Arbeit stellt gleichzeitig ein Modell für Medikamentenstudien an schwangeren Frauen dar und erschien im renommierten New England Journal of Medicine.

(Wien, 10-12-2010) Als Pionierarbeit kann eine soeben publizierte internationale Multicenterstudie unter Federführung der MedUni Wien angesehen werden, die die Auswirkungen von Drogenersatz-therapien während der Schwanger-schaft auf Mutter und Kind untersuchte. Die Arbeit stellt gleichzeitig ein Modell für Medikamentenstudien an schwangeren Frauen dar und erschien im renommierten New England Journal of Medicine.

Methadon ist die Standardbehandlung bei Opiatabhängigkeit während der Schwangerschaft. Die Gabe dieses Wirkstoffes vor der Geburt ist allerdings mit einem „Neonatalen Abstinenzsyndrom“ (NAS) beim Neugeborenen verbunden, das sich in einem überreizten Zentralnervensystem und Dysfunktionen des autonomen Nervensystems zeigt und weitere medikamentöse Behandlung und längere Krankenhausaufenthalte erfordert.

In einer randomisierten Doppelblindstudie untersuchte Ao. Univ. Prof.in Dr.in Gabriele Fischer, Suchtforscherin an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, gemeinsam mit KollegInnen aus den USA nun die Wirkung des alternativen Wirkstoffes „Buprenorphin“, der bei Opiatabhängigkeit eingesetzt wird, allerdings bei Schwangeren nicht ausreichend untersucht war.

Die Ergebnisse zeigen eine Sicherheit für beide Medikamente bei Frauen und Kindern, wobei unter Methadontherapie einer höhere Anzahl an Patientinnen in Behandlung verblieben sind. Beide Medikamente wiesen eine vergleichbare deutliche Reduktion des Konsums von legalen/illegalen Suchtmittel auf. Alle Neugeborenen waren gesund mit vergleichbaren Parametern zu Kindern, die im Uterus keiner Medikation exponiert waren (Geburtszeitpunkt, Gewicht, APGAR etc.). Der unmittelbare neonatale Entwicklungsverlauf weist aber ein signifikant positiveres Ergebnis für Buprenorphin auf. Neben der psychopharmakologischen Therapie erhielten alle Frauen verhaltenstherapeutische Interventionen.

Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung dieser sehr aufwändigen internationalen Studie ist neben der ethischen Befürwortung, das Vorhandensein einer professionellen interdisziplinären Forschungs- und Therapiestruktur, wie sie an der MedUni Wien anzutreffen ist. Das Wiener Team von Gabriele Fischer gemeinsam mit den Universitätsklinken für Frauenheilkunde, Kinder- und Jugendheilkunde und der Klinischen Abteilung für Medizinisch-chemische Labordiagnostik konnte so auch den größten Anteil zu den Daten beisteuern.

Die schwangeren suchtkranken Frauen mussten über acht Monate täglich zur Kontrolle und Medikamenteneinnahme an die Klinik kommen, die Neugeborenen wurden postpartal über zehn Tage standardisiert engmaschig auf ihre neuromotorische Entwicklung in einem stationären Setting evaluiert. Grundbedingung ist weiters eine adäquate Forschungsförderung, wofür vom US – amerikanischen National Institute of Health (NIH) 48 Millionen Dollar bereit gestellt wurden, unter anderem mit der Zielsetzung ein "Role Model" zur Medikamentenforschung bei Schwangeren zu etablieren. In diesem Sinne kann die Studie als Pionierarbeit angesehen werden.

Gabriele Fischer: „Frauen insgesamt, aber speziell schwangere Frauen sind nach wie vor deutlich benachteiligt, was Untersuchungen zur Medikamentenwirkung anbelangt, da sie aus wissenschaftlichen Studien meist ausgeschlossen sind und Medikationsauswirkungen auf Kinder häufig erst in deren Entwicklungsverlauf festgestellt werden können.“


Publikation in New England Journal of Medicine:
» Neonatal Abstinence Syndrome after Methadone or Buprenorphine Exposure
Hendrée E. Jones, Ph.D., Karol Kaltenbach, Ph.D., Sarah H. Heil, Ph.D., Susan M. Stine, M.D., Ph.D., Mara G. Coyle, M.D., Amelia M. Arria, Ph.D., Kevin E. O'Grady, Ph.D., Peter Selby, M.B., B.S., Peter R. Martin, M.D., and Gabriele Fischer, M.D.
N Engl J Med 2010; 363:2320-2331December 9, 2010