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Thrombozyten fördern den Regenerationsprozess der Leber nach Operationen

Sie können auch als Ansatzpunkt für die Vorhersage von möglichen postoperativen Störungen herangezogen werden

(Wien, 23-11-2015) Eine Forschergruppe der MedUni Wien hat herausgefunden, dass bestimmte thrombozytäre Wachstumsfaktoren von großer Bedeutung für die Regenerationsprozesse der Leber sind. So konnte bei PatientInnen mit operativen Teilentfernungen der Leber gezeigt werden, dass Thrombozyten das Nachwachsen des Lebergewebes begünstigen. Auch können diese als Ansatzpunkt für die Vorhersage von möglichen postoperativen Störungen herangezogen werden. Die Arbeit wurde im hepatologischen Spitzenjournal „Hepatology“ publiziert.

Thrombozyten sind essentiell an Wundheilungsprozessen beteiligt. Sie können gezielt wichtige Wachstumsfaktoren am Ort der Verletzung absondern und damit Regenerationsprozesse des verletzten Gewebes in Gang setzen. In der aktuellen Studie, einer Zusammenarbeit zwischen der Universitätsklinik für Chirurgie der MedUni Wien um Patrick Starlinger und dem Institut für Physiologie um Alice Assinger, konnten die WissenschafterInnen zeigen, dass die spezifische Freisetzung von Wachstumsfaktoren aus den α-Granula mit der postoperativen Leberregeneration assoziiert war.

Bereits 2014 hatten die Autoren der vorgestellten Arbeit gezeigt, dass in Thrombozyten gespeichertes Serotonin die postoperative Leberregeneration entscheidend beeinflussen kann. Serotonin ist in den elektronendichten Granula (Speicherorganellen) von Thrombozyten gespeichert und wird aktivierungsabhängig abgesondert. Im Zuge der Thrombozytenaktivierung wird auch der Inhalt einer zweiten Art von Granula freigesetzt, die sogenannten α-Granula. Nun konnte zum ersten Mal eine hoch selektive Freisetzung von α-Granula in vivo nachgewiesen und eine daraus resultierende pathophysiologische Konsequenz aufgezeigt werden.

Diese Granula enthalten sowohl wachstumsfördernde, wie auch wachstumshemmende Faktoren. In vitro-Daten der vergangenen Jahre konnten zeigen, dass Thrombozyten nicht, wie bisher angenommen, nur in einem aktivierten oder nicht aktivierten Zustand vorliegen können, sondern dass sie abhängig vom zugrundeliegenden Stimulus in der Lage sind, wachstumsfördernde oder wachstumshemmende Faktoren sehr spezifisch freizusetzen. Ob dieser Mechanismus auch in vivo eine Rolle spielt und pathophysiologische Konsequenzen hat, war bisher nicht bekannt

Die Leber ist das einzige Organ, das sich – auch nach größeren Schäden oder teilweisen operativen Entfernungen (Resektionen) –  selbst regenerieren kann. Bis zu 75 Prozent des Lebergewebes können entfernt werden, ohne dass die Stoffwechselfunktionen dauerhaft gestört werden.

Dieses enorme Regenerationspotenzial der Leber und fortschreitende Entwicklungen im Bereich der Leberchirurgie erlauben es, dass selbst bei PatientInnen mit eingeschränkter Leberfunktion aufwändige Resektionen durchgeführt werden können. Allerdings tritt auch heute noch bei einem gewissen Prozentsatz eine postoperative Störung der Leberfunktion auf. Diese Leberinsuffizienz kann sich zu einer lebensbedrohlichen Komplikation entwickeln und ist mit einer relativ hohen Mortalität assoziiert. Die genauen Ursachen für ein Leberversagen sind bisher nur teilweise geklärt.

Lebervenenblutdruck könnte selektive α-Granula Freisetzung bedingen
Die Wissenschafter konnten nun auch zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen thrombozytären Wachstumsfaktoren und Lebervenenblutdruck besteht. Eine vorbestehende Lebererkrankung, die zu Veränderungen des Lebervenenblutdrucks führt, gilt als Risikofaktor für postoperative Komplikationen. „Wir konnten zeigen, dass bei Patienten mit hohem Lebervenenblutdruck die Freisetzung von wachstumsfördernden Substanzen unterdrückt und vermehrt wachstumshemmende Faktoren freigesetzt werden. Diese Erkenntnisse werden uns helfen, die gefährlichen Konsequenzen von Veränderungen des Lebervenenblutdrucks besser zu verstehen“, erklärt Starlinger. Die gewonnen Erkenntnisse könnten einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung neuer Therapiestrategien liefern, um eine verbesserte Leberregeneration nach Leberresektionen zu gewährleisten und damit auch das Risiko für das Auftreten eines bis dato nicht behandelbaren Leberversagens zu senken.


Service: Hepatology

The Profile of Platelet α-Granule Released Molecules Affects Postoperative Liver Regeneration. Starlinger P, Haegele S, Offensperger F, Oehlberger L, Pereyra D, Kral JB, Schrottmaier WC, Badrnya S, Reiberger T, Ferlitsch A, Stift J, Luf F, Brostjan C, Gruenberger T, Assinger A. 2015 Nov 3. doi: 10.1002/hep.28331 http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26528955

Fünf Forschungscluster an der MedUni Wien
Insgesamt sind fünf Forschungscluster der MedUni Wien etabliert. Dort werden in der Grundlagen- wie in der klinischen Forschung vermehrt Schwerpunkte an der MedUni Wien gesetzt. Die Forschungscluster umfassen medizinische Bildgebung, Krebsforschung/Onkologie, kardiovaskuläre Medizin, medizinische Neurowissenschaften und Immunologie. Die chirurgisch-hepatologische Forschung an der MedUni Wien fällt in den Themenbereich des Clusters für Immunologie.